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Gelenkerhaltende Techniken für das Kniegelenk

Nutzen von Knorpelchirurgie, Meniskuschirurgie, Osteotomien und Biologika

Gelenkerhaltende Strategien bei aktiven Patienten sind eine Herausforderung, insbesondere bei Patienten mit kombiniertem Knorpel- und Meniskusmangel. Begleitende Fehlstellungen und/oder Bandinsuffizienz sind nicht ungewöhnlich und tragen zur Komplexität bei. Bei Patienten, die operiert werden müssen, muss eine vollständige Behandlungsstrategie entwickelt und umgesetzt werden, da eine nicht behandelte Pathologie im Laufe der Zeit typischerweise zu schlechten Ergebnissen führt. Neben rekonstruktiven Verfahren sind sowohl biologische Therapien als auch nichtchirurgische Behandlungen vielversprechend.

Für eine erfolgreiche gelenkerhaltende Behandlung in dieser schwierigen Patientenpopulation ist das Verständnis aller zugrunde liegenden Pathologien, des natürlichen Verlaufs und des Effekts einer geeigneten Behandlung für jede Pathologie essenziell. Eine der größten Herausforderungen in der Behandlung von Patienten mit multiplen Kniepathologien ist es, zu entscheiden, welche Pathologie symptomatisch ist, welche Pathologie behandelt werden muss (auch wenn asymptomatisch) und welche Pathologie unbehandelt bleiben kann.

Kniepathologien

Patienten mit komplexer Kniepathologie haben oft eine oder mehrere der folgende Diagnosen: Meniskusinsuffizienz, Gelenkknorpelschäden, Bandinstabilität und/oder Fehlstellung. Diese Pathologien sind oft miteinander verbunden und müssen in der Beurteilung gewichtet werden.

Meniskusinsuffizienz

Eine Verletzung des Meniskus ist ein besonderes Problem für die Kniegesundheit. Viele Studien beschreiben die nachteilige Auswirkung von Meniskusentfernungen im Hinblick auf das Fortschreiten der Arthrose. Patienten mit totaler oder subtotaler Meniskektomie haben ein 14-mal erhöhtes relatives Risiko für die Entstehung einer unikompartimentellen Arthrose. Schlechte Ergebnisse bei Patienten mit Teilmeniskektomie sind oft assoziiert mit jugendlichem Alter, dem Vorhandensein von Knorpelschäden zum Zeitpunkt der Teilmeniskektomie, Bandinstabilitäten und tibiofemoraler Fehlstellung. Zusätzlich sind die Ergebnisse der Meniskusnaht und der Meniskusallotransplantation (MAT) bei Patienten mit unbehandelter Bandinstabilität, Fehlstellung und/oder Knorpelpathologie schlecht. Das Vorhandensein von gleichzeitigen Kniepathologien hat einen erheblichen Einfluss auf die Ergebnisse von Meniskusoperationen.

Gelenkknorpelläsionen

Knorpelschäden können einerseits die Folge einer Meniskusinsuffizienz sein, treten aber auch isoliert auf. Insgesamt sind Gelenkknorpelschäden sehr häufig und bei bis zu 65% der Patienten, die sich einer Kniearthroskopie unterziehen, vorhanden. Die Auswirkungen von vollschichtigen Knorpelschäden können für das Kniegelenk beträchtlich sein. Die Veränderung der Gewichtsverteilung verändert die Kräfte im Kniegelenk und konzentriert diese auf den Rand des Defektes und die gegenüberliegende Gelenkfläche. Durch die Verringerung der Gesamtkontaktfläche erhöht sich der Spitzenstress, der wiederum zu degenerativen Veränderungen und zu Symptomen führt.

