
Perineal – neuer Standard in der histologischen Sicherung bei Verdacht auf ein PCa
Autor:
Dr. Matthias Jahnen
Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München
Klinik und Poliklinik für Urologie
Studien- und Datenzentrum
München
E-Mail: matthias.jahnen@tum.de
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Die Diskussion darüber, in welcher Form – perineal oder transrektal – eine Biopsie bei einem Verdacht auf ein Prostatakarzinom durchgeführt werden soll, begleitet uns schon seit einigen Jahren. Nach und nach hat sich die gezielte transperineale Biopsie zunehmend als neuer Standard der Diagnosesicherung etabliert.
Keypoints
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Eine transperineale Prostatabiopsie kann ohne antibiotische Prophylaxe mit einem minimalen Infektionsrisiko durchgeführt werden.
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In Bezug auf die diagnostische Genauigkeit scheint die transperineale Biopsie der transrektalen überlegen zu sein.
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Eine geeignete Patientenlagerung und effektive Lokalanästhesie ermöglichen die zeit- und kosteneffiziente ambulante Durchführung der transperinealen Prostatabiopsie.
Mit über 450000 bis 500000 Neudiagnosen pro Jahr ist das azinäre Adenokarzinom der Prostata die relevanteste Tumorerkrankung des Mannes in Europa.1 Besonders die Primärdiagnostik bei klinischem Verdacht auf ein Prostatakarzinom ist ein wichtiger Bestandteil des ambulanten urologischen Versorgungsauftrags. Gemäß aktuellen Leitlinienempfehlungen sollte bei einem kontrolliert erhöhten PSA-Wert und Verdacht auf ein lokal begrenztes Prostatakarzinom eine multiparametrische Magnetresonanztomografie (mpMRT) der Prostata erfolgen.2 Eine solche mpMRT bietet die Möglichkeit, bei unauffälligem Befund auf eine invasive Diagnostik zu verzichten. Bei auffälligen Befunden dient sie als Grundlage für die gezielte Biopsie.
Prostatabiopsie hat sich gewandelt
Die Durchführung einer Prostatabiopsie stellt die invasive, histologische Diagnosesicherung dar und erlaubt zugleich eine Einschätzung der Tumoraggressivität. Aufgrund der hohen Relevanz des Prostatakarzinoms ist auch die Prostatabiopsie ein häufiger Eingriff (1,1 Millionen Prostatabiopsien pro Jahr in Europa)3, an den elementare Anforderungen gestellt werden:
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eine möglichst genaue histologische Abklärung,
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eine möglichst geringe Inzidenz relevanter Nebenwirkungen,
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ein möglichst zeit- und kosteneffizientes Vorgehen.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, haben sich die Empfehlungen zur Durchführung der Prostatabiopsie in den letzten Jahren deutlich gewandelt. Die Biopsie hat sich von einem rein systematischen, transrektalen Eingriff unter Antibiotikaprophylaxe zu einer gezielten, MRT-Ultraschall-fusionierten, transperinealen Biopsie ohne Antibiotikaprophylaxe entwickelt.2
Die Empfehlung, die Biopsie über den transperinealen statt den transrektalen Zugangsweg durchzuführen, basiert primär auf der deutlich geringeren Rate relevanter Infektionen. Populationsbasierte Daten aus Großbritannien zeigten bereits 2016 eine signifikant höhere Sepsisrate nach transrektaler (0,9%) im Vergleich zur transperinealen Biopsie (0,1%).4 Eine Metaanalyse prospektiver Studien ergab ebenso ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko nach transrektaler Biopsie (RR: 2,48; 95% CI: 1,47–4,2).5 Darüber hinaus ist aufgrund der Passage durch die keimbesiedelte Rektalschleimhaut bei der transrektalen Biopsie eine Antibiotikaprophylaxe obligat. Der transperineale Zugang erlaubt eine Desinfektion des Punktionsbereichs mit minimalem Risiko für Keimverschleppung und ermöglicht so ein Vorgehen ohne antibiotische Prophylaxe.
