
Urolithiasis – wie bekommt man die Reste am besten heraus?
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Stephan Seklehner, FEBU
Vorsitzender des AK Endourologie und Steinerkrankungen der ÖGU
Abteilung für Urologie Landesklinikum Baden
E-Mail: stephan.seklehner@baden.lknoe.at
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Beim EAU 2025 in Madrid nahm die Urolithiasis einen prominenten Platz ein. Das „hot topic“ beim Steinthema war die Möglichkeit der aktiven Absaugung im Zuge einer flexiblen Ureterrenoskopie (URS). Diesem Thema wird im vorliegenden Artikel das Hauptaugenmerk geschenkt, da es von operativer Priorität ist.
Keypoints
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Die Verwendung von FANS zum Absaugen bei flexibler URS ist nicht nur effektiv, sondern auch sicher.
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Mittels CVAC.2.0. Ureteroskopen können schnell und effektiv Konkrementfragmente abgesaugt werden.
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Die prophylaktische Antibiotikagabe im Zuge der ESWL ist meist nicht nötig. Risikogruppen gehören aber geschützt.
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Symptomatische Hydronephrosen in der Schwangerschaft: simple Desobtruktion-OP gegenüber primärer URS zu präferieren.
Wie bekommt man die ganzen Fragmente – vom Sand bis zum Bröserl und zum kleinen Fragment, das man nicht mehr mit dem Körbchen greifen kann – nach der flexiblen URS am besten heraus? Es tut sich viel: Geräte werden immer kleiner, es gibt bei einigen URS die Möglichkeit der aktiven Absaugung durch den Arbeitskanal (DISS – „direct in scope suction“) oder man kann Absaugvorrichtungen an der Arbeitskanalmündung des Gerätes anstecken („GLITZ“). Wenn man nicht über das URS absaugt, dann kann man über Harnleiterschleusen absaugen. Die Thematik war der EAU den ersten Preis für den „best non-oncology abstract“ für eine Arbeit wert, die die Sicherheit von flexiblen und navigierbaren Harnleiterschleusen mit aktiver Absaugfunktion (FANS) demonstrierte.1
Auch bezüglich Verwendung der Laser wurden mehrere Arbeiten vorgestellt. Auf diese werde ich nicht gesondert eingehen, da diese Thematik in der vorletzten Ausgabe von ÖGU Aktuell in einem eigenen Artikel in extenso abgearbeitet wurde. Es kam jedenfalls zu keinen relevanten Neuerungen. Thuliumfaser- und gepulste Thulium:YAG-Laser haben Vorteile beim Dusting, High-Power-Holmium-Laser wiederum beim Lithotrypsieren. Neue Kombinationslaser strömen auf den Markt, sodass wir noch mehr „Qual der Wahl“ haben werden.
Ein Gang durch die Industrieausstellung zeigte, wohin die Reise in der Therapie der Urolithiasis geht: Zahlreiche (vornehmlich asiatische) Einmal-URS-Anbieter und viele Laseranbieter priesen ihre Ware an, hingegen war lediglich eine einzige ESWL-Einheit ausgestellt.
Absaugen im Zuge der flexiblen URS
FANS-Schleusen
Dass FANS effektiv sind, wurde in mehreren randomisierten kontrollierten Studien bestätigt.2,3 Ob die Anwendung dieser FANS-Schleusen aber auch entsprechend sicher sind, war bisher nicht hinreichend belegt. Hintergrund ist, dass eine FANS-Schleuse im Nierenbecken und in Kelchen platziert wird, eine reguläre Harnleiterschleuse aber oft nur im Harnleiter. Verursacht die Manipulation im Nierenhohlraumsystem einen Schaden am Urothel, eventuell gar Strikturen?