Bandinstabilität

Bandinstabilität, insbesondere in Bezug auf das vordere Kreuzband (ACL), trägt zur Entstehung von degenerativen Veränderungen im Kniegelenk bei. In einer Studie mit 364 Patienten mit einem isolierten Kreuzbandriss wurden bei einer nichtchirurgischen Behandlung Ratios von 18 und 14,2 in Bezug auf das Risiko von sekundären Meniskusrissen und Arthrose im Vergleich zu einer alters- und geschlechtsangepassten Kohorte beschrieben. Etwa 50% der Patienten mit ACL-Insuffizienz und Meniskusrissen entwickeln 10–20 Jahre nach der Verletzung eine symptomatische Arthrose. In der Ganganalyse zeigen ACL-insuffiziente Kniegelenke deutlich weniger Flexion als ACL-intakte Kniegelenke. Zusätzliche Meniskuspathologien verändern dramatisch die Kinematik des Kniegelenkes mit Zunahme der vorderen Tibiatranslation während einer Gehaktivität in der Ebene. Dies unterstreicht wiederum die Verbindung zwischen multiplen Kniepathologien.

Fehlstellung

Fehlstellungen sind eine häufige Ursache für Knieschmerzen und können enorme Auswirkungen auf die allgemeine Gesundheit des Kniegelenkes haben. Unter normalen physiologischen Bedingungen werden 60% des Körpergewichts über das mediale Gelenkkompartment getragen. Varusfehlstellung führt zu einer medialen Überlastung, während Valgusfehlstellung zu eine lateralen Überlastung führt. Eine Fehlstellung kann klinisch lange Zeit asymptomatisch sein und wird oft erst nach einer Verletzung klinisch relevant. Ein häufiges klinisches Szenario stellt ein zuvor asymptomatischer Patient dar, der sein ganzes Leben mit einer Varusfehlstellung gelebt hat und durch eine Verletzung einen neuen, großen, symptomatischen Knorpelschaden am medialen Femurkondylus entwickelt hat. Für die erfolgreiche Therapie des Knorpelschadens ist es nun entscheidend, ob sie in Kombination mit einer hohen tibialen Osteotomie (HTO) erfolgen sollte. Osteotomien sind mit Risiken verbunden, einschließlich Infektion, Pseudarthrosen und neurovaskulären Schäden.

Evaluierung

Tab. 1: Befunde bei Patienten mit einem fokalen chondralen Defekt und begleitender Kniegelenkspathologie

Im Allgemeinen kann die Evaluierung dieser Patientenpopulation schwierig sein, selbst für erfahrene Chirurgen. Patienten mit mehreren Kniepathologien haben oft mehrere ipsilaterale Knieoperationen durchlaufen und es kann schwer zu bestimmen sein, ob die aktuellen Symptome des Patienten mit der ursprünglichen Verletzung, den stattgefundenen Operationen oder mit einer neuen Verletzung in Zusammenhang stehen. Oft ist es auch schwer zu bestimmen, welche der Pathologien am meisten zu den Symptomen des Patienten beitragen. Generell haben Patienten mit einer anamnestischen Knieverletzung ein 7,4-fach erhöhtes Risiko für ein Fortschreiten der Kniegelenksarthrose im Vergleich zu Patienten ohne Verletzung.

Radiologisch-diagnostische Studien, einschließlich Röntgenaufnahmen und weiterführender Bildgebung, sind sehr hilfreich bei der Auswertung von Patienten mit komplexer Kniepathologie. Wenn vorhanden, sind chirurgische Berichte und intraoperative Bilder und/oder Videos von früheren arthroskopischen Eingriffen hilfreich in der allgemeinen Bewertung. Beratungen von Patienten und Angehörigen im Hinblick auf mögliche Aktivitäten, aber auch Einschränkungen nach Kniegelenkerhalt sind wichtig, um ein zufriedenstellendes Endergebnis sicherzustellen.

