
Orthopädie und Hüftbeschwerden: Trends, Diagnosen, Lösungen
Unser Gesprächspartner:
Priv.-Doz. Dr. Florian Sevelda, MSc
Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, Orthopädie und Traumatologie, Sportorthopädie, Rheumaorthopädie
Präsident des BVdO – Berufsverband Österreichischer Fachärzte für Orthopädie
E-Mail: sevelda@ortho1150.at
Das Interview führte Marianne Imhof
Im Interview gibt BVdO-Präsident Priv.-Doz. Dr. Florian Sevelda eine erste Vorschau auf das Programm der diesjährigen Jahrestagung im Dezember 2025 in Wien.
Herr Dr. Sevelda, Sie als Präsident des BVdO haben für die diesjährige Tagung im Dezember den wissenschaftlichen Schwerpunkt auf die Hüfte gelegt. Was sind Ihre Beweggründe dafür?
F. Sevelda: Wir haben das Thema Hüfte gewählt, da es ein wichtiges Thema ist, mit dem man als niedergelassene Orthopädin/niedergelassener Orthopäde sehr häufig konfrontiert wird. In der Niederlassung ist die Hüfte prinzipiell schon eines der Gelenke, wo viele Patient:innen mit verschiedensten Fragestellungen und unterschiedlichsten Alters kommen. Sie begleitet uns damit von der Vorsorge im Kindesalter bis hin zur Versorgung älterer Menschen.
Sind niedergelassene Orthopäd:innen die erste Anlaufstelle, falls der Verdacht auf ein Hüftproblem besteht?
F. Sevelda: Erste Anlaufstelle sind oft Hausärzt:innen, bei jungen Betroffenen häufig Kinderärzt:innen. In der Regel überweisen sie die Patient:innen anschließend an Fachärzt:innen für Orthopädie und Traumatologie. Die Hüfte ist ein Thema, mit dem sich jede:r niedergelassene Orthopäd:in befasst. Im Ordinationsalltag stößt man regelmäßig auf Krankheitsbilder – vom Kleinkind bis ins hohe Alter. Das macht die Hüfte zu einem spannenden Feld in der Niederlassung. Die Versorgung reicht von Neugeborenen über Sportler:innen bis zu älteren Patient:innen. Entsprechend spiegelt sich die Bedeutung der Hüfte auch in der Themenwahl der Referent:innen des Vortragsblocks 2: „Die Hüfte von jung bis alt.“
Das heißt, niedergelassene Orthopäd:innen beginnen ihre Patient:innen bereits im Babyalter zu begleiten. Was bedeutet dies in der Praxis für sie?
F. Sevelda: Das beginnt bereits beim Baby mit der Hüftsonografie, die viele Ordinationen anbieten. Sie ist ein sensibles Feld, da übersehene Befunde Spätfolgen nach sich ziehen können – mit möglicher juristischer Haftung. Eine unzureichende Ausbildung der Hüftpfanne lässt sich früh erkennen. Wird sie rechtzeitig entdeckt, kann man mit einfachen Maßnahmen wie Breitwickeln oder – bei ausgeprägteren Dysplasien – mit einer Schiene behandeln. Das Hüftscreening wurde von Professor Graf in Österreich entwickelt. Heute ist es in vielen Ländern Teil der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und ermöglicht, Fehlentwicklungen frühzeitig abzufangen.
Also ist der klassische Hüftpatient nicht unbedingt fortgeschrittenen Alters. Auch jüngere und sportliche Menschen können z.B. unter Ödemen leiden. Wird dies heutzutage häufiger diagnostiziert?
F. Sevelda: Nein, der klassische Hüftpatient ist nicht automatisch die ältere Person. Die Hüfte betrifft tatsächlich alle Altersgruppen – vom Neugeborenen über Sportler bis hin zu älteren Menschen. Ein Hüftkopfödem kann durch Sport entstehen, muss es aber nicht. Es gibt auch Menschen, die entwickeln ein Hüftkopfödem ganz ohne sportliche Belastung – man vermutet eine Durchblutungsstörung im Kopf. Dass Ödeme häufiger diagnostiziert werden, hängt vor allem mit der Verfügbarkeit von MRT zusammen. Seit es das MRT gibt, erkennt man diese Krankheitsbilder viel besser. Mehr dazu wird uns Dr. Klemens Vertesich, AKH Wien, berichten.
