
Therapie des Morbus Crohn: bewährte Konzepte und neue Strategien
Bericht:
Dr. Corina Ringsell
Redaktorin
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Welche Behandlungsziele haben Ärzt:innen, die Patient:innen mit Morbus Crohn (MC) behandeln, und haben die Betroffenen die gleichen Ziele? Lassen sich die Therapieziele erreichen, wenn ja, wie? Mit diesen Fragen befasste sich Prof. Dr. med. Hans Herfarth, University of North Carolina, Chapel Hill/USA, im Rahmen des 9.Postgraduate Course des IBDnet.
Keypoints
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Behandlungsziele von Ärzt:innen und Patient:innen sollten aufeinander abgestimmt werden.
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Das primäre Ziel bei CED ist immer noch die klinische Remission.
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Die derzeitigen Therapiestrategien können bei den meisten Patient:innen keine Schleimhautheilung erreichen.
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Bei Morbus Crohn sollte geeigneten Patient:innen eine frühe Operation angeboten werden.
In seinem Vortrag erläuterte Herfarth die Therapieziele bei chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten (CED) und die Rolle der vollständigen Heilung der Mukosa. Er verwies auf die STRIDE-Leitlinien, die kurzfristige Ziele wie symptomatisches Ansprechen, Remission und Normalisierung des C-reaktiven Proteins (CRP) definieren. Zwischenziele sind die Senkung von Calprotectin und anderen Biomarkern sowie bei Kindern das Wiederherstellen des normalen Wachstums. Langfristig werden die endoskopische Heilung, gesteigerte Lebensqualität und das Fehlen von Einschränkungen angestrebt.1
Ein Ziel: symptomatische Remission
Herfarth sagte, dass seine eigenen Ziele sich etwas von den STRIDE-Kriterien unterscheiden. Die Ziele würden jeweils individuell festgelegt. Er strebe eine kurzfristige Symptomkontrolle und -verbesserung an, die möglichst schnell – nach zwei bis drei Tagen – einsetzen sollte. Medikamente, die nach Herstellerangaben nach 20 Wochen wirken, seien nicht akzeptabel, betonte er. Zudem sollten die eigenen Ziele mit denen der Betroffenen abgeglichen werden, da diese eventuell andere Erwartungen hätten. Seine Botschaft: «Sie sollten mit Ihren Patient:innen darüber sprechen, was sie mit der Therapie erreichen möchten. Vielleicht können Sie die Ziele angleichen, denn manche Erwartungen sind für die Patient:innen möglicherweise nicht erfüllbar.»
Die Frage sei, ob die Heilung der Mukosa oder die klinische Remission das Gesamtziel sein sollte, so Herfarth. Eine aktuelle Analyse von 39 Studien zum Thema Schleimhautheilung und klinische Ergebnisse bei MC ergab, dass, obwohl die Studien sehr heterogen waren, die Art und Weise, wie die Schleimhautheilung gemessen wurde, meist unterschiedlich war und nur eine Minderheit validierte Skalen verwendete, das Endergebnis dennoch recht gleich war: Patient:innen mit Mukosaheilung hatten im Allgemeinen bessere Raten klinischer Remission, weniger Krankenhausaufenthalte und weniger Operationen.2 Ähnlich sieht es bei der Colitis ulcerosa (CU) aus: Faktoren, die eine langfristige Remission vorhersagen, sind vor allem kurzfristiges klinisches Ansprechen, gefolgt von Schleimhautheilung und p-ANCA-Negativität.3,4
Schleimhautheilung erreichen
