
Phytotherapie bei Angsterkrankungen und assoziierten Beschwerden
Autorinnen:
cand. med. Valeria Neibert
Priv.-Doz. Dr. Dr. Lucie Bartova
Klinische Abteilung für Allgemeine Psychiatrie
Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: lucie.bartova@meduniwien.at
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Pflanzliche Arzneimittel gewinnen immer mehr Bedeutung in der Psychiatrie. Insbesondere bei Angsterkrankungen und Depressionen stellen Phytotherapeutika eine sinnvolle Alternative zu konventionellen Psychopharmakotherpeutika dar. Zudem empfiehlt sich der Einsatz von Phytotherapeutika bei psychiatrischen Begleiterkrankungen im Rahmen von komplexen Syndromen wie Long Covid.
Keypoints
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Phytotherapeutika können eine wirkungsvolle Alternative oder Ergänzung zu konventionellen Therapien sein.
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Das Lavendelölpräparat Silexan® stellt eine effektive und sehr gut verträgliche pflanzliche Alternative besonders bei Angstsymptomen, Depressionen und assoziierten kognitiven und psychosomatischen Beschwerden dar.
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Auch bei pflanzlichen Präparaten ist auf mögliche Arzneimittelinteraktionen und Nebenwirkungen zu achten.
Die gängigsten pflanzlichen Arzneimittel in der Psychiatrie
Zu den bekannten Pflanzen, welche seit Jahrzehnten bei psychiatrischen Zustandsbildern untersucht und angewendet werden, gehören Lavendel, Johanniskraut, Rosenwurz und Ginkgo.1–4
Lavendelöl bei Angststörungen
Eine solide Evidenzbasis für die Therapie mit dem Lavendelölpräparat Silexan® besteht zurzeit für die Behandlung von Angsterkrankungen5, 6 und damit einhergehenden psychosomatischen Beschwerden und Schlafstörungen.1, 7–9 Besonders die generalisierte Angststörung (GAS) spricht auf das Lavendelölpräparat gut an. Der Einsatz bei dieser Form der Angststörung ist bereits gut untersucht und wird regelmäßig angewendet.10, 11 Auch für die Behandlung der Depression existieren bereits ausschlaggebende Ergebnisse, welche die Basis für weitere systematische Forschungsarbeiten bilden.12 Dies ist von besonderem Interesse, da Depressionen und Angsterkrankungen sehr häufige wechselseitige Komorbiditäten darstellen.13 Eine randomisierte, placebokontrollierte Studie mit 318 Patient:innen, die an einer kombinierten Angst- und depressiven Störung litten, zeigte eine deutlich stärkere Reduktion der depressiven Symptome im Vergleich zur Placebogruppe. Dies ging mit einer verbesserten Lebensqualität sowie einer insgesamt besseren klinischen Prognose einher.14
Johanniskrautextrakt bei Depressionen
Während die Therapie der Depression mit Lavendelölpräparaten noch Inhalt der rezenten Forschung ist, hat sich der Einsatz des Johanniskrautextrakts WS®5570 bei milden bis moderaten depressiven Episoden seit Jahrzehnten bewährt.4, 15–17 Wie bei Silexan® können unter der Therapie mit Johanniskraut Symptome wie Antriebs- und Hoffnungslosigkeit, Interessenverlust und eine gedrückte Stimmung verbessert werden. Zudem zeigt der Extrakt positive Effekte auf den Schlaf und auf assoziierte psychosomatische Beschwerden.18 Handelt es sich um andere psychiatrische Zustandsbilder, wie um die milde bis moderate Depression, ist der Johanniskrautextrakt WS®5570 oft eine wirkungsvolle Alternative zu Antidepressiva.15–17, 19 Die Qualität der Zubereitung ist entscheidend für die Wirkung des Extrakts.1 Der Extrakt aus Johanniskraut enthält über 150 verschiedene Inhaltsstoffe. Insbesondere Hyperforin gilt als maßgeblich für die antidepressive Wirkung. Eine 5%ige Konzentration konnte einen signifikanten Effekt erzielen, während ein Extrakt mit nur 0,5 % Hyperforin keine deutliche Wirkung entfaltet.20 Weiters sind auch die Inhaltsstoffe Hypericin, Pseudohypericin, Amentoflavon und Hyperosid für die antidepressive Wirkung mitverantwortlich.21