Es wird auch einen Themenschwerpunkt zur Osteoporose geben. Ist dies relevant für niedergelassene Orthopäd:innen?
F. Sevelda: Ja, wir nehmen auch einen Osteoporose-Block ins Programm auf, mit klinischen Fallbeispielen. Osteoporose ist gerade im Zusammenhang mit Hüftfrakturen ein wichtiges Thema.Für niedergelassene Orthopäd:innen ist das absolut relevant. Wir behandeln zahlreiche Patient:innen mit Osteoporose sowie nach operativen Eingriffen bei osteoporotischen Hüftkopf- und Schenkelhalsfrakturen. Im Vordergrund stehen dabei die Beratung und die Verabreichung einer individuell passenden Osteoporosetherapie. Aus positivem Feedback von unserem Thema „Osteoporose“ 2024 entstand die Idee, dass die BVdO-Tagung aktuelles Basiswissen und spezielles Wissen über Osteoporose für Orthopäd:innen vermitteln soll, praxisorientiert und mit Fallpräsentationen von PD Dr. Lothar Seefried und Prof. PD DDr. Roland Koccijan.
Die Vorträge an diesem Tag sind praxisorientiert und sollen interaktiv zur Diskussion einladen. Was können die Teilnehmer:innen erwarten?
F. Sevelda: Wir wollen, dass jede:r etwas mit nach Hause nimmt, das sich wirklich im Alltag einsetzen lässt. Darum arbeiten wir mit konkreten Fallbeispielen, stellen praxisnahe Lösungsansätze vor und laden aktiv zur Diskussion ein. Wer Fragen stellt oder eigene Erfahrungen teilt, profitiert doppelt: Man lernt von den anderen und bekommt gleichzeitig neue Impulse für die eigene Praxis. Die Tagung soll also nicht nur informieren, sondern auch inspirieren – und jeder Beitrag zählt.
Auch gesundheitspolitische Themen werden angesprochen. Wie sieht die Zukunft für niedergelassene Kassen- und Wahlärzt:innen in Österreich aus?
F. Sevelda: Die Zukunft der niedergelassenen Medizin in Österreich steht vor vielen Veränderungen. In den kommenden Jahren wird sich vor allem im Kassenbereich viel tun.
Telemedizinische Angebote wie Tele-Ordinationen werden ausgebaut, Patient:innen sollen verstärkt im extramuralen Bereich behandelt werden – nicht nur im Spital. Gleichzeitig dreht sich die Diskussion um Patient:innenlenkung und die Stärkung der niedergelassenen Versorgung.Für Ordinationsbetreiber spielen organisatorische Themen eine immer größere Rolle. Künstliche Intelligenz kann bereits heute administrative Aufgaben wie den Telefondienst übernehmen und entlastet das Personal. Gerade die Personalrekrutierung bleibt eine zentrale Herausforderung, da es zunehmend schwieriger wird, qualifizierte Mitarbeiter:innen zu finden.Die Tagung bietet eine wichtige Plattform, um sich über diese Entwicklungen auszutauschen.
In den traditionellen Roundtable-Diskussionen sprechen Vertreter der Ärztekammer, der ÖGK und Fachgruppen darüber, wie sich das solidarische Kassensystem und die Praxisabläufe der Zukunft gestalten sollen. Das betrifft jeden niedergelassenen Arzt und jede niedergelassene Ärztin direkt – deshalb ist es so relevant, diese Themen offen zu diskutieren.
BVdO-Jahrestagung
Am Samstag, dem 6. Dezember 2025, findet im Haus der Ingenieure in Wien die diesjährige Jahrestagung statt. Das Programm beschäftigt sich mit vielen Fragestellungen rund um das Thema „Stark aus der Mitte: alles rund ums Hüftgelenk“. Die Veranstaltung ist mit 4 DFP-Punkten der Österreichischen Ärztekammer approbiert, die wissenschaftliche Leitung hat Priv.-Doz. Dr. Florian Sevelda inne. Neben den wissenschaftlichen Sessions wird es auch eine Podiumsdiskussion zur Standespolitik zum Thema „Neue Wege in der Patient:innenversorgung: Chancen und Herausforderungen der niedergelassenen Versorgung“ geben.
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