
Fokale Therapie beim lokal begrenzten Prostatakarzinom
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Angelika Borkowetz
Klinik und Poliklinik für Urologie, Dresden
E-Mail: angelika.borkowetz@ukdd.de
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Fokale Therapieverfahren dienen einer lokalisierten Therapie eines umschriebenen Prostatakarzinoms unter Schonung des gesunden Gewebes. Damit können Nebenwirkungen und Komplikationen reduziert werden.
Keypoints
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Eine fokale Therapie dient der lokalisierten Tumortherapie.
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Die fokale Therapie weist eine geringe Nebenwirkungsrate auf.
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Tumorrezidiv und -progression sind nach einer fokalen Therapie möglich, daher ist eine engmaschige Nachsorge mittels MRT und Kontrollbiopsien sowohl in behandelten als auch in nicht behandelten Arealen notwendig.
Die Therapie des lokal begrenzten Prostatakarzinoms (PCa) ist risikoadaptiert. Patient:innen mit einem Niedrig- oder frühen Intermediärrisiko-PCa haben ein geringes Risiko, aufgrund des PCa Metastasen zu entwickeln oder zu sterben. Daher kann diesen Patient:innen eine aktive Überwachung des Tumors empfohlen werden.1,2 Bei Patient:innen, die keine aktive Überwachung wünschen, kann eine lokal ablative Therapie des PCa als fokale Therapie angeboten werden.
Die deutsche S3-Leitlinie für das Prostatakarzinom hat der fokalen Therapie ein separates Kapitel gewidmet. Bei den Indikationen für die fokale Therapie ist aktuell zu beachten, dass in der derzeitigen Konsultationsfassung der Leitlinie die Kriterien für die aktive Überwachung zwar erweitert wurden, aber das Kapitel für die fokale Therapie noch nicht überarbeitet worden ist.1,3
Ziel der fokalen Therapie
Ziel der fokalen Therapie ist es, nur das erkrankte Gewebe unter Schonung des gesunden Gewebes zu behandeln, um Komplikationen und Nebenwirkungen gering zu halten. Dadurch können potenzielle Komplikationen aufgrund einer radikalen Prostatektomie (Inkontinenz und erektile Dysfunktion) und Strahlentherapie (akute und chronische Entzündungen von Harnblase und Rektum sowie Harnröhrenstrikturen) vermieden werden, die die Lebensqualität der Patient:innen beeinträchtigen können.
Fokale Therapieoptionen haben zum Ziel, das PCa zu therapieren und einen Tumorprogress hinauszuzögern, um kurative Therapieoptionen zu einem späteren Zeitpunkt einzusetzen und um Risiken und Komplikationen durch die Therapie zu minimieren und somit die Lebensqualität der Patient:innen lange aufrechtzuerhalten, ohne ein onkologisches Risiko einzugehen.4 Bei fokalen Therapieverfahren werden gewebeschonend nur ein Teil oder mehrere Teilbereiche der Prostata, die mit dem Tumor befallen sind, behandelt. Die restliche Prostata bleibt unbehandelt.
Diagnostik & Behandlungsschemata
Bei den Behandlungsschemata gibt es die uni- bis multifokale Ablation bei ein bis mehreren Tumorherden in der Prostata. Hier wird das tumortragende Gewebe mit einem bestimmten Sicherheitsabstand behandelt. Diagnostisch wichtig ist hier v.a. der Nachweis eines Tumors in einer Läsion in der Bildgebung, vorrangig in der MRT.
Bei einer Hemiablation wird der gesamte Seitenlappen der Prostata behandelt, in dem das PCa nachgewiesen wurde. Diese Behandlung spielt v.a. eine Rolle bei einem PCa, das multifokal in einem Seitenlappen nachweisbar war bzw. nicht ganz genau lokalisiert werden konnte.
