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Die Radiotherapie beim Merkelzellkarzinom

<p class="article-intro">Das therapeutische Management von Merkelzellkarzinomen stellt für Kliniker verschiedener Disziplinen eine Herausforderung dar. Nach der Exzision des Primärtumors stellt sich die Frage nach der adjuvanten Therapie, die zur Verbesserung der Prognose führen soll. Hierbei muss ein potenzieller Nutzen gegen mögliche Nebenwirkungen einer Behandlung abgewogen werden. </p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die Radiotherapie ist ein fester Bestandteil der lokoregion&auml;ren Therapie von Merkelzellkarzinomen.</li> <li>Eine adjuvante Strahlentherapie der Prim&auml;rtumorloge sollte bei allen resezierten Merkelzellkarzinomen erfolgen.</li> <li>Die Indikation zur adjuvanten Strahlentherapie der region&auml;ren Lymphbahnen sollte individuell gestellt werden.</li> </ul> </div> <p>Das Merkelzellkarzinom (MCC) ist ein seltener maligner Hauttumor mit neuroendokriner Differenzierung und potenziell aggressivem Krankheitsverlauf. Histologisch, aber auch klinisch zeigt der Tumor &Auml;hnlichkeiten mit dem kleinzelligen Bronchialkarzinom. Die Inzidenz liegt bei ca. 0,4/100 000 und zeigt eine ansteigende Tendenz in den letzten Jahren. Die meisten Tumoren treten bei &auml;lteren Patienten auf, bevorzugt im Kopf-Hals- sowie Extremit&auml;tenbereich. Immunsuppression sowie UV-Exposition gelten als gesicherte Risikofaktoren f&uuml;r die Entwicklung eines MCC. <br />Etwa zwei Drittel der Patienten mit einem MCC werden mit lokalisierten Tumoren im Stadium I und II diagnostiziert. Bei den &uuml;brigen Patienten liegen zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Lymphknoten- (Stadium III) und seltener Organmetastasen (Stadium IV) vor.</p> <h2>Adjuvante Radiotherapie der Prim&auml;rtumorregion</h2> <p>Die adjuvante Radiotherapie der Prim&auml;rtumorregion nach vollst&auml;ndiger Exzision eines MCC senkt die Lokalrezidivrate und kann damit auch die Heilungschancen sowie das Gesamt&uuml;berleben verbessern. Diese Aussage st&uuml;tzt sich nicht auf prospektive randomisierte Studien, sondern auf retrospektive Auswertungen grosser Patientenkollektive.<sup>1</sup> Der Benefit scheint von der Gr&ouml;sse des Tumors unabh&auml;ngig zu sein, was wiederum die These unterstreicht, dass auch Patienten mit kleinen Tumoren ( &lt;1cm) von einer adjuvanten Radiotherapie profitieren.<sup>2</sup> Seitens der Dermatologie/Chirurgie werden heutzutage bei der Entfernung eines MCC chirurgische Sicherheitss&auml;ume von mindestens 2cm gefordert, was allerdings bei Tumoren im Kopf-Hals-Bereich oft nur mit kosmetisch eingeschr&auml;nktem Resultat vereinbar w&auml;re. Umso mehr ist vor allem in diesen Regionen bei knappen Sicherheitss&auml;umen eine adjuvante Radiotherapie der Prim&auml;rtumorregion sinnvoll. <br />Die empfohlene Strahlendosis betr&auml;gt 50Gy in konventioneller Fraktionierung mit 2Gy pro Tag 5-mal pro Woche. Eine Erh&ouml;hung der Gesamtdosis auf 60Gy wird bei unvollst&auml;ndigen Tumorresektionen (R1/R2) empfohlen. <br />Die Technik der Strahlentherapie wird von der Lage und Gr&ouml;sse des Tumors sowie der Notwendigkeit einer Miterfassung der region&auml;ren Lymphbahnen bestimmt. Bei einer adjuvanten Radiotherapie lediglich der Prim&auml;rtumorregion k&ouml;nnen eine konventionelle R&ouml;ntgentherapie oder eine Strahlentherapie mit Elektronen eingesetzt werden. Im Zielvolumen wird die Prim&auml;rtumorloge mit einem Sicherheitssaum von 3cm zirkul&auml;r eingeschlossen. F&uuml;r die zuverl&auml;ssige Erfassung der direkt unmittelbaren Lymphgef&auml;sse um und unter der Prim&auml;rtumorloge sollte die Energie bei der konventionellen R&ouml;ntgentherapie bzw. Strahlentherapie mit Elektronen nicht zu knapp gew&auml;hlt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1603_Weblinks_Seite22.jpg" alt="" width="790" height="366" /></p> <h2>Adjuvante Radiotherapie der region&auml;ren Lymphabflusswege</h2> <p>Der Stellenwert der adjuvanten Radiotherapie der region&auml;ren Lymphabflusswege ist weniger gut belegt und bleibt ein kontroverses Thema bei der Behandlung des MCC. Die Tendenz zur region&auml;ren Aussaat ist bei diesem Tumor unbestritten. Die Herausforderung besteht jedoch darin, die Patienten zu identifizieren, die von einer solchen Behandlung im Sinne einer Vermeidung eines isolierten region&auml;ren Tumorrezidivs wirklich profitieren. <br />Diese Fragestellung wurde durch eine randomisierte Studie adressiert, die in den fr&uuml;hen 90er-Jahren in Frankreich initiiert wurde. Patienten ohne klinische Anzeichen f&uuml;r einen Lymphknotenbefall wurden einer adjuvanten Radiotherapie der Prim&auml;rtumorloge mit oder ohne Erfassung des region&auml;ren Lymphabflusses zugef&uuml;hrt. Die Studie musste vorzeitig aufgrund mangelnder Patientenrekrutierung beendet werden; in der Auswertung zeigte sich jedoch ein Vorteil zugunsten der region&auml;r bestrahlten Patienten mit knapp 17 % weniger Rezidiven.