
Welche Rolle spielt Cannabis?
Bericht:
Dr. Jürgen Sartorius
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Der Konsum von Cannabis ist mit einem erhöhten Risiko für das Auftreten von Psychosen assoziiert. Studien zu Markergenen laufen, aber es dürfte vor allem die Intensität des Cannabiskonsums sein, die zu einer Zunahme von Psychosen führt.
Bei einem Symposium am 23. Weltkongress der World Psychiatry Association sprach Prof. Robin M. Murray, Leiter des Institute of Psychiatry, Psychology and Neuroscience, Kings College, London, über die Zunahme von Schizophrenie und medikamenteninduzierter Schizophrenie.
Schon lange seien verschiedene Medikamente bekannt, die Psychosen Vorschub leisten können, begann Murray seinen Vortrag. Neben Antihistaminika in hohen Dosen und Methamphetaminen1 oder Cathinonen ist der Konsum von Cannabis einer der Hauptgründe für das Auftreten von medikamenteninduzierten Psychosen. Dabei spielt der Inhaltsstoff Tetrahydrocannabiol (THC) als partieller Agonist des Cannabisrezeptors 1 (CB1) die entscheidende Rolle. Er führt zu Euphorie und Vergnügungsempfinden, aber auch zu Störungen von Aufmerksamkeit, Erinnerungs- und Lernvermögen sowie in hohen Dosen zu paranoiden Ideen und Halluzinationen (Abb. 1).
In Metaanalysen weist Cannabiskonsum einen Risikofaktor von durchschnittlich 3,9 für das Auftreten psychotischer Störungen auf.2 Darüber hinaus werden bei weiterem Konsum der Droge höhere Rückfallraten, schwerere Positivsymptome und längere Klinikaufenthalte als nach Abbruch des Konsums beobachtet.3 In speziellen Kliniken könne bei jungen, regelmässig Cannabis konsumierenden Patient:innen mit klinischen Psychosen durch Einzel- und Gruppengesprächstherapie sowie Erinnerungs- und Belohnungsmails auf das Handy eine Rückkehr ins Alltagsleben erreicht werden, berichtete Murray.
Ursachenforschung durch genomweite Assoziationsstudien
Menschen werden nicht zu Cannabiskonsument:innen, nur weil sie eine genetische Veranlagung haben, Psychosen zu entwickeln, fuhr Murray fort. Allerdings erlauben seit Kurzem genomweite Assoziationsstudien (GWAS) die Identifizierung von Markergenen für Schizophrenie. Von diesen müssen allerdings mehrere zusammenwirken und es müssen zusätzliche persönliche Faktoren vorhanden sein, um durch Cannabiskonsum Psychosen auszulösen. Zu diesem Thema laufen Studien, aber die Forschungen dazu seien erst in einem Anfangsstadium, bemerkte Murray.4
Je mehr Cannabiskonsum, desto mehr Psychosen
Mehrere Untersuchungen belegen zudem, dass es eine Koinzidenz zwischen der Intensität des Konsums von Cannabis und der Häufigkeit von Psychosen gibt.
In Dänemark wurde eine Studie mit über 7 Millionen Frauen und Männern (je 50%) im Zeitraum von 1972 bis 2016 durchgeführt.5 Als der Cannabiskonsum in den 1990er-Jahren stark anstieg, wurde auch ein Anstieg von Schizophreniediagnosen beobachtet.6 Ähnliche Zusammenhänge wurden auch in Studien aus London oder Kanada dokumentiert.
Eine neue Studie konnte zeigen, dass nicht allein die Legalisierung von Cannabis zu einer Zunahme von Psychosen führt, sondern der vereinfachte Zugang zu der Droge (Abb. 2).
Abb. 2: Die initiale Legalisierung von Cannabis führte zu keinem Anstieg der Einweisungen wegen Psychosen, sondern erst die darauffolgende Kommerzialisierung (mod. nach Myran et al. 2023)7
Eine weitere Gefährdung sah Murray durch die Zunahme von stark THC-haltigen Lebensmitteln, wie Öl, Gebäck oder Frühstücksflocken, die vor allem aus den USA auf den Weltmarkt drängen. Häufig haben diese einen höheren Gehalt an THC als an CBD, wodurch die halluzinogene Wirkung verstärkt werde, so Murray.
Problematisch für den Anstieg der Fälle von Psychosen sei ausserdem, wie Murray abschliessend betonte, dass durch die Freigabe des Cannabiskonsums zu nichtmedizinischen Zwecken nicht nur die Verkaufszahlen, sondern auch die damit erzielten Gewinne stark gestiegen seien.8
Quelle:
23. Weltkongress der World Psychiatric Association (WPA), 28.9. bis 1.10.2023, Wien
Literatur:
1 Chen CK et al.: Pre-morbid characteristics and co-morbidity of methamphetamine users with and without psychosis. Psychol Med 2003; 33(8): 1407-14 2 Marconi A et al.: Meta-analysis of the association between the level of cannabis use and risk of psychosis. Schizophr Bull 2016; 42(5): 1262-7 3 Schoeler T et al.: Continued versus discontinued cannabis use in patients with psychosis: a systematic review and meta-analysis. Lancet Psychiatry 2016; 3(3): 215-25 4 Lewis CM, Vassos E: Polygenic scores in psychiatry: on the road from discovery to implementation. Am J Psychiatry 2022; 179(11): 800-6 5 Hjorthoj C et al.: Development over time of the population-attributable risk fraction for cannabis use disorder in schizophrenia in Denmark. JAMA Psychiatry 2021; 78(9): 1013-9 6 Maloney-Hall B et al.: Psychotic disorder and cannabis use: Canadian hospitalization trends, 2006-2015. Health Promot Chronic Dis Prev Can 2020; 40(5-6): 176-83 7 Myran DT et al.: Association between non-medical cannabis legalization and emergency department visits for cannabis-induced psychosis. Mol Psychiatry 2023; doi: 10.1038/s41380-023-02185-x 8 Murray RM, Hall W: Will legalization and commercialization of cannabis use increase the incidence and prevalence of psychosis? JAMA Psychiatry 2020; 77(8): 777-8
Das könnte Sie auch interessieren:
Phytotherapie bei Angsterkrankungen und assoziierten Beschwerden
Pflanzliche Arzneimittel gewinnen immer mehr Bedeutung in der Psychiatrie. Insbesondere bei Angsterkrankungen und Depressionen stellen Phytotherapeutika eine sinnvolle Alternative zu ...
Gesundheits-Apps: Zukunft der Therapie?
Digitale Gesundheitsanwendungen rücken zunehmend in den Fokus. Die digitale Transformation bietet Chancen und Herausforderungen.
Stellungnahme zum Konsensus Statement Schizophrenie 2023
In dem Konsensus Statement Schizophrenie 20231 wurde die Sachlage zur Diagnostik und Therapie schizophrener Erkrankungen in 19 Kapiteln erarbeitet. Doch besteht im Bereich der ...