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„Fakten statt Fake-News“
Jatros
Autor:
Dr. Christine Dominkus
30
Min. Lesezeit
24.05.2018
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<p class="article-intro">Was man wirklich wissen sollte zu Botulinumtoxin und Hyaluronsäure(HA)-Fillern, darüber informierte Ende Februar 2018 die DGBT, die in zweijährigen Abständen in Frankfurt tagt. </p>
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<p class="article-content"><p>Mittlerweile zählt die stetig wachsende Gesellschaft knapp 1300 Mitglieder, wobei die Anzahl der Dermatologen im Vergleich zu Ärzten anderer Fachgruppen überwiegt, berichtete Dr. Boris Sommer, Frankfurt, Gründungsmitglied und 1. Vorsitzender der DGBT. 2005 ins Leben gerufen als interdisziplinäre Gesellschaft zur Verbesserung und Standardisierung der Ausbildung in ästhetischen Injektionsverfahren und als Informationsplattform für Kollegen und Patienten (www.dgbt.de), führte die DGBT vor Kurzem eine Umfrage durch, mit dem Ziel, die Einstellung der Frauen zum Thema Altern und Botox und Filler zu erfahren. Interviewt wurden 1000 deutsche Frauen im Alter von 35 bis 75 Jahren mit einem Mindesteinkommen von 2000 Euro, die zumindest schon einmal von einer Faltenbehandlung mit Botox gehört hatten.<sup>1</sup></p> <h2>Ergebnisse überraschen</h2> <p>72 % der befragten Frauen glauben, dass es sinnvoll sei, eine Behandlung möglichst lange hinauszuzögern. Tatsache ist aber, dass es mehr Sinn macht, rechtzeitig zu beginnen, um Alterserscheinungen gar nicht erst entstehen zu lassen. Bezüglich der Wirkweise denken 66 % der Befragten, Botulinum sei ein Nervengift, das die Mimik komplett lahmlege. Fakt ist, dass Botulinumtoxin zu einer reversiblen Blockade der Ausschüttung von Acetylcholin an der Synapse führt. Auch die Langzeitwirkungen halten 70 % nicht für ausreichend erforscht, nicht wissend, dass Botulinumtoxin in der Neurologie und Neuroorthopädie in weitaus höherer Dosierung seit über 40 Jahren zur Behandlung von Torticollis und Spitzfuß sicher eingesetzt wird.</p> <h2>Die Resultate im Detail</h2> <p>Heutzutage fühlen sich 70 % der Frauen jünger, als sie sind, 65 % ist das äußere Erscheinungsbild wichtig, doch nur 44 % fühlen sich attraktiv. Mehr als die Hälfte der Frauen (56 % ) definieren Attraktivität über die straffe bzw. faltenfreie Haut. Während sich aktuell lediglich eine Minderheit der Frauen Schönheitsbehandlungen mit HA-Fillern und Botox unterzieht (nur 4 % ), kommen diese für etwa jede 6. Frau künftig in Betracht. Dr. Alexandra Ogilvie, Fachärztin für Dermatologie und Allergologie in München, sieht darin ein riesiges Potenzial in der Zukunft. „Viel zu wenige Patienten verwenden Tagescremen mit UV-Filtern, was ein Armutszeugnis für die Aufklärung über dermatologische Prävention ist“, so die Hautärztin kritisch. Wirklich interessant sind die großen Vorbehalte gegenüber Botox, während die Vorbehalte gegenüber Fillern doch deutlich geringer ausfallen. Frauen nehmen die Behandlung mit Fillern als weniger risikoreich wahr und stufen Filler eher als harmlos ein. Ältere Frauen (50+) stehen Botox grundsätzlich ablehnender gegenüber als jüngere. Jüngere Frauen hingegen (jünger als 50 Jahre) sind oftmals noch unentschlossen, ob eine Behandlung für sie infrage kommt, so Ogilvie weiter. Die Vorbehalte verblassen jedoch, wenn Botox bereits verwendet wurde. So ist die Bereitschaft, sich einer erneuten Behandlung zu unterziehen, mit 67 % nach Erstversuch mit Botox und 80 % nach Fillern sehr groß. Obwohl die Anzahl von potenziellen Nebenwirkungen bei Fillern de facto deutlich höher ist, existieren gegenüber Botulinumtoxin mehr Bedenken und Unsicherheiten: Ein Aspekt ist die Angst vor starrer Gesichtsmimik (58 % bei Botox/29 % bei Fillern) und Nebenwirkungen (48 % respektive 38 % ). Sogar die Sorge, süchtig zu werden, steht im Raum. Immerhin fürchten 10 % der Befragten, auf Botox eine Sucht zu entwickeln, und ebenso 10 % haben Angst, auf Filler eine Abhängigkeit zu entwickeln. Ogilvie entschlossen: „Wir müssen unbedingt mehr Öffentlichkeitsarbeit leisten.“<br />Einflussfaktoren im Zusammenhang mit der Entscheidung, sich behandeln zu lassen, sind die Erfahrung des Arztes, die Intensität der Falten im Alter, das Vertrauen in den Arzt sowie die finanzielle Möglichkeit, sich eine Behandlung leisten zu können. Wobei Ogilvie kritisch einräumte, dass bei jungen Frauen (jünger als 20 Jahre) die Kompetenz des Anwenders kein Thema zu sein scheint. Denn im Internet boomen Foren und Videos in Form von YouTube-Tutorials, wo Mädchen unter Anleitung lernen, sich selbst die Lippen zu unterspritzen. Dass hier nicht das hochwertigste Material zum Verkauf angeboten werde, sei logisch und vor allem auch gefährlich.