Erhaltungschirurgie am Kniegelenk

Im Allgemeinen haben Patienten mit mehreren Kniepathologien Schmerzen und Funktionseinschränkungen. Meist haben sie in der Anamnese mehrere vorangegangene ipsilaterale chirurgische Eingriffe und suchen eine chirurgische Alternative zur nichtchirurgischen Behandlung. Die nichtchirurgischen Behandlungsoptionen können helfen, Schmerzen zu lindern, und umfassen Gewichtsverlust, Aktivitätsmodifikation, orale entzündungshemmende Medikamentation, Entlastungsorthesen, Kryotherapie, Kompressionstherapie, Physiotherapie, Injektionstherapie mit intraartikulären Kortikosteroiden, Viskosupplementierung und biologische Injektionen.

Eine Zusammenfassung der chirurgischen Techniken zum Kniegelenkerhalt, die isoliert oder in Kombination durchgeführt werden können, ist in der Tabelle 2 aufgelistet.

Tab. 2: Operationstechniken zum Erhalt des Kniegelenks

Gleichzeitige versus stufenweise Verfahren

Je nach Indikation können OP-Techniken zum Erhalt des Kniegelenks gleichzeitig oder stufenweise durchgeführt werden. Ein gleichzeitiger Ansatz erfordert oft eine längere Operationsdauer und kann mit einer schwierigen und langen postoperativen Genesung einhergehen. Stufenweises Vorgehen kann vorteilhaft sein, weil es sich um kürzere chirurgische Eingriffe handelt, die meist mit einer schnelleren postoperativen Genesung verbunden sind. Insgesamt ist es oft extrem schwierig, zu bestimmen, welche Kombination von verfügbaren Verfahren absolut notwendig ist. Häufig ist es unklar, welche Pathologie für die Symptome verantwortlich ist. Auch die Interpretation von klinischen Ergebnissen kann schwierig sein, da die gängigen klinischen Outcome-Scores das Ergebnis oft nicht richtig widerspiegeln. Auch zeigen die publizierten Studien sehr heterogene Ergebnisse, beschreiben kleine Fallzahlen und lassen oft eine Vergleichsgruppe vermissen.

Wichtige Ergebnisse von Patienten mit mehreren konkomitanten Operationstechniken sind folgende:

Allografttransplantationen

Meniskus-Allografttransplantation (MAT) und osteochondrale Allografttransplantation (OCA):

  • MAT in Kombination mit OCA ist kein unabhängiger Risikofaktor für das Versagen oder für eine Revisionschirurgie.

  • Die Anzahl früherer ipsilateraler Knieoperationen ist prädiktiv für eine Revisionsoperation und Operationsversagen bei Patienten, die sich einer OCA unterziehen.

  • Patienten mit bipolaren Läsionen und Patienten mit Läsionen von > 4 cm2, die sich einer OCA unterziehen, haben schlechtere Ergebnisse im Vergleich zu Patienten mit unipolaren Läsionen und Patienten mit kleineren Läsionen.

  • Die Ergebnisse von Patienten, die sich einer MAT in Kombination mit OCA unterziehen, unterscheiden sich nicht wesentlich von denen von Patienten, die sich einer isolierten MAT unterziehen.

Umstellungsosteotomie

Hohe tibiale Osteotomie (HTO), distale femorale Osteotomie (DFO), „Tibialtubercle“-Osteotomie (TTO):

  • HTO in Kombination mit einer Knorpelwiederherstellung zeigt etwas bessere 5-Jahres-Überlebensraten als die isolierte HTO oder HTO in Kombination mit MAT.

  • Patienten mit Patella- oder Trochlealäsionen, die sich einer autologen Chondrozytenimplantation (ACI) in Kombination mit TTO unterziehen, haben eine deutliche Schmerzverbesserung und eine verbesserte Funktion im Vergleich zu Patienten mit Patella- oder Trochlealäsionen, die sich einer isolierten ACI unterziehen.

  • Patienten, die sich einer ACI in Kombination mit einer Umstellungsosteotomie unterziehen, zeigen verbesserte Ergebnisse im Vergleich zu Patienten, die sich einer isolierten ACI unterziehen.

