
Affenpocken: was wir wissen sollten
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Die ersten Berichte über Infektionen mit Affenpocken (MPox) gab es während der SARS-CoV-2-Pandemie. Die durch die Pandemie bereits sensibilisierte Bevölkerung befürchtete die rasante Ausbreitung einer weiteren Virusinfektion – diese blieb jedoch glücklicherweise aus. Wie MPox-Infektionen diagnostiziert und behandelt werden, erfahren Sie hier.
Keypoints
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Affenpocken sind eine Zoonose, zu der mehrere kleine Epidemien in den 1970er-Jahren in Afrika beschrieben wurden, mit generalisiert auftretenden Papeln und Vesikeln sowie Allgemeinsymptomen.
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2022 trat eine Pandemie mit diesem Virus auf, die sich vor allem in sexuellen Netzwerken von MSM verbreitete, wobei die Krankheit Eigenschaften einer Geschlechtskrankheit zeigte.
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Die Läsionen beim aktuellen Ausbruch sind weniger ausgebreitet, sie treten vor allem im Genitalbereich und periorifiziell auf und sind kaum von Allgemeinsymptomen begleitet.
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Durch Verhaltensänderungen und eine Impfkampagne für die am meisten betroffenen Bevölkerungsgruppen konnte die Ausbreitung des Virus gegen Ende 2022 weitgehend eingedämmt werden.
Ende Mai 2022 berichtete ein 43-jähriger Patient im Dermatologischen Zentrum Zürich, dass er vor 1 Woche im Ausland wegen eines Schankers am Penis bei Verdacht auf eine frische Syphilisinfektion mit einem Depot-Penicillin behandelt worden sei. In der Folge sei dieses Ulkus am Penis aber nicht abgeheilt, sondern es seien 2 weitere Stellen dazugekommen und am Vortag noch 3 weitere ulzerierende Hautveränderungen im Gesicht. In der Woche zuvor hatte er mehrere anonyme sexuelle Kontakte in einer spanischen Grossstadt gehabt. Das klinische Bild mit mehreren genoppten Papeln im Gesicht und am Penis liess dann rasch klar werden, dass es sich hier nicht um eine Syphilisinfektion handelte. Eine PCR-Untersuchung aus den läsionär entnommenen Abstrichen zeigte ein positives Resultat für das Affenpocken-Virus.
Frühere Epidemien
Bei den Affenpocken handelt es sich um eine Zoonose, welche im Rahmen sporadischer Ausbrüche in Zentral- und Westafrika seit den 1970er-Jahren bekannt ist. Ausserhalb von Afrika wurden nur einzelne seltene Fälle in den USA, Grossbritannien, Israel und Singapur beschrieben, welche in der Regel auf Kontakt mit infizierten Labortieren zurückgeführt werden konnten. Das Virusreservoir waren verschiedene Nagetiere wie die Gambische Beutelratte; die Affen dienten lediglich als Zwischenwirte. In engen Lebensgemeinschaften in Afrika kam es dann auch gelegentlich zu kleineren Epidemien durch zwischenmenschliche Übertragungen. Die Krankheit äusserte sich durch eine Prodromalphase mit hohen Temperaturen, Kopfschmerzen, allgemeiner Müdigkeit und Lymphadenopathie. In der eruptiven Phase zeigten sich dann Maculae und typische genoppte Papeln sowie Vesikeln und Pusteln mit zentrifugaler Ausbreitung am ganzen Körper während 2–3 Wochen. Am häufigsten waren Kinder und HIV-positive Menschen betroffen. Die Krankheit nahm gelegentlich auch einen schweren Verlauf, mit einer Mortalität von 6% (Nigeria) bis 15% (Demokratische Republik Kongo).1
Aktueller Ausbruch
Anfang Mai 2022 wurde in Grossbritannien der erste Fall des aktuellen Ausbruchs beschrieben. Der betroffene Indexpatient war zuvor nach Nigeria gereist. Gleichzeitig traten aber auch Fälle in Portugal und den USA auf, die keine sichere Verbindung untereinander hatten. Die Krankheit breitete sich dann relativ rasch in sexuellen Netzwerken in Westeuropa und den USA aus. In der Schweiz wurde der erste Fall am 21. Mai 2022 in Genf diagnostiziert, tags danach der eingangs beschriebene Fall in Zürich. Die Krankheit verbreitete sich sodann relativ rasch, bis Ende 2022 wurden weltweit über 80000 bestätigte Fälle und 74 Todesfälle in 110 Ländern festgestellt.
Klinische Charakteristika
Seit Mai 2022 wurden mehrere Fallserien mit Patienten der aktuellen MPox Epidemie publiziert.2–4 In all diesen Fallserien waren zwischen 92 und 98% der Patienten Männer, die mit Männern sexuelle Kontakte hatten (MSM). Das mittlere Alter war zwischen 37 und 45 Jahren. Die Inkubationszeit bis zum Auftreten von Läsionen betrug etwa 7 Tage. Mehr als die Hälfte hatten Läsionen im Genitalbereich, perianal und oral/perioral. Ebenfalls häufig betroffen waren Hände und Füsse sowie Extremitäten. Es zeigten sich aber generell viel weniger Läsionen als in den ursprünglichen Fallberichten zur afrikanischen Epidemie, etwa die Hälfte der Betroffenen zeigte 2–10 Läsionen. 41% der Betroffenen waren HIV-infiziert, der grösste Teil davon aber unter antiretroviraler Therapie. Ein anderer grosser Teil der Patienten nahm eine HIV Prä-Expositions-Prophylaxe ein. Über die Hälfte der Betroffenen hatte gleichzeitig eine andere sexuell übertragbare Krankheit. Die meisten hatten multiple Sexualpartnern in den letzten 3 Monaten, zwischen 3 und 16 Partner. Bei einigen Patienten wurden ausgeprägte schwere Symptome festgestellt, insbesondere erosive Veränderungen am Genitale und im Rektum. Bis zu 10% der Patienten wurden hospitalisiert, insbesondere am Anfang der Epidemie, vorwiegend wegen rektaler Schmerzsyndromen und teils grotesker Penisschwellungen. Systemische Symptome wie Fieber und Lymphadenopathie wurden bei bis zu zwei Dritteln der Patienten festgestellt. Diese traten in einigen Fällen vor dem Auftreten der Hautveränderungen auf, waren aber in der Regel nicht stark ausgeprägt. Systemische Symptome vor dem Auftreten von Hautveränderungen wurden besonders häufig bei MSM mit rezeptiven analen Kontakten und später festgestellter Proktitis festgestellt.