Wirkmechanismen des Extrakts
Der Extrakt wirkt über vielfältige Mechanismen. So beeinflusst der Extrakt die Wiederaufnahme von Serotonin, Dopamin und Noradrenalin und hemmt zudem die Aufnahme von Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Auch der Abbau dieser Neurotransmitter wird durch die Hemmung der Monoaminotransferase und Catechol-O-Methyltransferase verzögert, wie es bei bekannten trizyklischen Antidepressiva der Fall ist. Darüber hinaus konnte eine Erhöhung der Dichte der 5-HT2-Rezeptoren, besonders im frontalen Kortex, beobachtet werden. Diese Veränderungen ähneln denen der klassischen Antidepressiva.22, 23
Beide Präparate, Silexan® und WS®5570, haben sich als nicht unterlegen erwiesen im Vergleich mit konventionellen Antidepressiva wie den selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI) Paroxetin oder Sertralin.10,12,16 Beides lässt sich durch einen ähnlichen Wirkmechanismus der pflanzlichen Präparate und SSRI erklären.24 Wirkungen an der Präsynapse der Nervenzellen und eine Hemmung der Wiederaufnahme erhöhen die Verfügbarkeit von Serotonin. Silexan® hemmt zudem spannungsabhängige Kalziumkanäle an der Präsynapse und reduziert so die übermäßige Ausschüttung von Noradrenalin und Glutamat, die häufig mit Angsterkrankungen einhergeht. Dies dämpft das sympathische Nervensystem und mindert das typische „vegetative Hyperarousal“, was die angstlösende Wirkung erklärt.25, 26
Zudem erhöht Silexan® die Alpha-Aktivität im Gehirn, die mit einem entspannten, aber wachen Zustand verbunden ist.27 In einer PET-Studie der MedUni Wien konnte weiters eine Reduktion des Bindungspotenzials des 5-HT1A-Rezeptors festgestellt werden. Dieser wirkt inhibitorisch und erhöht somit das Serotonin-Angebot besonders in Bereichen des Gehirns, welche für die Emotionsverarbeitung und Stimmung zuständig sind.28 Weiters konnte eine Tierstudie die positive Wirkung des Lavendelölpräparats auf die Neuroplastizität verdeutlichen. Neuroplastizität konnte bereits mit der Entstehung von Angsterkrankungen und depressiven Stimmungslagen assoziiert werden und bietet somit einen Ansatz für Therapiestrategien.29, 30 Auch im Vergleich mit dem Benzodiazepin Lorazepam, welches bei Angsterkrankungen eingesetzt wird, konnte das Lavendelölpräparat mit wesentlich geringeren Nebenwirkungen mithalten. Während Benzodiazepine ein Abhängigkeitspotenzial bergen, ist dies bei Silexan® nicht der Fall.11
Ginkgo bei milder Demenz
Auch bei demenziellen Zustandsbildern wie der Alzheimerdemenz oder bereits der leichten kognitiven Beeinträchtigung (MCI) wird in der heutigen Medizin Phytotherapie erfolgreich und nebenwirkungsarm eingesetzt.31–37 Der Ginkgo-Spezialextrakt EGb761® ist für seine antioxidativen und neuroprotektiven Eigenschaften bekannt.38–40 Als Radikalfänger schützt der Extrakt des Ginkgobaums Nervenzellen vor dem programmierten Zelltod und unterstützt die mitochondriale Zellatmung. Zusätzlich wird die Ausschüttung von Stresshormonen reduziert.41,42 Klinisch zeigt sich die positive Wirkung des Spezialextrakts durch eine Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten, wie sie bei der Demenz vorkommen. Die Funktionalität der Patient:innen sowie deren Kognition verbessern sich unter der täglichen Einnahme von 240mg EGb761®.43–45
Wichtig zu erwähnen ist eine fehlende Wirkung auf psychotische Symptome einer Demenz. EGb761® besitzt hauptsächlich eine Wirkung auf die allgemeine Funktionalität und Kognition des/der Betroffenen.31,33,34,43,44 Der Ginkgoextrakt hat keinen relevanten Einfluss auf die Blutgerinnung. Der Grund hierfür sind die fehlenden Wechselwirkungen mit dem Cytochrom-P450-Enzym-System.46 Somit muss das Präparat nicht vor anstehenden Operationen abgesetzt werden und kann problemlos mit den häufig verordneten Antikoagulanzien kombiniert werden.47
