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Eine große Familie mit unglaublichem Zugehörigkeitsgefühl

<p class="article-intro">Seit Jänner 2019 bekleidet Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger, Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie an der Rudolfstiftung in Wien, nun das Amt des Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV). Wir nutzten die Gelegenheit für eine kleine Zwischenbilanz.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><em><strong>Herr Prof. Rappersberger, Sie sind nun seit J&auml;nner Pr&auml;sident der &Ouml;GDV, k&ouml;nnen also bereits auf ein Viertel Ihrer Amtsperiode zur&uuml;ckblicken. Was sind Ihre ersten Eindr&uuml;cke und konnten Sie schon das eine oder andere Ihrer Anliegen umsetzen?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger:</strong> </em>Ich glaube, ich habe den Zeitaufwand etwas untersch&auml;tzt. Es ist ein unglaublich vielf&auml;ltiges Spektrum an Fragen, das an mich herangetragen wird. Nat&uuml;rlich stehen im Zentrum jene Aufgaben, welche die Mitglieder unserer Gesellschaft unmittelbar betreffen. Dazu ist es oft n&ouml;tig, mit anderen Fachgesellschaften, mit den &Auml;rztekammern und dem Gesundheitsministerium zu sprechen, das ist f&uuml;r mich fast v&ouml;llig neu. Zuletzt gab es in Wien eine von der Wiener &Auml;rztekammer ausgel&ouml;ste Initiative dar&uuml;ber, welche Patienten aus den Spitalsambulanzen in den niedergelassenen Bereich ausgegliedert werden k&ouml;nnten. Dar&uuml;ber wurde heftig, doch zum Gl&uuml;ck auch sehr konstruktiv diskutiert. Gemeinsam haben wir nun Projekte geplant und mehr oder weniger ausformuliert, die eine bessere Honorierung der chirurgischen Eingriffe vorsehen, damit mehr Patienten im niedergelassenen Bereich operiert und die Krankenhaus-Ambulanzen etwas entlastet werden. Viele Eingriffe w&uuml;rden die Kollegen gerne durchf&uuml;hren, wenn sie nur entsprechend honoriert w&uuml;rden.<br /> Ein zweites Problem, das ich zurzeit mit den Versicherungen bespreche, ist die Honorierung der &auml;rztlichen T&auml;tigkeiten der Dermatologen mit dem Zusatzfach Angiologie. Ich muss gestehen, dass ich bis vor eineinhalb Monaten nicht wusste, dass qualitative Leistungen, wie z. B. der farbcodierte Ultraschall bei Verdacht auf tiefe Beinvenenthrombosen, nicht honoriert werden &ndash; zumindest nicht von der Gebietskrankenkasse. Das ist absurd, wenn man bedenkt, dass internistische Angiologen, mit gleicher Ausbildung und gleichen Ger&auml;ten, diese Leistungen verrechnen d&uuml;rfen. Das Gleiche gilt f&uuml;r pr&auml;operative Venenuntersuchungen, welche praktisch nur im Spital durchgef&uuml;hrt werden und eine Menge personeller Ressourcen binden. Diese k&ouml;nnten ebenfalls im niedergelassenen Bereich erledigt werden.</p> <p><em><strong>Welche Bedeutung hat das Fachgebiet der Dermatologie und Venerologie f&uuml;r die Gesundheitsversorgung der Bev&ouml;lkerung?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger</strong></em>: Ich glaube, dass der Dermatologie in &Ouml;sterreich eine ganz herausragende medizinische Bedeutung zukommt. Nicht umsonst ist sie als eigenes Fach seinerzeit in unserem Land entstanden. Wir decken unglaublich viele Krankheitsbilder ab. Da w&auml;ren zum einen alle klassischen Dermatosen, Akne vulgaris, Erysipel, Neurodermitis, Psoriasis etc., die vielen gut- und b&ouml;sartigen Hauttumoren, die gro&szlig;e Zahl verschiedener &bdquo;orphan diseases&ldquo; und die vielen (auto)immunologischen und (auto)inflammatorischen Krankheiten und internistische Krankheiten, die mit kutanen Manifestationen oder mit Schleimhautver&auml;nderungen einhergehen, da diese oft die ersten oder auff&auml;lligsten Symptome darstellen. Sehr oft werden sie im niedergelassenen Bereich diagnostiziert und in den Spitalsambulanzen weiter behandelt.