</p> <h2>DGBT-Konsensus mit Algorithmus zum Umgang mit Nebenwirkungen bei HA-Fillern</h2> <p>Die Arbeitsgruppe um Erstautor Dr. Wolfgang Philipp-Dormston, Köln, hatte 2017 im JEADV Konsensus-Empfehlungen publiziert und die neuesten Erkenntnisse in das aktuelle Ausbildungskompendium der DGBT integriert.<sup>2</sup> Unerwünschte Wirkungen sind bei HA-Injektionen in der Ästhetik meistens tendenziell harmlos und reversibel, berichtete Philipp-Dormston. Am häufigsten sind vorübergehende injektionsbedingte Rötungen, Hämatome und Schwellungen. Sie sind selbstlimitierend und bedürfen keiner Therapie. Wichtig sei es aber, die seltenen und potenziell gefährlichen „adverse events“ rechtzeitig zu erkennen und so rasch und effektiv wie möglich zu behandeln. <br />Im Behandlungsalgorithmus der DGBT werden mögliche Nebenwirkungen und Ursachen beschrieben sowie die adäquaten Behandlungsoptionen aufgezeigt. Jeder Anwender von HA-Fillern muss in ausreichendem Maß Hyaluronidase lagernd haben. Extrem selten, aber bedrohlich sind Erblindungen, die nicht nur im asiatischen Raum, sondern jüngst auch in einem holländischen Paper beschrieben wurden.<sup>3</sup> Retrobulbäre Injektionen von Hyaluronidase sind in der Literatur beschrieben. Gefäßverschlüsse (cave Embolisation), bedingt durch intravasale Injektionen, oder Kompression von Gefäßen und das Verschleppen von Material nach intravasaler Injektion in intrakranielle Gefäße bzw. anaphylaktische Reaktionen sind Komplikationen, die – wenn überhaupt – nur ein im Nebenwirkungsmanagement geschulter Arzt beherrschen kann. Auch das prolongierte Auftreten von Nebenwirkungen und Spätkomplikationen wie Knoten- und Granulombildung kann nur der erfahrene Arzt managen. Ein Blanching oder auch ungewöhnliche Schmerzen während der Injektion deuten auf einen akuten Gefäßverschluss hin und sind sofort mit Hyaluronidase und Wärme sowie Antikoagulation zu therapieren. Weitere schwere Nebenwirkungen, die einige Tage bis zu mehreren Monaten post injectionem auftreten können, sind Infektionen. Die Bildung von Biofilm, den es durch steriles Arbeiten zu vermeiden gilt, zählt zu den weiteren Komplikationen. Eine Antibiose sollte dann ausreichend lange und konsequent eingeleitet werden. Zahnärztliche Behandlungen sollten 2 Wochen vor und nach einer Behandlung mit HA-Fillern vermieden werden. Schrotschussbehandlungen mit Kortison intraläsional oder systemisch sind nach Ansicht des Experten jedenfalls zu vermeiden. Immunsuppressive Maßnahmen (Steroide, 5-FU intraläsional etc.) sind nur als Ultima Ratio bei dauerhaften Schwellungen und erst nach erfolglosem Behandlungsversuch mit Hyaluronidase angezeigt.<br />Das Wichtigste ist die Prävention von Nebenwirkungen. Essenziell hierzu sind eine profunde Ausbildung mit ausreichenden Kenntnissen der Gesichtsanatomie (Kurse zu Anatomie und Technik!), die Wahl des richtigen Präparates, ein steriles Arbeiten und die vorsichtige, umsichtige Injektionstechnik, so Philipp-Dormston zusammenfassend.</p> <h2>Natürlicher als von Natur aus</h2> <p>Dass sich die wahrgenommene Natürlichkeit des Gesichtsausdruckes nach Hyaluronfillerinjektion sogar verbessern kann, belegte Philipp-Dormston mit einer rezent erschienenen Publikation.<sup>4</sup> Die Studie ist die erste, welche wissenschaftlich anhand von standardisierten Videoaufnahmen und Fotodokumentation die Erhaltung der Natürlichkeit des Gesichtes nach HA-Injektion der Nasolabialfalte und der mimischen Falten in der unteren Gesichtshälfte gezeigt hat. Auch hier ist die Ausbildung des injizierenden Arztes zur richtigen Indikationsstellung und Injektionstechnik entscheidend. Hohe Arzt- und Patientenzufriedenheit sowie natürliche Ergebnisse überzeugen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 8. Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische Botulinumtoxin-Therapie e. V. (DGBT), 23.–24. Februar 2018
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Umfrage des GfK-Instituts zum Thema „Schönheit im Alter“, 2017 <strong>2</strong> Philipp-Dormston WG et al.: Consensus statement on prevention and management of adverse events following rejuveation procedures with hyaluronic acid-based fillers. JEADV 2017; 31: 1088-96 <strong>3</strong> Schelke LW et al.: Cas uïstiek. Eenzijdige blindheid na een neuscorrectie met filler. NED TIJDSCHR GENEESKD. 2017; 161: D1246 <strong>4</strong> Philipp-Dormston WG et al: Evaluating perceived naturalness of facial expression after fillers tot he nasolabial folds and lower face with standardized video and photography. Dermatol Surg 2017; 0: 1-7</p>
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