Rolle der biologischen Therapien

Die Verwendung von Biologika für das Management des Gelenkknorpels hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Mit Zunahme der wissenschaftlichen Erkenntnisse können Biologika helfen, Gelenkentzündungen vorzubeugen und die Progression von Knorpelläsionen zu beeinflussen; sie spielen zunehmend eine Rolle in der nichtchirurgischen und chirurgischen Behandlung von Osteoarthrose. Die biologischen Wirkstoffe, die am häufigsten für den Gelenkknorpel und das Meniskusmanagement verwendet werden, sind plättchenreiches Plasma (PRP), mesenchymale Stammzellen (MSCs) und biologische Scaffolds.

PRP ist ein autologes Produkt, produziert nach einer Standard-Venenpunktion durch Zentrifugationstechniken, die die Blutplättchen über dem Ausgangsniveau konzentrieren. Thrombozyten sind von Interesse, weil sie eine Vielzahl von Wachstumsfaktoren enthalten, die lokale Effekte stimulieren, wie Gefäßneubildung, Zellproliferation und die Förderung der direkten Zelldifferenzierung.

Stammzellen werden untergliedert in autolog oder allogen. Autologe MSCs werden hauptsächlich aus dem Knochenmark und dem Fettgewebe gewonnen. Allogene Stammzellen unterliegen einer strengen Regulation und werden derzeit nur im Rahmen von Studien verwendet. Generell sind die Zulassungsbedingungen für die Verwendung von Stammzellen unklar und in vielen Ländern unterschiedlich geregelt. Weiters müssen die Ergebnisse großer Studien abgewartet werden, um eine endgültige Aussage über deren Indikationen treffen zu können.

Die Verwendung von Scaffolds dient der Erweiterung von kniegelenkerhaltenden chirurgischen Techniken, wie matrixinduzierter ACI (MACI) und membranassoziierter Knochenmarkstimulation. Die Scaffolds werden danach kategorisiert, ob sie synthetisch oder biologisch hergestellt sind. Die Materialien der Scaffolds umfassen Proteinpolymere (Kollagene und Fibrin), Kohlenhydrate, Polymere (Hyaluronsäure), synthetische Polymere und Polymercomposits.

Die Interpretation der Literatur zur Verwendung von PRP, Stammzellen und Scaffolds ist eine Herausforderung, weil Langzeitstudien oft fehlen und durch die Heterogenität der eingesetzten Mittel Vergleiche oft sehr schwierig sind. Selbst Studien, die dieselbe Methode (z.B. PRP) analysieren, können aufgrund der Heterogenität in der Herstellung und Präparation die Interpretationen der Ergebnisse erschweren. In Zukunft sollten biologische Therapien in systematischen Forschungsprojekten im Rahmen von regulierter Forschungsförderung untersucht werden, damit Klarheit über die Wirksamkeit und die Indikationen herrscht.

Zusammenfassung

Patienten mit mehreren Kniepathologien, einschließlich Gelenkknorpeldefekten, Meniskusmangel, Bandinsuffizienzen und/oder Fehlstellung, sind jene Patienten, die am schwierigsten mit gelenkerhaltenden Techniken zu behandeln sind. Die klinische Entscheidungsfindung ist eine Herausforderung, vor allem, weil die meisten Patienten jung sind und hohe Erwartungen an die Rückkehr zu normalen, altersentsprechenden Tätigkeiten haben. Im vergangenen Jahrzehnt hat die Anzahl klinischer Studien zu biologischen Therapietechniken exponentiell zugenommen, wobei die meisten Studien über sehr gute Sicherheitsprofile und ermutigende kurzfristige Ergebnisse berichten. Zusätzliche Langzeitstudien sind notwendig, um die Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von gelenkserhaltenden Techniken zu bestimmen.

beim Verfasser

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