<br /> Besonders wichtig ist die dermatologische Onkologie. Der &bdquo;wei&szlig;e Hautkrebs&ldquo; ist der mit Abstand h&auml;ufigste Hauttumor, und dieser muss behandelt werden, je fr&uuml;her, desto besser. Das machen zu 99 % unsere niedergelassenen Dermatologen.<br /> In diesem Zusammenhang muss man auch sagen, dass wir heute etwas erleben, woran noch vor ein paar Jahren nicht zu denken war: In meinen 18 Jahren an der Klinik hatte ich zwei F&auml;lle eines metastasierenden Plattenepithelkarzinoms der Haut gesehen, eines davon bei einem ehemaligen R&ouml;ntgenassistenten, der keine Bleihandschuhe anziehen wollte. Heute sehen wir vier bis f&uuml;nf F&auml;lle pro Jahr an meiner Abteilung. Zum Gl&uuml;ck steht f&uuml;r diese Patienten ein sehr wirkvoller Checkpoint- Inhibitor zur Verf&uuml;gung, denn die fr&uuml;her eingesetzten Therapien, Bestrahlung und zytostatische Chemotherapie, waren ziemlich wirkungslos.</p> <p><em><strong>Wie zufrieden sind Sie mit dem Bewusstsein um die Hautkrebspr&auml;vention der &Ouml;sterreicher?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger:</strong></em> Obwohl unsere Kampagne &bdquo;Sonne ohne Reue&ldquo; nun schon fast drei Jahrzehnte l&auml;uft, haben wir in &Ouml;sterreich j&auml;hrlich 7000 Melanomf&auml;lle. Davon werden 80 % im Stadium 1, also unter 1mm Tumordicke diagnostiziert, und dies geschieht zu 90 % durch unsere Kollegen im niedergelassenen Bereich! Diese leisten also wirklich eine ganz ausgezeichnete diagnostische Arbeit. Meines Erachtens sind 7000 Melanome pro Jahr aber doch etwas zu viel f&uuml;r unser kleines Land! Ich w&uuml;rde mir w&uuml;nschen, dass die Sensibilit&auml;t der Menschen, das Melanom, also den &bdquo;schwarzen Hautkrebs&ldquo; betreffend, noch ein bisschen gr&ouml;&szlig;er werden w&uuml;rde. Ich wundere mich t&auml;glich &uuml;ber die Aufgeregtheit der Patienten &uuml;ber den &bdquo;wei&szlig;en Hautkrebs&ldquo;, diese Diskrepanz im Verst&auml;ndnis &uuml;ber diese beiden Tumorentit&auml;ten kann ich nur schwer nachvollziehen. Sicher scheint mir, dass die &Auml;nderung der histologischen Diagnose &bdquo;aktinische Keratose&ldquo; zu &bdquo;Carcinoma in situ&ldquo; zu dieser dramatischen &Auml;nderung der Wahrnehmung der Patienten beigetragen hat: Das Wort &bdquo;Karzinom&ldquo; in einer histologischen Diagnose, so banal dies in diesem Zusammenhang ist, erfordert bei vielen Patienten einen wesentlich gr&ouml;&szlig;eren &auml;rztlichen Aufwand, und wenn das nur ausf&uuml;hrliche, aber zeitaufwendige Erkl&auml;rungen sind. Dennoch kann die Wichtigkeit der Vorsorgeuntersuchung gar nicht genug hervorgehoben werden. Einmal im Jahr zur Hautkrebsvorsorge-Untersuchung zu gehen, ist gerade f&uuml;r die rechtzeitige Erkennung von Melanomen ganz wichtig, denn nur so k&ouml;nnen viele Tumoren im Stadium 1 diagnostiziert und mit gro&szlig;er Wahrscheinlichkeit ohne weitere Folgen dermatochirurgisch geheilt werden.</p> <p><em><strong>&Ouml;sterreichs Dermatologen sind international sehr anerkannt. Worin liegen unsere St&auml;rken, wo k&ouml;nnen wir vielleicht noch etwas von unseren Nachbarn lernen?