«Die Schleimhautheilung ist das ultimative Ziel bei CED», betonte Herfarth und zeigte unter anderem die REACT-2-Studie.5 Sie verglich die Wirksamkeit von zwei Behandlungsalgorithmen zur Reduktion des Risikos für MC-bedingte Komplikationen nach zwei Jahren. Dazu wurden mehr als 1000 MC-Patient:innen, die noch keine Anti-TNFα-Therapie bekommen hatten, randomisiert und erhielten entweder Enhanced Care (EC: frühe Kombinationstherapie mit Intensivierung bis zur Abwesenheit von Geschwüren >5mm) oder Step Care (SC: Behandlungsintensivierung bis zur klinischen Remission mit einem Harvey-Bradshaw-Index [HBI] ≤4). Der primäre zusammengesetzte Endpunkt war die Zeit bis zum ersten Auftreten von MC-bezogenen Komplikationen (MC-bezogene Operationen, nichtchirurgische Ereignisse, Krankenhausaufenthalt, Komplikationen und Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit den Medikamenten oder Verfahren). In der EC-Gruppe wurde sofort mit einer Top-down-Therapie mit Adalimumab und Antimetaboliten begonnen; die Intensivierung wurde anhand von Koloskopiebefunden eingeleitet. Beim konventionellen SC-Ansatz basierte eine Therapieintensivierung auf den Symptomen.5 Insgesamt unterschieden sich die Ergebnisse der beiden Gruppen nicht. Eine Post-hoc-Analyse zeigte jedoch einen Nutzen der EC-Strategie für Patient:innen mit aktiver Krankheit zu Studienbeginn (CRP >5mg/l plus vorhandenes Geschwür).5 Patient:innen mit Schleimhautheilung hätten langfristig bessere Ergebnisse, aber dies mit der derzeitigen proaktiven Behandlungseskalation zu erreichen, sei immer noch schwierig, so Herfarth.
Auf erreichbare Ziele konzentrieren
Bei MC sei ein Ziel die frühe Operation bei geeigneten Patient:innen, sagte er. Ein anderes sei, früh eine fortgeschrittene Therapie zu beginnen und die Anti-TNFα-Therapie zu optimieren. Eine bevölkerungsbezogene Studie mit mehr als 1200 MC-Patient:innen konnte zeigen, dass eine frühe chirurgische Intervention bessere Ergebnisse erzielen kann als eine medikamentöse Therapie.6 Eine Gruppe unterzog sich einer Ileozökalresektion, die andere erhielt eine Anti-TNFα-Therapie. Insgesamt zeigte sich ein um 33% geringeres Risiko für langfristige negative Wirkungen bei der chirurgischen Intervention im Vergleich zur Anti-TNFα-Therapie (Abb. 1). Die unerwünschten Folgen waren MC-bedingte Krankenhausaufenthalte und Operationen, systemische Kortikosteroidgaben sowie perianaler MC. Rund die Hälfte der chirurgischen Interventionsgruppe benötigte nach fünf Jahren keine Behandlung.6
Abb. 1: Sofern die Patient:innen aufgrund der Krankheitsaktivität und -ausdehnung dafür geeignet sind, erzielt eine frühe iliozökale Resektion (ICR) bessere Langzeitergebnisse als die Biologikatherapie (mod. nach Agrawal M et al. 2023)6
Die 2024 veröffentlichte ERIC-Studie habe zudem die Diskussion beendet, dass eine frühzeitige Resektion mit einem höheren Risiko für eine Reresektion verbunden ist, erklärte Herfarth. Von rund 400 MC-Patient:innen, die sich innerhalb von fünf Jahren nach der Diagnose einer Ileumresektion unterzogen, wurden 130 weniger als sechs Monate nach der Diagnose, 128 zwischen sechs Monaten und zwei Jahren und 135 zwei bis fünf Jahre nach der Diagnose reseziert. Das kumulative Risiko für eine zweite Operation nach zehn Jahren unterschied sich in der Gruppe mit früher Resektion (25%) nicht signifikant von der Gruppe mit intermediärer (16,8%; p=0,17) oder später Resektion (22,7%; p=0,83). In der Gruppe mit der frühen Resektion waren zudem weniger postoperative Behandlungen erforderlich als in der Gruppe mit der späten Resektion.7 Herfarth riet dazu, Patient:innen, die mit Biologika beginnen und bei denen ein kurzes Ileumsegment betroffen ist oder eine ileozökale Erkrankung mit kurzer Ausdehnung vorliegt, über die Option einer Operation als Ersttherapie aufzuklären.
