
Lokaltherapie des metastasierten Prostatakarzinoms – „ready to radiate“?
Autor:
Dr. Andreas Banner
Abteilung für Urologie
Klinik Favoriten, Wien
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Die Rolle der lokalen Therapie beim metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) wird zunehmend differenziert bewertet. Während frühe Daten aus der Ära der Androgendeprivationstherapie Vorteile bei „Low volume“-Erkrankung zeigten, bleibt der Stellenwert der Strahlentherapie in der heutigen Kombinationstherapie umstritten. Moderne Bildgebung und patientenindividuelle Faktoren rücken in den Fokus der Therapieentscheidung.
Keypoints
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Eine lokale Strahlentherapie des Primärtumors kann bei ausgewählten Patienten zur Verlängerung des rPFS und lokaler Kontrolle beitragen.
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Ein klarer Überlebensvorteil durch RT in der heutigen Kombinationstherapie mit Androgenrezeptor-Signal-Inhibitoren konnte bislang nicht gezeigt werden.
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Die zunehmende Nutzung der PSMA-PET-CT führt zu einem „Stage-Shift“, dessen Einfluss auf die Therapieentscheidung noch nicht abschließend geklärt ist.
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Die Entscheidung für eine lokalen Therapie sollte individuell getroffen und im interdisziplinären Kontext unter Berücksichtigung der Tumorlast, Bildgebung, Funktionalität und der Patientenpräferenzen diskutiert werden.
Seit den ersten positiven Studienergebnissen zu Kombinationstherapien beim metastasierten hormonsensitiven Prostatakarzinom (mHSPC) im Jahr 2014 stehen im klinischen Alltag mittlerweile routinemäßig verschiedenste Zwei- und Dreifachkombinationen aus Androgendeprivationstherapie (ADT) und Androgenrezeptor-Signal-Inhibitor (ARSI) mit oder ohne Taxan-Chemotherapie zur Verfügung. Inzwischen drängen auch erste zielgerichtete Therapien aus dem kastrationsrefraktären Stadium in frühere Behandlungsphasen.1
Auch die Lokaltherapie des Primärtumors in der Prostata wird in den aktuellen Leitlinien zum mHSPC berücksichtigt – allerdings mit teils widersprüchlichen Empfehlungen. So spricht sich die EAU-Leitlinie (Stand 2025) einerseits für eine Kombination aus ADT und lokaler, nichtkurativer Bestrahlung (RT) des Primärtumors aus („strength rating: strong“), während an anderer Stelle eine RT des Primärtumors lediglich als Add-on zur mindestens zweifachen systemischen Kombination bei Patienten mit Low-Volume-Erkrankung gemäß den CHAARTED-Kriterien (<4 Knochenmetastasen, keine viszeralen Metastasen) empfohlen wird.2
Ein Teil der diesen Empfehlungen zugrunde liegenden Studiendaten stammt noch aus der Ära der ADT-Monotherapie in der Erstlinie des mHSPC, während belastbare Daten zur RT des Primärtumors in Kombination mit mindestens ADT + ARSI erst jüngst veröffentlicht wurden. Auch die radikale Prostatektomie könnte bei ausgewählten Patienten (Low-Volume-mHSPC) eine Behandlungsoption darstellen, erhält jedoch aufgrund der deutlich schwächeren Evidenzlage im Vergleich zur RT derzeit keine Empfehlung.
Doch bei welchen Patienten sollte eine lokale Therapie des Primärtumors im mHSPC diskutiert werden? Welche Bedeutung hat die Kombinationstherapie? Und wie ist der Einsatz molekularer Bildgebung wie des PSMA-PET-CT in der Entscheidungsfindung zu bewerten? Diese Fragen sollen im Folgenden erörtert und als Grundlage für die klinische Entscheidungsfindung dargestellt werden.
Lokale Strahlentherapie in der ADT-Ära
Die randomisiert-kontrollierten Studien HORRAD und STAMPEDE (Arm H) sowie deren gemeinsame Auswertung in der STOPCAP-Metaanalyse untersuchten den Nutzen der lokalen RT beim mHSPC.3–5 Verglichen wurde jeweils das Gesamtüberleben (OS) als primärer Endpunkt zwischen Patienten unter Standardtherapie (SOC) mit ADT-Monotherapie vs. ADT plus RT des Primärtumors. Ab 2014 wurde ADT + Docetaxel zur neuen Standardtherapie, sodass in STAMPEDE auch die Kombination ADT + Docetaxel als SOC erlaubt war, allerdings nur bei einem geringen Anteil der Patienten (18%). Während HORRAD keine Stratifizierung anhand der Metastasenlast vorsah, erfolgte in STAMPEDE eine primäre Einteilung in Low- und High-Volume-Erkrankung. Zur Quantifizierung der Tumorlast kamen damals konventionelle Bildgebungsverfahren (CT und Knochenszintigrafie) zum Einsatz.