<sup>3</sup> Das Hauptproblem der Studie, das die &Uuml;bertragbarkeit der Schlussfolgerungen auf die heutige Praxis nur bedingt erlaubt, war die Behandlung der Patienten ohne chirurgisches Lymphknotenstaging im Zeitalter vor der Einf&uuml;hrung der Sentinellymphknotenbiopsie. Trotz dieser Einschr&auml;nkungen liefert diese Studie ausreichende Evidenz f&uuml;r eine generelle Empfehlung zur elektiven Erfassung der region&auml;ren Lymphabflusswege bei Patienten mit resezierten MCC ohne Sentinellymphknotenbiopsie. <br />Die Sentinellymphknotenbiopsie wurde ab Ende der 90er-Jahre als elegantes Mittel zur Risikokategorisierung von Patienten mit MCC und Planung der weiteren region&auml;ren Therapie eingesetzt. In prospektiven Studien zeigten Patienten mit negativem Sentinellymphknoten ohne weitere region&auml;re Therapie keine erh&ouml;hte Rate an Lymphknotenrezidiven eines MCC. Somit erwies sich das Verfahren als zuverl&auml;ssig zur Identifizierung von Patienten, bei denen auf eine region&auml;re systematische Lymphadenektomie oder elektive Radiotherapie der Lymphbahnen verzichtet werden kann. Die mit diesen Behandlungen verbundene Morbidit&auml;t (v.a. Lymph&ouml;dem) kann dadurch vermieden werden, was einen positiven Einfluss auf die Lebensqualit&auml;t der Patienten mit sich bringt. <br />Wird bei der Sentinellymphknotenbiopsie ein befallener Lymphknoten nachgewiesen, so wird aktuell meist eine Komplettierung der Lymphadenektomie empfohlen. Alternativ kann eine prim&auml;re region&auml;re Radiotherapie eingesetzt werden. Die Indikation zur adjuvanten region&auml;ren Radiotherapie nach kompletter Lymphadenektomie bei positivem Sentinellymphknotenstatus ist in der Regel gegeben, bei sehr begrenztem Befall und ausgiebiger Lymphadenektomie kann im Einzelfall davon Abstand genommen werden. <br />Die empfohlene Strahlendosis in der adjuvanten Situation betr&auml;gt 50Gy in konventioneller Fraktionierung mit 2Gy pro Tag 5-mal pro Woche. Findet keine Sentinellymphknotenbiopsie statt, so betr&auml;gt die Dosis der elektiven Radiotherapie an den klinisch unauff&auml;lligen Lymphabflusswegen ebenfalls 50Gy. Eine Erh&ouml;hung der Gesamtdosis auf 60Gy wird bei unvollst&auml;ndigen Tumorresektionen (R1/R2) sowie bei nicht resezierten klinisch befallenen Lymphknoten empfohlen. Bei der Bestrahlung von makroskopischen Tumorresten ist die Kombination der Strahlentherapie mit einer Chemotherapie zwar in prospektiven Studien formell nicht als &uuml;berlegen bewiesen, aber denkbar effektiver und sollte daher im Einzelfall evaluiert werden. <br />Die Technik der eingesetzten Strahlentherapie richtet sich nach der zu bestrahlenden Region. Eine CT-gest&uuml;tzte Bestrahlungsplanung in 3-D-konformaler oder intensit&auml;tsmodulierter (IMRT) Technik gilt als Standard. Vor allem im Kopf-Hals-Bereich wird durch den Einsatz moderner Techniken eine Senkung der Nebenwirkungen an gesunden Strukturen (oropharyngeale Schleimh&auml;ute, Speicheldr&uuml;sen) erzielt.</p> <h2>Palliative Radiotherapie</h2> <p>Aufgrund der hohen Aggressivit&auml;t des MCC treten nicht resektable Tumorrezidive sowie Fernmetastasen h&auml;ufig auf. In diesen Situationen wird vorrangig eine palliative systemische Behandlung meist in Anlehnung an etablierte Schemata zur Behandlung von kleinzelligen Bronchialkarzinomen eingesetzt. Bei einigen Patienten kann eine Radionuklidtherapie (z.B. DOTATOC) ebenfalls zu Tumorremissionen f&uuml;hren. Da es sich beim MCC um einen in der Regel strahlensensiblen Tumor handelt, kann eine lokale, perkutane Strahlentherapie zur Symptomlinderung eingesetzt werden. Zu den &uuml;blichen Indikationen geh&ouml;ren Knochen- und Hirnmetastasen sowie fortgeschrittene lokoregion&auml;re Rezidivtumoren. Eine solche Behandlung wird in der Regel hypofraktioniert mit wenigen Fraktionen innert 1&ndash;2 Wochen durchgef&uuml;hrt.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Leitender Arzt Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie Universitätsspital Basel<br> E-Mail: alexandros.papachristofilou@usb.ch<br> Quelle: Orphan-Malignancies-Seminar „Merkelzellkarzinome“, 10. September 2015, Zürich </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong>&nbsp;<a href="http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3827544" target="_blank">http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3827544</a> <br /><strong>2</strong>&nbsp;<a href="http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17369567" target="_blank">http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/17369567</a> <br /><strong>3</strong> <a href="http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21750118" target="_blank">http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21750118</a></p> </div> </p>
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