Schliesslich ging der Referent noch auf steroidfreies Ansprechen/steroidfreie Remission und von Patient:innen berichteten Stuhldrang/Durchfall ein: Die prospektive, multizentrische Real-World-Studie TOUR schloss 103 Patient:innen mit refraktärer CU ein.8 Davon hatten 95% auf ein Biologikum (Anti-TNFα) und rund 70% auf zwei Biologika nicht angesprochen. Alle erhielten eine Induktion mit dem JAK-Inhibitor Tofacitinib. In Woche 8 begann die Erhaltungsphase mit Tofacitinib. Primärer Endpunkt der Erhaltungsphase war der Anteil der Patient:innen mit einem Ansprechen, definiert als <5 SCCAI-Punkte (Simple Clinical Colitis Activity Index) in Woche 52. Sekundärer Endpunkt war die klinische Remission in Woche 52, definiert als ein SCCAI-Score ≤2. In Woche 52 erhielten noch immer 44% Tofacitinib, davon bekamen 85% 10mg zweimal täglich. Damit konnten eine Gesamtansprechrate von 98% und eine Remissionsrate von 71% erzielt werden. Rund 15% dieser Patient:innen benötigten aber zusätzlich noch Steroide.8 Ein weiterer Endpunkt der Studie, das Nachlassen von Stuhldrang und Durchfall in Woche 52, wurde nur bei 48% der Teilnehmenden erreicht. Mehr als 50% litten noch immer an leichtem bis erheblichem Drang, selbst wenn sie in Remission waren.8 Dieses Therapieziel sei immer vernachlässigt worden, obwohl es für die Betroffen an vorderer Stelle ihrer Wünsche stehe, sagte Herfarth. Daher sollte man bessere Wege finden, dies zu behandeln, betonte er.
Quelle:
IBDnet 9th Postgraduate Course, 5. bis 7. Dezember 2024, Ermatingen
Literatur:
1 Turner D et al.: STRIDE-II: An update on the Selecting Therapeutic Targets in Inflammatory Bowel Disease (STRIDE) Initiative of the International Organization for the Study of IBD (IOIBD): Determining therapeutic goals for treat-to-target strategies in IBD. Gastroenterology 2021; 160: 1570-83 2 Sands BE et al.: Mucosal and transmural healing and long-term outcomes in Crohn’s disease. Inflamm Bowel Dis 2025; 31: 857-77 3 Bessissow T et al.: Impact of endoscopic and histologic activity on disease relapse in ulcerative colitis. Am J Gastroenterol 2022; 117: 1632-8 4 Arias MT et al.: A panel to predict long-term outcome of infliximab therapy for patients with ulcerative colitis. Clin Gastroenterol Hepatol 2015; 13: 531-8 5 Jairath V et al.: A cluster-randomised controlled trial of an enhanced treatment algorithm for the management of Crohn’s disease: REACT-2. United European Gastroenterol J 2022; 10 (Suppl 8): 89 6 Agrawal M et al.: Early ileocecal resection for Crohn’s disease is associated with improved long-term outcomes compared with anti-tumor necrosis factor therapy: a population-based cohort study. Gastroenterology 2023; 165: 976-85.e3 7 Grellier N et al.: Early ileal resection in Crohn’s disease is not associated with severe long-term outcomes: The ERIC study. Aliment Pharmacol Ther 2024; 60: 1388-97 8 Herfarth HH et al.: Clinical long-term outcomes of patient-reported outcomes in the prospective real-world tofacitinib response in ulcerative colitis registry. Clin Transl Gastroenterol 2024; 15: e00669
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