Khi Yung Fong präsentierte die Ergebnisse einer multizentrischen Arbeit (n=310), die die Sicherheit der FANS-Schleuse untersuchte.1 Relevant war, dass nicht nur nach einem Monat ein Nativ-CT durchgeführt wurde, sondern bei allen Patient:innen drei Monate nach der flexiblen URS eine zusätzliche CT-Urografie gemacht wurde, um funktionell relevante anatomische Veränderungen im Harntrakt zu detektieren. Insgesamt traten 11 Harnleiterläsionen auf (3,5%): 5 am pyeloureteralen Übergang, 3 im proximalen, eine im mittleren und zwei im distalen Harnleiter. Davon waren 91% Läsionen von Traxer-Thomas-Grad 1. Von diesen 11 Läsionen entstanden 7 direkt beim Schleusensetzen – wichtig ist zu bemerken, dass nur 71% der Patienten vorgeschient waren –, eine durch einen Anwendungsfehler des Lasers und lediglich drei waren ursächlich auf die zusätzliche Manipulation mit der flexiblen Schleuse im Nierenbecken oder in den Kelchen zurückzuführen. Die Rate an Verletzungen, die auf FANS zurückgeführt werden konnten (im Vergleich zu regulären nichtnavigierbaren Harnleitschleusen ohne Absaugung), war somit 0,96% (drei von 310 URS). Bezüglich aller Ureterläsionen entwickelte ein Patient (0,32%) eine Stenose (dieser war nicht „prestented“). Somit kann konkludiert werden, dass die Verwendung von FANS nicht nur effektiv ist (wie bereits aus der präexistenten Literatur bekannt), sondern auch sicher.
CVAC-System
Vorstellen möchte ich außerdem das CVAC-System, ein neues flexibles Ureteroskop. War bisher der Trend hin zu immer dünnlumigeren Ureteroskopen, geht nun CVAC einen anderen Weg. Es hat einen deutlich dickeren Arbeitskanal von 7 Charrière („normale“ flexible URS haben meist 3,5 Charrière). Dank des dickeren Arbeitskanals kann man aktiv einerseits wesentlich größere Fragmente und andererseits schneller absaugen als mit einem, bei uns erhältlichen, URS-Gerät mit „DISS“-Funktion.
Die Superiorität des Absaugens mitCVAC bei flexibler URS selbst zeigte sich in einer von Johnson dargestellten Studie.4 In einer experimentellen Versuchsreihe war die Aspirationszeit bezüglich Fragmenten signifikant kürzer als bei DISS eines anderen flexiblen URS-Gerätes. Extrapoliert auf einen Nierenbeckenstein von 1,5cm ergäbe sich eine Aspirationszeit bei CVAC von 1,2 Minuten, bei der „klassischen“ DISS von 35 Minuten. Aber nicht nur in der Theorie scheint dies sehr gut zu funktionieren, sondern auch in der Praxis.
Griffiths et al. präsentierten ihre ersten klinischen Erfahrungen mit CVAC.2.0.5 Bei 74 URS wurde eine durchschnittliche Steinvolumenreduktion von 94% erzielt.
Momentan ist CVAC.2.0 bei uns nicht erhältlich, sondern nur in den USA. Es ist davon auszugehen, dass es auch uns bald zur Verfügung stehen wird, und es könnte unsere Therapiemöglichkeiten positiv beeinflussen.
ESWL und Antibiotika
Bezüglich der ESWL wurde im Zuge der „Game ChangingSession“ eine Arbeit hervorgehoben, welche die prophylaktische Antibiotikagabe in einer groß angelegten, multizentrisch und multikontinental durchgeführten randomisierten Studie untersuchte.6 Probanden erhielten entweder Single-Shot-Ciproxin oder Placebo vor der ESWL. Anhand von 1722 Patienten konnten Tikkinen et al. zeigen, dass die Rate an Bakteriurie (2,7% vs. 3,9%; p=0,13) sowie symptomatischem Harnwegsinfekt (1,3% vs. 2,7%; p=0,12%) nicht signifikant differierte. Pyelonephritiden und Sepsis waren hingegen signifikant seltener in der Antibiotikagruppe (0% vs. 1,2%; p=0,003). Für diese relevante Fragestellung der Sepsis war die Studie bezüglich der Fallzahl jedoch „underpowered“, sodass dieses Resultat statistisch infrage gestellt werden muss.