STI oder Zoonose?
Die aktuellen Fälle zeigen also wesentliche Unterschiede zu den früher in Afrika beschriebenen Fällen: Betroffen sind vor allem Männer, die mit Männern sexuelle Kontakte hatten (MSM), und die Ansteckungen lassen sich in fast allen Fällen auf sexuelle Kontakte zurückführen. Die Hautläsionen treten in geringerer Zahl und vorwiegend in der genitalen, analen und perianalen Gegend auf. Die Krankheit des aktuellen Ausbruchs zeigt eher Eigenschaften einer Geschlechtskrankheit und nicht mehr einer Zoonose. Sie wurde dann auch im November 2022 von der WHO von Affenpocken umbenannt zu MPox, da sie offensichtlich wenig mit Affen zu tun hat und um eine weitere Stigmatisierung zu vermeiden.
Therapie
Die Therapie von MPox ist in der Regel rein symptomatisch im Sinne der Schmerzbehandlung und der Vermeidung einer Superinfektion.2 Die Läsionen verkrusten meistens innert ca. 10 Tagen und heilen dann innert 2–3 Wochen ab, nicht selten aber unter Hinterlassung von Narben. Eine spezifische antivirale Behandlung ist möglich, Fallberichte zeigten die Wirksamkeit von Cidofovir und Tecovirimat, diese Behandlung ist aber in den seltensten Fällen notwendig.
Community response
Da die ersten Berichte über das Auftreten von MPox in Westeuropa und den USA noch während der Covid-Pandemie auftraten, waren die Reaktionen in der Öffentlichkeit angsterfüllt und heftig. Mit der Zeit zeigte sich, dass die aktuelle Epidemie fast nur in sexuellen Netzwerken von MSM auftrat. In den sozialen Medien, die sich speziell an MSM wenden, wurde das Thema dann auch rasch aufgegriffen und es wurden verschiedene Präventionskampagnen platziert, hauptsächlich mit dem Ziel der Einschränkung von multiplen sexuellen Kontakten. Zudem zeigte sich, dass die Pockenimpfung der 4. Generation einen weitgehenden Schutz auch vor MPox bietet. In den meisten europäischen Ländern wurden rasch entsprechende Impfkampagnen gestartet. In der Schweiz war der Impfstoff aus verschiedenen Gründen leider erst im November 2022 erhältlich, er kann seither «off-label» verabreicht werden. Die Pockenimpfung der 4. Generation muss in 2 Impfdosen innert 4–6 Wochen verabreicht werden. Die Fallzahlen waren dann ab Herbst 22 wieder deutlich rückläufig und seit Anfang dieses Jahres wurden nur noch ganz vereinzelte neue Fälle gemeldet. Trotzdem wird die Impfung weiterhin empfohlen für Personen mit sexuellen Risikokontakten, insbesondere MSM mit wechselnden Sexualpartnern, sowie für Personen, die aus beruflichen Gründen gegenüber Affenpocken-Viren exponiert sind, z.B. medizinisches Personal in entsprechenden Einrichtungen. Es bestehen nur wenige Kontraindikationen für die Impfung, darunter sind aber das Vorliegen von mehreren kardialen Risikofaktoren und eine atopische Dermatitis zu beachten.
Abb. 1: Genoppte Papeln und Vesikeln im Genitalbereich bei 48-jährigem Patienten mit MPox-Infektion, in Woche davor mehrere sexuelle Kontakte
Die MPox-Epidemie, die 2022 begonnen hat, scheint weitgehend vorüber zu sein. Der Grund dafür dürften die Präventionskampagnen, die rasche Impfung der Risikogruppen in europäischen Ländern und möglicherweise auch die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit des Virus zu sein. Das Auftreten von neuen Virusvarianten oder neuen Ausbrüchen kann zurzeit aber noch nicht ausgeschlossen werden. Somit scheint es angebracht, sich mit dieser Erkrankung auseinanderzusetzen und notwendige Präventions- und Schutzmassnahmen zu treffen.
Literatur:
1 Gessain et al.: Monkeypox. N Engl J Med Nov 2022; 387(19); 1783-93 2 Thornhill JP et al.: Monkeypox virus infection in humans across 16 countries. N Engl J Med 2022; 387(8): 679-91 3 Tarin-Vicente EJ et al.: Clinical presentation and virological assessment of confirmed human monkeypox virus cases in Spain: a prospective observational cohort study. Lancet 2022; 400(10353): 661-9 4 Patel A et al.: Clinical features and novel presentations of human monkeypox in a central London centre during the 2022 outbreak: descriptive case series. BMJ 2022; 378: e072410
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