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger:</strong></em> Ich komme gerade von der Emeritierungsfeier von Prof. Luger aus M&uuml;nster. Es war unglaublich sch&ouml;n, dort vor einer gro&szlig;en Gruppe &ouml;sterreichischer und deutscher Dermatologen sprechen zu d&uuml;rfen, vor allem aber zu h&ouml;ren und zu sehen, wie gro&szlig; unsere fachlichen Qualit&auml;ten in &Ouml;sterreich und Deutschland sind. In vielen anderen L&auml;ndern wie etwa den USA ist unser Fachgebiet vieler dieser Qualit&auml;ten verlustig geworden. Nat&uuml;rlich erzielen gerade amerikanische Forscher unglaubliche wissenschaftliche Spitzenleistungen und entwickeln ganz tolle neue Therapien, allerdings haben wir Dermatologen uns, v. a. im deutschsprachigen Raum, ein viel breiteres klinisches Spektrum erhalten. Ich denke, dass wir, mit unserem gro&szlig;en klinischen Spektrum in &Ouml;sterreich, von den anderen Fachrichtungen sehr gut akzeptiert werden. Ich glaube schon, dass in H&auml;usern mit einer gut anerkannten Abteilung f&uuml;r Dermatologie fachfremde &Auml;rzte die &bdquo;Hautver&auml;nderungen&ldquo; bei ihren Patienten ganz anders wahrnehmen als in jenen H&auml;usern, wo es keine Dermatologie gibt. Zwei klassische Beispiele w&auml;ren: Patienten mit &bdquo;akutem Abdomen&ldquo; im Rahmen einer Sch&ouml;nlein-Henoch-Vaskulitis, wo Dermatologen, rechtzeitig beigezogen, den Patienten vor so manchem chirurgischen Ungemach bewahren k&ouml;nnen; oder falsch interpretierte &bdquo;Abszesse&ldquo;, die von fachfremden &Auml;rzten indiziert werden, weil sie nicht an ein Pyoderma gangraenosum denken.</p> <p><em><strong>Wie beurteilen Sie die Ausbildung der k&uuml;nftigen Fach&auml;rzte f&uuml;r Dermatologie und Venerologie? Werden sie den hohen Standard halten k&ouml;nnen?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger:</strong></em> Ich glaube, dass die Ausbildung zum Facharzt f&uuml;r Dermatologie und Venerologie und vielleicht bald auch zum Facharzt f&uuml;r Dermatologie, Venerologie und Allergologie wirklich gut ist. Sie ist in Module eingeteilt. Diese Module sind so streng, dass manche Abteilungen gar nicht alle erf&uuml;llen k&ouml;nnen. Darum muss in einer sehr guten Zusammenarbeit der Abteilungen untereinander der Austausch der Auszubildenden organisiert werden. Das ist sicher m&ouml;glich, da wir Dermatologen sehr eng vernetzt sind und uns gut verstehen. Bei der Ausbildung zum Facharzt f&uuml;r Allgemeinmedizin ist besonders schlimm, dass die Dermatologie nicht mehr Pflichtfach ist, sondern freiwillig gemacht werden kann. Da bekannt ist, dass praktische &Auml;rzte, also die zuk&uuml;nftigen Fach&auml;rzte f&uuml;r Allgemeinmedizin, v. a. auf dem Land bis zu 30 % Patienten mit Hautkrankheiten sehen, werden schon jetzt von den &Auml;rztekammern umfangreiche dermatologische Fortbildungsprogramme f&uuml;r diese &Auml;rzte entwickelt. Ich finde, man h&auml;tte &bdquo;das Kind nicht mit dem Bad aussch&uuml;tten&ldquo; m&uuml;ssen, sondern die dermatologische Ausbildung f&uuml;r unsere Kollegen in der Ausbildung zum Facharzt f&uuml;r Allgemeinmedizin auf bessere Beine stellen sollen. Diese Problematik m&ouml;chte ich in meiner Pr&auml;sidentschaft den Verantwortlichen klarer darstellen und vielleicht bessere Ausbildungsm&ouml;glichkeiten entwickeln. Hier ist die Politik gefordert, wir k&ouml;nnen nur auf die Situation hinweisen.</p> <p><em><strong>Die Dermatologie und Venerologie ist das Fach mit der gr&ouml;&szlig;ten Gruppe von &bdquo;orphan diseases&ldquo;. In den n&auml;chsten Jahren werden hoffentlich f&uuml;r einige dieser Krankheiten Therapien zur Verf&uuml;gung stehen. Werden wir uns diese aber auch leisten k&ouml;nnen?