Die randomisierte PREVENT-Studie zeigte, dass eine transperineale Biopsie auch ohne Antibiotikaprophylaxe sicher durchgeführt werden kann.6 In dieser Studie wurden 280 Männer transrektal mit Fluorchinolon-Prophylaxe und 287 transperineal ohne Prophylaxe biopsiert. Es zeigte sich eine Nichtunterlegenheit der transperinealen Biopsie mit 0% fieberhafter, postinterventioneller Infekte (vs. 1,4% transrektal).6 Basierend auf diesen Erkenntnissen gilt die transperineale Biopsie ohne Antibiotikaprophylaxe heute als internationaler Standard. Im Sinne eines Antibiotic Stewardship und der empfohlenen Zurückhaltung bei dem Einsatz von Fluorchinolonen stellt dies einen bedeutenden Vorteil dar.
Diagnostische Genauigkeit der Prostatabiopsie
Abb. 1: MRT (links) und Ultraschall (rechts) der Prostata im sagittalen Anschnitt mit suspektem Areal (roter Kreis) in der apikalen Peripherenzone. Der gelbe Pfeil stellt den perinealen Punktionsweg der Biopsienadel dar
Wie bereits erwähnt, ist aber vor allem die diagnostische Genauigkeit der Prostatabiopsie das relevanteste Qualitätskriterium. Diesbezüglich erlaubt eine transperineale Prostatabiopsie eine genauere Beurteilung der peripheren Zone, da aufgrund des Punktionsweges die Biopsiezylinder innerhalb der Peripheren vom Apex bis zur Basis entnommen werden.7 Die transrektale Methode erfasst zwangsläufig sowohl die periphere als auch die Transitionalzone. Darüber hinaus bietet der longitudinale Schallkopf einer perinealen Biposiesonde die Möglichkeit, die Prostata hochauflösend in sagittaler Schnittführung in Gänze von Apex bis Basis darzustellen. Dies ermöglicht bei vielen Patienten eine gute Darstellung von Prostatakarzinomen im B-Bild und verbessert die Genauigkeit der Biopsie (Abb. 1).
Diese theoretischen Vorteile konnten auch praktisch belegt werden: In der randomisierten TRANSLATE-Studie mit über 1000 Männern wurde bei transperinealer Biopsie eine signifikant höhere Detektionsrate klinisch signifikanter Tumoren festgestellt (60,1% vs. 54,5%; p=0,031).8 Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2019 kam zu ähnlichen Ergebnissen (86% vs. 73%).7 Dennoch zeigten die randomisierten Studien PREVENT und PERFECT keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Prostatakarzinom-Detektionsraten.6,9 Es wurden jedoch Vorteile der transperinealen Methode bei anterioren Tumoren und der transrektalen bei posterioren Tumoren beobachtet.7,9 Insgesamt deuten die Daten darauf hin, dass der transperineale Zugang insbesondere in Abhängigkeit von der Tumorlage diagnostische Vorteile bieten kann.
Perineale Durchführung wird zunehmend angeboten
Gleichwohl der o.g. Vorteile ist eine Biopsie durch die Perinealhaut und Beckenbodenmuskulatur potenziell schmerzhafter, weshalb Zweifel an der ambulanten Durchführung unter Lokalanästhesie bestehen bleiben. Trotzdem haben die oben genannten Studien und die aktuellen EAU-Leitlinienempfehlungen dazu geführt, dass die transperineale Biopsie zunehmend angeboten wird und sich in vielen Zentren bereits als neuer Standard etabliert hat. Um eine patientenfreundliche, ambulante transperineale Biopsie, deren Zeitaufwand vergleichbar ist mit der einer transrektalen Biopsie, zu ermöglichen, sind mehrere Aspekte zu beachten:
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Eine korrekte Lagerung (Steinschnittlage mit 90° Flexion in Hüft- und Kniegelenk) sowie das Hochkleben des Skrotums erleichtern den Zugang zum Perineum. Dieses wird anschließend rasiert und desinfiziert.