Die MRT spielt in der Diagnostik vor fokaler Therapie eine wesentliche Rolle. Zum einen ist sie wichtig, um ein PCa genau zu lokalisieren, zum anderen, um das Vorhandensein weiterer signifikanter Tumor-Foci in anderen Regionen auszuschließen.3
Die Bedingungen für die Durchführung der fokalen Therapie sind, dass diese in der Überlebenseffektivität gleichwertig der Standardtherapie (radikale Prostatektomie und Strahlentherapie) ist, dass sie weniger Komplikationen und funktionelle Nebenwirkungen im Vergleich zur Standardbehandlung aufweist, dass eine verlässliche Nachsorge des verbleibenden Prostatagewebes (in Form von PSA-gestützter Nachsorge und Kontrollbiopsien) gewährleistet werden kann und dass eine potenzielle sekundäre oder Salvage-Therapie bei Rezidiv oder Progress durch die fokale Therapie nicht beeinträchtigt wird.4
Nachsorge
Auch in der Nachsorge nach fokaler Therapie spielt die Bildgebung mittels MRT eine herausragende Rolle. Insbesondere hat die Kontrastmitteldynamik unter Nutzung von Gadolinium-haltigem Kontrastmittel in der Beurteilung von tumorsuspekten Herden eine hohe Wertigkeit. Befundungsalgorithmen angelehnt an PI-RADS nach Behandlung der Prostata stehen aktuell unter Evaluierung und müssen validiert werden.5,6
Therapiemodalitäten
Verschiedene fokale Therapiemodalitäten unterschiedlicher physikalischer Methoden stehen für ein fokal ablatives Verfahren zur Verfügung. Dabei ist das hoch-intensivierte fokussierte Ultraschallverfahren (HIFU) das am häufigsten verwendete Verfahren. Über die transrektale Applikation von Ultraschallwellen wird das zu behandelnde Gewebe auf 80–100°C erhitzt. Dabei kommt es zu einer Denaturierung und zu späterer Nekrose des Gewebes. Zusätzlich kommt es durch die Ultraschallwellen zu einem Zerreißen der Zellmembranen.
Während bei der HIFU-Therapie die Energie transrektal appliziert wird, erfolgt bei der sogenannten transurethralen Ultraschall-Ablations-Therapie (TULSA) die Applikation der Ultraschallwellen transurethral. Bei der HIFU-Therapie erfolgt die Behandlung ultraschallkontrolliert, bei der TULSA-Behandlung wird sie im MRT mit MRT-Temperaturmonitoring durchgeführt.7
Weitere Verfahren finden über den transperinealen Applikationsweg statt: die Kryotherapie, bei der es zu einem Abkühlen des Gewebes auf bis zu –40°C kommt, die irreversible Elektroporation (IRE), die über Anlegen einer elektrischen Spannung wiederum zum Zerreißen der Zellmembranen führt, sowie die Applikation von Laser oder Mikrowellen. Auch die fokale Brachytherapie mit Anwendung radioaktiver Strahlen in nur einem Bereich der Prostata über radioaktive Seed-Implantation kann als fokales Therapieverfahren angewendet werden.7
Die vaskulär-gezielte photodynamische Therapie (VTP) unter Nutzung eines Photosensitizers, der durch die Reaktion mit Licht einer bestimmten Wellenlänge aktiviert wird, wurde als Hemiablation angewendet. Dieses Verfahren hatte bislang durch eine Phase-III-Studie, die die VTP als Hemiablation gegenüber der aktiven Überwachung bei unilateralem Niedrigrisiko-PCa verglichen hatte, die höchste Evidenz.8 Das Verfahren wurde 2022 durch die herstellende Firma für die Indikation des PCa vom Markt genommen und kann somit nicht mehr angeboten werden.
Für das HIFU-Verfahren gibt es aktuell die meisten Publikationen zu retrospektiven, aber auch prospektiven Studien.9 Die deutsche Studie FoxPro mit 50 Patient:innen mit einem PCa ISUP 1 (54%) und ISUP 2 (46%) zeigte jedoch, dass nach fünf Jahren 54% der Patient:innen ein signifikantes Tumorrezidiv aufwiesen und bei 19% der Patient:innen eine Salvage-Therapie mittels Strahlentherapie oder Prostatektomie durchgeführt wurde.10
Eine weitere prospektive Studie, die 97 Patient:innen einschloss, zeigte eine Tumorrezidivrate von 21%, 43% und 56% nach 6, 12 und 36 Monaten. Nach einem Follow-up von 36 Monaten zeigten die Patient:innen bzgl. des funktionellen Ergebnisses Miktionsverhältnisse wie vor dem Eingriff, jedoch eine geringe Verschlechterung der erektilen Funktion im IIEF-15 und keine in der sexuellen Domäne des EPIC-26.11
Eine prospektive Studie aus dem Vereinigten Königreich mit über 1300 Patient:innen, die auch Patient:innen mit einem Hochrisiko-PCa eingeschlossen hatte, zeigte eine Rate des rezidivfreien Überlebens von 65% bei Hochrisiko-PCa und 68% bei Intermediärrisiko-PCa nach sieben Jahren.12 Die Komplikationsrate mit Komplikationen von >Grad 2 nach Clavien-Dindo lag bei lediglich 0,5%. Allerdings wurde hier ein wesentlicher Anteil der Patient:innen mit einer Hemiablation behandelt.