Rosenwurzextrakt bei Stress
Handelt es sich um Erschöpfungszustände und Stresssymptome, kann der Rosenwurzextrakt SHR-5 herangezogen werden. Der Extrakt wirkt als sogenanntes Adaptogen, indem er die Widerstandsfähigkeit des Organismus in Stresssituationen stärkt. Diese Wirkung beruht auf einer reduzierten Ausschüttung von Stresshormonen und einer gesteigerten ATP-Synthese in den Mitochondrien, was den Energiestoffwechsel jener Zellen positiv beeinflusst. Durch diese Prozesse können Symptome wie Erschöpfung, Tagesmüdigkeit oder Schlafstörungen gemildert werden.2 Daher empfahl die EMA Rhodiola-rosea-Präparate bei der Indikation „Stress“. Dem Extrakt wird eine vorbeugende Wirkung gegenüber chronischem Stress und den daraus folgenden Komplikationen nachgesagt.48
Eine Erforschung von Adaptogenen gestaltet sich, aufgrund der heterogenen Wirkungsmechanismen, mit den heutigen Methoden schwierig. Hierdurch besteht ein Mangel an Daten, welche den Einsatz bei anderen psychiatrischen Syndromen untermauern könnten.49 Aufgrund der unzureichenden Datenlage ist auch die Anwendung in der Schwangerschaft, bei Kindern und älteren Personen zurzeit noch nicht empfohlen.50 Dennoch konnte im Tiermodell eine Assoziation mit den Neurotransmittern Serotonin, Dopamin und Noradrenalin festgestellt werden, was eine Grundlage für anxiolytische Wirkungen des Rosenwurzextrakts bietet.51 Anxiolytische Effekte zeigte Adaptogen in einer Studie mit 80 Patient:innen, in der die Angstsymptomatik in einem Behandlungszeitraum von 14 Tagen anhand kognitiver Tests und Selbsteinschätzungen bewertet wurde. Während sich die kognitiven Fähigkeiten zwischen den Gruppen nicht unterschieden, zeigte die Rosenwurz-Gruppe gegenüber der unbehandelten Gruppe eine deutliche Verbesserung von Angst, Wut, Stress und depressiver Stimmung. Eine Einschränkung der Studie waren jedoch das Fehlen einer Placebo-Kontrollgruppe und der kurze Behandlungszeitraum.52 Neben den stressreduzierenden und neuroprotektiven Eigenschaften wirkt der Extrakt auch hepato- und kardioprotektiv. Die antiinflammatorischen und antioxidativen Eigenschaften des Adaptogens werden als Grund für die positiven Effekte auf Herz und Leber angenommen.53 Bis auf gelegentliche Berichte von Schwindel und Mundtrockenheit sind zurzeit keine Nebenwirkungen bekannt.50
Phytotherapie in der Praxis
Da viele psychiatrische Erkrankungen ähnliche zugrunde liegende Mechanismen aufweisen, insbesondere in Bezug auf die neurobiologische Dysbalance verschiedener Neurotransmittersysteme – darunter Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, GABA und Glutamat –, liegt es nahe, diese Systeme gezielt in therapeutische Ansätze einzubeziehen.1
Diese Gemeinsamkeit spiegelt sich auch in den Behandlungsrichtlinien internationaler Fachgesellschaften wider. So werden bei unipolarer Depression54, Angststörungen55, posttraumatischen Belastungsstörungen56 und Zwangsstörungen57 häufig selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) als bevorzugte medikamentöse Therapie empfohlen.1 Internationale Studien belegen außerdem, dass die kognitive Verhaltenstherapie die effektivste psychotherapeutische Methode zur Behandlung von Angststörungen und unipolarer Depression ist. Daher gilt sie als bevorzugte Therapieform für beide Erkrankungen. Nach einer ersten fachärztlich-psychiatrischen Einschätzung kann sie zudem erfolgreich von Expert:innen verschiedener Fachrichtungen durchgeführt werden.7,55
Neben SSRI, SNRI und psychotherapeutischen Maßnahmen können auch Arzneimittel aus anderen pharmakologischen Gruppen, wie den Antikonvulsiva, wirkungsvoll sein. Beispielsweise wird Pregabalin erfolgreich bei der Behandlung der generalisierten Angststörung und anderer komorbider psychosomatischer Beschwerden eingesetzt.1,55