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Für eine schmerzarme Biopsie ist eine Lokalanästhesie notwendig. In der Regel werden 5–7ml Lokalanästhetikum (z.B. Mepivacain 1%) bei 11 und 1 Uhr oberhalb des Anus subkutan injiziert. Zusätzlich sollte eine tiefergehende Anästhesie der Beckenbodenmuskulatur erfolgen (Musculus transversus perinei superficialis, Musculus levator ani), mit weiteren 5–10ml Lokalanästhetikum je Seite (Abb. 2).
Abb. 2: Sonografische Darstellung der tiefen Beckenbodenmuskulatur (rot) und der Prostataapex. In Gelb dargestellt sind die Applikationsorte der tiefen Lokalanästhesie vor perinealer Prostatabiopsie
Die Biopsie kann dann systematisch oder gezielt durchgeführt werden. Hierbei sind verschiedene Punktionshilfen möglich. Eine Freihandbiopsie mit oder ohne Biopsieführung ermöglicht eine optimale Flexibilität während der Biopsie und ein Erreichen aller Prostatabereiche. Hierbei ist aber pro Entnahme eines Biopsiezylinders eine erneute Punktion des Perineums notwendig. Der Einsatz von Biopsietrokaren ermöglicht eine Reduktion der notwendigen Punktionen durch das Perineum, kann aber die Flexibilität und Punktionsgenauigkeit einschränken. Der Einsatz von Biopsierastern mit Halterung für die Ultraschallsonde am OP-Tisch („Biopsie-Stepper“) bietet die Möglichkeit von standardisierbarem genauem Vorgehen, ist aber mit einem höheren Vorbereitungsaufwand verbunden. Alle Methoden sind aber in einem ambulanten Setting durchführbar und ermöglichen eine leitliniengerechte akkurate Biopsie der Prostata.
Literatur:
1 Sung H et al.: Global Cancer Statistics 2020: GLOBOCAN Estimates of Incidence and Mortality Worldwide for 36 Cancers in 185 Countries. CA Cancer J Clin 2021; 71(3): 209-49 2 EAU Guidelines. Edn. presented at the EAU Annual Congress Madrid 2025. ISBN 978-94-92671-29-5 3 Tomašković I et al.: Prostate cancer diagnosis in 2019 - changes in European guidelines and impact on daily practice. Acta Clin Croat 2019; 58(Suppl 2): 7-11 4 Bennett HY et al.: The global burden of major infectious complications following prostate biopsy. Epidemiol Infect 2016; 144(8): 1784-91 5 Pradere B et al.: Nonantibiotic strategies for the prevention of infectious complications following prostate biopsy: a systematic review and meta-analysis. J Urol 2021; 205(3): 653-63 6 Hu JC et al.: Transperineal versus transrectal magnetic resonance imaging-targeted and systematic prostate biopsy to prevent infectious complications: the PREVENT randomized trial. Eur Urol 2024; 86(1): 61-8 7 Tu X et al.: Transperineal magnetic resonance imaging-targeted biopsy may perform better than transrectal route in the detection of clinically significant prostate cancer: systematic review and meta-analysis. Clin Genitourin Cancer 2019; 17(5): e860-e870 8 Bryant RJ et al.: Local anaesthetic transperineal biopsy versus transrectal prostate biopsy in prostate cancer detection (TRANSLATE): a multicentre, randomised, controlled trial. Lancet Oncol 2025; 26(5): 583-95 9 Ploussard G et al.: Transperineal versus transrectal magnetic resonance imaging-targeted biopsies for prostate cancer diagnosis: final results of the randomized PERFECT trial (CCAFU-PR1). Eur Urol Oncol 2024; 7(5): 1080-7
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