Eine Salvage-Therapie nach fokaler Therapie ist möglich, jedoch sind die Patient:innen auf ein mögliches schlechteres onkologisches Ergebnis hinzuweisen, was v.a. die R1-Rate bei radikaler Prostatektomie und ein mögliches schlechteres funktionelles Ergebnis betrifft, Zweiteres für erektile Funktion und Kontinenz.13
Fazit
Die fokale Therapie bietet Patient:innen mit einem lokalisierten PCa die Möglichkeit einer lokalisierten Behandlung unter Schonung des gesunden Gewebes und damit einer Reduktion der möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen im Vergleich zu einer kurativen Lokaltherapie. Allerdings ist eine dezidierte Diagnostik vor fokaler Therapie notwendig, um weitere signifikante Tumor-Foci vor der Therapie auszuschließen und in der Folge das Rezidiv- und Progressionsrisiko nach der Therapie gering zu halten.
In der Nachsorge spielt die MRT-Diagnostik auch weiterhin eine herausragende Rolle. Kontrollbiopsien im behandelten und im nichtbehandelten Areal sind obligatorisch.
Literatur:
1 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): S3-Leitlinie Prostatakarzinom, Langversion 7.01, 2024. AWMF-Registernummer: 043-022OL. Online unter https://www.leitlinienprogramm- onkologie.de/leitlinien/prostatakarzinom/ 2 EAU: Guidelines on prostate cancer 2024. Online unter https://uroweb.org/guidelines/prostate-cancer 3 Borkowetz A et al.: German S3 evidence-based guidelines on focal therapy in localized prostate cancer: the first evidence-based guidelines on focal therapy. Urol Int 2022; 106(5): 431-9 4 Van der Poel HG et al.: Focal therapy in primary localised prostate cancer: The European Association of Urology Position in 2018. Eur Urol 2018; 74(1): 84-91 5 Giganti F et al.: Prostate imaging after focal ablation (PI-FAB): aproposal for a scoring system for multiparametric MRI of the prostate after focal therapy. Eur Urol Oncol 2023; 6(6): 629-34 6 Light A et al.: The Transatlantic Recommendations for Prostate Gland Evaluation with Magnetic Resonance Imaging After Focal Therapy (TARGET): a systematic review and international consensus recommendations. Eur Urol 2024; 85(5): 466-82 7 Valerio M et al.: New and established technology in focal ablation of the prostate: asystematic review. Eur Urol 2017; 71(1): 17-34 8 Azzouzi AR et al.: Padeliporfin vascular-targeted photodynamic therapy versus active surveillance in men with low-risk prostate cancer (CLIN1001 PCM301): an open-label, phase 3, randomised controlled trial. Lancet Oncol 2017; 18(2): 181-91 9 Abreu AL et al.: Focal therapy for prostate cancer: getting ready for prime time. Eur Urol 2022; 81(1): 34-6 10 Westhoff N et al.: Medium-term oncological efficacy and patient-reported outcomes after focal high-intensity focused ultrasound: the FOXPRO trial. Eur Urol Focus 2023; 9(2): 283-90 11 Kaufmann B et al.: Focal therapy with high-intensity focused ultrasound for prostate cancer: 3-year outcomes from a prospective trial. BJU Int 2024; 133(4): 413-24 12 Reddy D et al.: Cancer control outcomes following focal therapy using high-intensity focused ultrasound in 1379 men with nonmetastatic prostate cancer: a multi-institute 15-year experience. Eur Urol 2022; 81(4): 407-13 13 Marra G et al.: Salvage local treatments after focal therapy for prostate cancer. Eur Urol Oncol 2019; 2(5): 526-38
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