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger:</strong></em> Es gibt zum Gl&uuml;ck bereits einige Abteilungen, die eine Zertifizierung erworben haben, z. B. Innsbruck oder Salzburg. Wir selbst haben noch nicht daran gearbeitet. Ich glaube, wir drei Leiter der noch verbliebenen bettenf&uuml;hrenden Institutionen in Wien sollten uns zusammensetzen und auch hier ein Zentrum f&uuml;r seltene Erkrankungen schaffen. Das sind wir unseren Patienten und auch der dermatologischen Community schuldig, dass nicht nur im Westen, sondern auch bei uns im Osten ein derartiges Angebot zur Verf&uuml;gung steht. Was die Kosten betrifft &ndash; was k&ouml;nnen wir &Auml;rzte da tun? Wir haben prim&auml;r die Aufgabe zu helfen und dabei nicht zu sch&auml;digen (primum nihil nocere). &Uuml;ber die Kosten der &bdquo;Orphan diseases&ldquo;-Therapien m&uuml;sste eigentlich gar nicht mehr gesprochen werden, denn f&uuml;r die Entwicklung verschiedener Biologika zur Behandlung entz&uuml;ndlicher Krankheiten und der Checkpoint- und Kinase-Inhibitoren zur Tumorbehandlung sind ja ebenfalls schon unglaubliche Summen aufgewendet worden. Dabei muss bedacht werden, dass viele dieser Therapien in unseren Nachbarl&auml;ndern gar nicht oder nur in Studien angeboten werden. Wir &Auml;rzte k&ouml;nnen mit den Konzernen nicht verhandeln: Es ist die Aufgabe der Politik, vern&uuml;nftige Preise auf europ&auml;ischer Ebene zu garantieren.</p> <p><em><strong>Was begeistert Sie pers&ouml;nlich am meisten an Ihrem Fach?</strong></em><br /><em><strong> K. Rappersberger</strong></em>: Eigentlich wollte ich ja einmal P&auml;diater werden. Doch in der ersten Vorlesung bei Professor Wolff, im Herbst 1981, &bdquo;war es um mich als P&auml;diater geschehen&ldquo; &ndash; er hat mich damals mit seiner Dermatologie in den Bann gezogen. Diese Dermatologie, die Wolff-Schule, ist unvergleichbar mit anderen F&auml;chern. Sie ist das breiteste medizinische Fach. Wir haben, abgesehen von der klassischen Dermatologie im Hebra&rsquo;schen Sinne, mit den verschiedenen exanthematischen Erkrankungen und den in der Haut lokalisierten Tumoren, ein vielf&auml;ltiges Spektrum an infekti&ouml;sen, onkologischen, immunologischen, degenerativen, vaskul&auml;ren und genetischen Erkrankungen. Wir sind konservativ und chirurgisch-invasiv, verstehen etwas von Photobiologie und Lasermedizin. Welches andere Fach bietet diese Breite und auch Tiefe? Durch die Entwicklung der oben erw&auml;hnten neuen Therapien mit Biologika und &bdquo;small molecules&ldquo; erlebten wir in den letzten zehn bis zwanzig Jahren eine medizinische Revolution unseres Faches; als Nebeneffekt v&ouml;llig neue Krankheiten infolge der Nebenwirkungen der neuen Medikamente. Diese Zeit ist f&uuml;r uns unbeschreiblich aufregend. Einen &bdquo;Arzt mit Leib und Seele&ldquo; motivieren diese Entwicklungen ungemein und machen auch viel Freude. Was mich in meiner T&auml;tigkeit als Pr&auml;sident der &Ouml;GDV sehr gl&uuml;cklich macht, ist, wenn ich diese gro&szlig;e Zusammengeh&ouml;rigkeit der Dermatologen untereinander und die unglaublich gute Zusammenarbeit zwischen niedergelassenem Bereich und Spit&auml;lern sehe. Diesbez&uuml;glich ist die Dermatologie viel besser aufgestellt als viele andere F&auml;cher. Wir sind wirklich eine ganz tolle Community, eine gro&szlig;e Familie mit sehr viel Empathie und Sympathie unter- und f&uuml;reinander. Es w&uuml;rde mich freuen, wenn ich dazu einen positiven Beitrag leisten kann.</p> <p><em><strong>Vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</strong></em></p></p>
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