Die bewusste Wahl eines Chinolons zur Prophylaxe ist ein weiterer Aspekt der Diskussion. Es sei auf die Resistenzraten v.a. im asiatischen Raum und auf den „Rote-Hand-Brief“ in unseren Breiten verwiesen. Relevante Nebenwirkungen wie Achillessehnenrupturen wurden laut Studiengruppe jedenfalls nicht bemerkt. In Zeiten globaler Resistenzentwicklungen ist die Arbeit wohl dahingehend zu interpretieren, dass man nicht unkritisch jeden prophylaktisch abschirmen muss (trotz der Ergebnisse der Arbeit bezüglich Pyelonephritis/Sepsis), aber gezielt jene Gruppen geschützt werden müssen, die ein erhöhtes Infektrisiko im Zuge einer ESWL haben (Infektsteine, Vorliegen endogener Risikofaktoren wie z.B. Diabetes mellitus).
Symptomatische Hydronephrose in der Gravidität – URS vs. lediglich DJ?
Eine Frage, welche mich seit Jahren im klinischen Alltag beschäftigt, ist, wie man bei Schwangeren mit einer symptomatischen Hydronephrose verfahren soll. Nur eine Harnleiterschiene setzen oder doch bei klinischem Verdacht auf Ureterolithiasis eine primäre URS wagen? Eine adäquate präoperative Steinbildgebung mittels Nativ-CT ist in der Gravidität wegen der Strahlenbelastung nicht empfohlen. Es verbleiben also Ultraschall, die Klinik sowie die Anamnese. Dieses therapeutische Dilemma adressierte eine Arbeit von Juliebo-Jones et al.7
Wie ist das Outcome, wenn man also eine URS wagte? Multizentrisch und retrospektiv wurden 146 Patientinnen evaluiert. In lediglich 30% war präoperativ ein Stein bekannt. Die Rate an negativer URS (kein Stein gefunden) war 48%. Sofern ein Stein gefunden wurde, waren die Steinfreiheitsraten 65%. Clavien-Dindo-Komplikationen Grad III und IV traten in 4,1% bzw. 1,4% auf. Anders ausgedrückt: 2 von 146 Graviden hatten wegen der URS eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation. Es verstarb zwar keine Frau, aber es kam zu einem Abort.
Diese Zahlen sind für mich völlig inakzeptabel, der Schutz der werdenden Mutter und des Ungeborenen ist von höchster Priorität. Die Strategie der lediglichen Desobtruktion mittels Schiene und der zweizeitigen adäquaten Bildgebung mittels Nativ-CT nach der Geburt und gegebenenfalls zweizeitigen URS ist dann eben meiner Meinung nach absolut zu präferieren.
Literatur:
1 Fong KY et al.: Assessment of outcomes and anatomical changes in the upper urinary tract following flexible ureteroscopy with a flexible and navigable ureteral access sheath (FANS): results from a multicenter study. Urology 2025; S0090-4295(25)00040-8 2 Zhu W et al.: Tip bendable suction ureteral access sheath versus traditional sheath in retrograde intrarenal stone surgery: an international multicentre, randomized, parallel group, superiority study. EClinicalMedicine 2024; 74: 102724 3 Cacciatore L et al.: Is flexible navigable suction ureteral access sheath (FANS) safer and more efficient than conventional sheaths? Italian multicentric experience. World J Urol 2025; 43(1): 153 4 Johnson B et al.: CVAC system superior to direct-in-scope section across range of stone sizes in a direct in vitro comparison of stone fragment aspiration. EAU 2025; Abstract A03095 Griffiths L et al.: Early experience using CVAC next Gen 2.0 – with quantitative computer tomography stone analysis software. EAU 2025; Abstract A0308 6 Tikkinen KAO et al.: A large, multicenter randomized controlled trial assessing the efficacy of antimicrobial prophylaxis for ESWL reducing urinary tract infection (APPEAL). EAU 2025; Game Changing Session, 23 March 2025 7 Juliebo-Jones et al.: Ureteroscopy for stone disease in pregnancy: outcomes of a multi-center study on behalf ofthe section of EAU Endourology. EAU 2025; Abstract A0294
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