Das Interesse an Cannabis und Cannabinoiden als mögliche therapeutische Optionen wächst zunehmend. Ihre Wirkung wurde bereits im Zusammenhang mit depressiven Symptomen, Angststörungen, ADHS und dem Tourette-Syndrom erforscht. Allerdings zeigte sich bislang nur bei Angststörungen ein möglicher therapeutischer Nutzen.59
Insbesondere in frühen Krankheitsstadien und bei leichteren Verläufen können auch evidenzbasierte pflanzliche Präparate eine wirksame Behandlungsoption darstellen. Hochwertige Extrakte aus Lavendelöl, Johanniskraut, Rosenwurz oder Ginkgo kommen dabei individuell zum Einsatz.49,60 Der Wunsch eines pflanzlichen Arzneimittels bei depressiven Symptomen wird von Patient:innen immer häufiger thematisiert. Die Angst vor unerwünschten Wirkungen durch konventionelle Antidepressiva schürt hierbei häufig potenziell ein Misstrauen, welches zugunsten von Phytotherapeutika ausfällt.61
Die vorliegenden Studien zur Phytopharmakotherapie legen den Fokus auf ebendiese milden bis moderaten Zustandsbilder. Für die Wirkung bei schweren depressiven Episoden oder Angsterkrankungen fehlen zurzeit noch Studien. Besonders bei den sogenannten subsyndromalen Zustandsbildern kann die Phytotherapie eine evidenzbasierte, effektive und sehr gut verträgliche Alternative darstellen.1,7,8,12,62 Subsyndromale Ausprägungen beschreiben eine nicht voll ausgeprägte Symptompalette, sodass die Diagnosekriterien einer manifesten psychiatrischen Erkrankung nicht vollständig erfüllt sind.63, 64 Dennoch sind Patient:innen in ihrer Lebensqualität und generellen Funktionalität bedeutend eingeschränkt und belastet.63–65
Anstieg psychiatrischer Diagnosen
Schon vor der Covid-19-Pandemie zählten Angststörungen und Depressionen zu den führenden Ursachen für gesundheitliche Beeinträchtigungen weltweit. Die Pandemie wirkte sich in vielerlei Hinsicht negativ aus – sei es durch die direkte Erkrankung oder durch die damit einhergehenden Herausforderungen wie soziale Isolation, Einschränkungen im Alltag, berufliche und schulische Hürden, eingeschränkte Mobilität oder den Verlust von Selbstbestimmung. In dieser Zeit wurde ein deutlicher Anstieg psychischer Erkrankungen beobachtet.66 Auch nach der akuten Phase der Pandemie bleibt diese Entwicklung erkennbar. Besonders im Kontext des zunehmend diagnostizierten Long-Covid- oder Post-Covid-Syndroms wird die hohe Komorbiditätsrate in verschiedenen medizinischen Bereichen deutlich.67, 68 Zahlreiche internationale Studien zeigen, dass Angst und Depression zu den häufigsten Beschwerden gehören. Sie treten oft in Kombination mit weiteren Symptomen wie starker Erschöpfung („Fatigue“) oder kognitiven Beeinträchtigungen, bekannt als „brain fog“, auf.69, 70
Phytotherapie bei Long Covid
Im Rahmen des noch immer sehr häufig vorkommenden Long-Covid-Syndroms treten neuropsychiatrische Symptome auf, welche in den meisten Fällen einen subsyndromalen Charakter aufweisen.69–71 In solchen Fällen ist eine pflanzliche Therapie mit dem Lavendelölpräparat Silexan® ein neuer und effektiver Ansatz, welcher bereits in rezenten Fallberichten eine signifikante Reduktion von Angst- und depressiven Symptomen zeigen konnte.72, 73 Auch dem Ginkgo-Spezialextrakt EGb761® wird eine Wirkung bei dem Long-Covid-Syndrom zugeschrieben.73–75 In einer Fallserie wurden fünf Patient:innen bis zu vier Monate mit einer täglichen Einnahme von 160mg des Extrakts behandelt. Folgen davon waren eine Reduktion der Müdigkeit sowie der kognitiven Beeinträchtigungen. Zur Evaluierung der Symptomatik kamen hierbei die Clinical Global Impression Severity Scale (CGIS), das Montreal Cognitive Assessment (MoCA) sowie das klinische Zustandsbild zum Einsatz.76 Aufgrund der sich überlappenden Symptome von Erschöpfungszuständen und des Long-Covid-Syndroms kann auch hier von einer Wirksamkeit von Rosenwurzextrakten ausgegangen werden.75 Für die regelmäßige Anwendung dieses pflanzlichen Extrakts beim Long-Covid-Syndrom werden jedoch noch systematische Studien benötigt, die den Einsatz dieses Phytopharmakons validieren. Positive Ergebnisse zeigten sich bereits in Bezug auf die respiratorische Insuffizienz und die täglich mögliche Gehstrecke nach einer Covid-19-Infektion.77