Für den primären Endpunkt zeigte die Meta-Regression STOPCAP letztlich keinen signifikanten OS-Vorteil durch die lokale RT in der Gesamtkohorte (HR 0,92; 95% CI: 0,81–1,04), jedoch konnte bei Patienten mit Low-Volume-Erkrankung ein Überlebensvorteil nachgewiesen werden (HR 1,47; 95% CI: 1,11–1,94).5 Beispielhaft sei die Verlängerung des medianen OS von 64 Monaten (SOC) auf 86 Monate (SOC + RT) für den späteren Vergleich genannt.4 Auch sekundäre Endpunkte wie das progressionsfreie Überleben (PFS) und das „failure-free survival“ (FFS) verbesserten sich durch die RT des Primärtumors.
Lokale Strahlentherapie in der ARSI-Ära
Die PEACE-1-Studie untersuchte in einem 2-x-2-faktoriellen Design die Kombination aus ADT ± Docetaxel als SOC ± Abirateron (AAP) ± RT der Prostata. Ko-primäre Endpunkte waren rPFS und OS. Auch hier wurde Docetaxel erst im Studienverlauf als Teil des SOC ergänzt. Die Ergebnisse zu RT und AAP wurden separat publiziert – im Folgenden wird nur die Publikation zur RT betrachtet.6,7
Bei Patienten mit einer Low-Volume-Erkrankung zeigte sich kein Vorteil im rPFS für den SOC + RT vs. SOC (HR 1,08, 99,9% CI: 0,65–1,80). Jedoch verlängerte sich das rPFS durch die maximale Therapievariante aus SOC + AAP + RT gegenüber SOC + AAP (HR 0,65; 99,9% CI: 0,35–1,19) bzw. SOC allein (HR 0,50; 99,9% CI: 0,29–0,88). Für das OS zeigte sich weder in der Gesamtkohorte (HR 0,98; 95% CI: 0,83–1,14) noch in der Low-Volume-Kohorte (HR 0,98; 95% CI: 0,74–1,28) ein signifikanter Vorteil durch die RT.7 Allerdings lag das mediane OS im SOC-Arm bei 83 Monaten (vs. STAMPEDE-SOC + RT: 86 Monate), was u.a. auf den Erhalt eines effektiveren SOC (Docetaxel bei 50% in PEACE-1 vs. 18% in STAMPEDE), aber auch effektivere Folgetherapien und Unterschiede in der Patientenpopulation zurückzuführen sein könnte. Diese Daten legen nahe, dass durch die lokale RT in der ARSI-Ära auch bei Low-Volume-Erkrankung kein Überlebensvorteil mehr zu erzielen ist. Die Verlängerung des rPFS durch RT unter AAP wirft jedoch die Frage nach der Relevanz alternativer Endpunkte auf.
Kastrationsresistenzfreies Überleben und urogenitale Komplikationen
Im Einklang mit den rPFS-Ergebnissen zeigte sich beim kastrationresistenzfreien Überleben kein Vorteil von SOC + RT gegenüber SOC. Allerdings ergab sich eine Verbesserung für SOC + AAP + RT gegenüber SOC + AAP (HR 0,62; 95% CI: 0,44–0,87).
Ein relevanter sekundärer Endpunkt waren schwerwiegende urogenitale Ereignisse. Deren Zahl konnte durch die RT unabhängig von AAP sowohl in der Low-Volume-Kohorte (52 vs. 22 Ereignisse) als auch in der Gesamtkohorte (102 vs. 55 Ereignisse) nahezu halbiert werden. Darunter fielen v.a. transurethrale Prostataresektionen („low volume“: 5,0% vs. 0,5%; „high volume“: 3,9% vs. 0,4%), allerdings wurde auch eine Off-Protokoll-RT der Prostata („low volume“: 8,5%; „high volume“: 5,9%) als Event gezählt, da die vorrangigen Gründe hierfür eine lokale Progression und Obstruktion waren.7
Diskussion
Obwohl PEACE-1 keinen OS-Vorteil für die RT des Primärtumors in der ARSI-Ära zeigen konnte, sollten andere Aspekte wie Verzögerung, Kastrationsresistenz und lokale Tumorkontrolle in die Therapieplanung einfließen. Letztendlich erscheint eine generelle Empfehlung der lokalen RT unabhängig vom Erkrankungsvolumen auf Basis der aktuellen Evidenz nicht gerechtfertigt, vielmehr sollte individuell entschieden werden. Dabei sollten u.a. lokale Tumorcharakteristika, Aggressivität, Komorbiditäten und die Miktionsfunktion des Patienten berücksichtigt werden.