Qualitative Überlegungen
Bei allen Anwendungsgebieten von Silexan® ist es essenziell, standardisierte und qualitative Kapselpräparate mit 80 bis 160mg des Öls zu verwenden. Diese sind in den meisten europäischen Ländern unter dem Handelsnamen Silexan® erhältlich. Um den konzentrierten Extrakt zu gewinnen, werden die Blüten von Lavandula angustifolia dampfdestilliert. Es befinden sich zahlreiche Lavendelzubereitungen auf dem Markt, jedoch beziehen sich die aktuellen Forschungsergebnisse nur auf Präparate, die nach einer standardisierten Rezeptur hergestellt werden und den höchsten Qualitätsstandards entsprechen. Bei anderen Arten von Zubereitungen, beispielsweise Tee-Erzeugnissen, kann der gewünschte Effekt ausbleiben.49 Die genaue Zusammensetzung der Inhaltsstoffe des Lavendelöls ist hierbei entscheidend. Durch den ähnlichen Wirkmechanismus von Lavendelölpräparaten und konventionellen Antidepressiva erklärt sich der Wirkeintritt innerhalb von zwei Wochen.
Positiv ist zu betonen, dass Silexan® bis auf ein Aufstoßen mit Lavendelgeruch kaum Nebenwirkungen hat. Dieses lässt sich durch die Einnahme mit einem Glas Wasser oder während einer Mahlzeit reduzieren.78 Das Auftreten von Übelkeit und Diarrhö ist mit der Einnahme von Placebopräparaten vergleichbar.10, 12 Werden zusätzlich andere Arzneimittel eingenommen, kann Silexan® weiter verabreicht werden. Aufgrund fehlender Wechselwirkungen mit den Cytochrom-P450-Enzymen, welche den Abbau von Medikamenten beeinflussen, besteht kein Risiko für eine Über- oder Unterdosierung dieser Arzneimittel. So können Frauen im gebärfähigen Alter Silexan® problemlos mit einer oralen Kontrazeption einnehmen, und Silexan® kann zusätzlich zu einer bestehenden antidepressiven Therapie verordnet werden.79, 80 Weiters ist zu unterstreichen, dass das Lavendelölpräparat keinen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit hat wie die bekannten angstlösenden Benzodiazepine und kein Suchtpotenzial aufweist.81
Laut Empfehlungen der EMA kann eine Anwendung des Spezialextrakts aus dem Ginkgobaum positive Effekte auf das Kurzzeitgedächtnis haben und sollte deswegen beim Vorliegen einer leichten vaskulären oder Alzheimerdemenz ein Teil der Therapie sein.3,32 In bekannten Therapieschemata findet man zudem Acetylcholinesterasehemmer. Der Spezialextrakt EGb761® hat in Guidelines eine gleichrangige Stellung im Empfehlungsgrad.82 Wie bei Silexan® sind unerwünschte Nebenwirkungen wie allergische Hautreaktionen oder Beschwerden im Magen-Darm-Trakt möglich.38 Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind nicht bekannt.46
Trotz der guten Wirksamkeit des Johanniskrautextrakts WS®5570 können einige seltene unerwünschte Wirkungen auftreten, wie etwa allergische Hautreaktionen oder eine Phototoxizität. Auch gastrointestinale Beschwerden sind nicht auszuschließen. Diese Nebenwirkungen waren genauso häufig anzutreffen wie in Placebo-Kontrollen. Generell lässt sich behaupten, dass diese seltener sind als bei Antidepressiva.83 Besonders hervorzuheben ist die hohe Rate an Wechselwirkungen des Hypericumextrakts mit anderen Arzneimitteln. Hierbei muss bei der Verordnung eine gründliche Prüfung der Interaktionen vorgenommen werden, damit keine versehentlichen Dosisreduktionen oder -steigerungen vorgenommen werden.49 Aufgrund dieser Limitierungen gilt das Johanniskrautextrakt nicht als erste Wahl bei milden bis moderaten Depressionen. Für die Anwendung bei Angststörungen liegen zurzeit keine positiven Empfehlungen vor.
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