Die eingesetzte Bildgebung beeinflusst die Therapieentscheidung erheblich: Während Studien wie STAMPEDE und PEACE-1 auf konventionelle Bildgebung (CT + Szintigrafie) zurückgriffen, ist das Primärstaging heute häufig PSMA-PET-basiert. Dies führt zu einem „Stage-Shift“ sowohl hinsichtlich des Erkrankungsvolumens als auch des Nachweises von Metastasen.8,9
Da bislang keine Evidenz zur prognostischen Bedeutung dieses Stage-Shifts vorliegt, lassen sich derzeit keine spezifischen Empfehlungen auf Basis PSMA-basierter Befunde ableiten. Die Patientenselektion anhand von PSMA-PET und die gezielte Therapie – z.B. RT von Primärtumor und Oligometastasen – ist Gegenstand aktueller prospektiver Studien, deren Ergebnisse mit Spannung erwartet werden.
Ein weiterer Ansatz der lokalen Therapie ist die radikale Prostatektomie (RPE). Erste prospektive Daten, etwa aus der ProMPT- und der RAMPP-Studie, deuten bei selektionierten Patienten mit Low-Volume-mHSPC auf eine vergleichbare onkologische Wirksamkeit der RT hin, bei potenziell besserer lokaler Tumorkontrolle.10 Angesichts erhöhter perioperativer Morbidität und des Fehlens von direkten Vergleichsdaten zur RT bleibt die RPE jedoch eine experimentelle Option und sollte aktuell nur im Rahmen klinischer Studien erwogen werden.
Literatur:
1 Attard G et al.: Phase 3 AMPLITUDE trial: Niraparib (NIRA) and abiraterone acetate plus prednisone (AAP) for metastatic castration-sensitive prostate cancer (mCSPC) patients (pts) with alterations in homologous recombination repair (HRR) genes. J Clin Oncol [Internet]. 2025; [cited 2025 Jul 3];43(17_suppl). Available from: https://ascopubs.org/doi/10.1200/JCO.2025.43.17_suppl.LBA5006 2 Tilki D et al.: EAU-EANM-ESTRO-ESUR-ISUP-SIOG Guidelines on Prostate Cancer. Part II—2024 Update: Treatment of Relapsing and Metastatic Prostate Cancer. Eur Urol 2024; 86(2): 164-82 3 Boevé LMS et al.: Effect on survival of androgen deprivation therapy alone compared to androgen deprivation therapy combined with concurrent radiation therapy to the prostate in patients with primary bone metastatic prostate cancer in a prospective randomised clinical trial: Data from the HORRAD trial. Eur Urol 2019; 75(3): 410-8 4 Parker CC et al.: Radiotherapy to the prostate for men with metastatic prostate cancer in the UK and Switzerland: Long-term results from the STAMPEDE randomised controlled trial. Brenton JD, editor. PLOS Med 2022; 19(6): e1003998 5 Burdett S et al.: Prostate radiotherapy for metastatic hormone-sensitive prostate cancer: A STOPCAP systematic review and meta-analysis. Eur Urol 2019; 76(1): 115-24 6 Fizazi K et al.: Abiraterone plus prednisone added to androgen deprivation therapy and docetaxel in de novo metastatic castration- sensitive prostate cancer (PEACE-1): a multicentre, open-label, randomised, phase 3 study with a 2 × 2 factorial design. Lancet 2022; 399(10336): 1695-707 7 Bossi A et al.: Efficacy and safety of prostate radiotherapy in de novo metastatic castration-sensitive prostate cancer (PEACE-1): a multicentre, open-label, randomised, phase 3 study with a 2 × 2 factorial design. Lancet. 2024; 404(10467): 2065-76 8 Hofman MS et al.: Prostate-specific membrane antigen PET-CT in patients with high-risk prostate cancer before curative-intent surgery or radiotherapy (proPSMA): a prospective, randomised, multicentre study. Lancet 2020; 395(10231): 1208-16 9 Fendler WP et al.: Prostate-specific membrane antigen ligand positron emission tomography in men with nonmetastatic castration-resistant prostate cancer. Clin Cancer Res 2019; 25(24): 7448-54 10 Rajwa P et al.: Cytoreductive radical prostatectomy for metastatic hormone-sensitive prostate cancer—evidence from recent prospective reports. Eur Urol Focus 2023; 9(4): 637-41
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