Low- versus High-Viscosity-Zement

Gibt es Unterschiede in der Zementiertechnik und Ergebnisqualität?

Die Verwendung von niedrig- und hochviskösem Zement wird regelmäßig diskutiert, jedoch ist eigentlich die Anwendung durch ihre unterschiedliche Anfangsviskosität geprägt, nämlich das leichtere Eindringen des flüssigeren niedrigviskösen Zementes in den Knochen versus die leichtere Anwendung des plastischen hochviskösen Zementes am Implantat. Das Ergebnis hängt stark von der Anwendungstechnik selbst ab, denn hier sind Fehler zu vermeiden.

Keypoints

  • Die regelmäßige Schulung des gesamten OP-Personals zur Anwendung des Zementproduktes ist erforderlich.

  • Die Zementierungsqualität hängt stark von der Anwendung und Verarbeitung des Zementes ab.

  • Das Ergebnis der Knochenverankerung des Zements ist multifaktoriell und in Einzelstudien schwer abbildbar. Registerergebnisse werden hierzu Klärung bringen.

In gewissen Abständen taucht immer wieder die Diskussion auf, ob für die Zementierung einer Endoprothese niedrig- oder hochvisköse Knochenzemente vorteilhafter sind. Insbesondere Frühlockerungen mit Verlust des Knochen-Zement-Kontaktes an der Tibia werden in der Literatur in Bezug mit dem Verwenden von hochviskösem Zement gebracht.5 Einzelne Publikationen präferieren jeweils ein Produkt, doch wie die Vergangenheit gezeigt hat, war es erst mit Registerergebnissen klarer, welche Zemente versagt hatten. Damals war die Versagensrate von low-viskösem Zement höher. Nun sehen manche Autoren wieder dessen Vorteil.2

Das Thema ist insgesamt sehr komplex, denn viele Faktoren beeinflussen die gute oder schlechte Verankerung einer zementierten Knieprothese.6 Des Weiteren rücken Frühlockerungen immer mehr in den Brennpunkt von Gerichtsverfahren mit der Fragestellung, ob es bei der Zementierung der Prothese zu Fehlern kam. Umso wichtiger ist es nachzuweisen, dass Operateur und OP-Personal für die verwendeten Produkte eingeschult sind, so wie es die Gesetzeslage fordert.

Knochen-Zement-Kontaktfläche und Knochenpräparation

Es ist mittlerweile unbestritten, dass die Knochenoberfläche mit einer Jet-Lavage gereinigt werden muss, um eine möglichst großflächige Verankerung des Zementes in der offenen Spongiosa zu erreichen. Mit kleinen Bohrungen können hierzu sklerotische Knochenareale vorbehandelt werden.6

Knochenzementanmischung

Hier liegt der Unterschied der diskutierten Knochenzemente, nämlich in ihrer Anfangsviskosität. Der niedrigvisköse Zement hat nach dem Anmischen eine sehr flüssige Konsistenz, ein hochvisköser Zement eine deutlich festere Konsistenz.

Bei der Anmischung jedweden Zementes ist den Gebrauchsanweisungen des Herstellers unbedingt Folge zu leisten. Ein Vorkühlen des Zementes ist absolut nicht notwendig, denn dies würde seine Verarbeitungs- und Polymerisierungsphase unkontrolliert verlängern.

Um eine gleichbleibende Zementzusammensetzung zu gewährleisten, setzen sich geschlossene Vakuummischsysteme durch. Ein händisches Anrühren des Zementes ist nicht lege artis. Wichtig erscheint es dem Autor, dass Operateur und Pflege im Umgang mit Knochenzement zu schulen sind, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten.

Implantat-Zement-Kontaktfläche

Der frisch abgemischte Zement sollte zuerst auf die zu zementierenden Flächen der Prothese aufgetragen werden (Abb. 1). Hierbei geht der Zement eine chemische Verbindung mit der Oberfläche der Prothese ein, wodurch der Kontakt mit der Prothese deutlich erhöht wird. Dies wurde in Aus- und Abziehversuchen bestätigt.

Abb. 1: Aufbringen des Zementes auf das Implantat: a) Tibia, b) Femur

Hochvisköse Zemente lassen sich hierbei sehr gut auf die Prothesenteile auftragen, niedrigvisköse Zemente sind zu flüssig, um gut aufgetragen zu werden.1,3,6

„Pressurization“ und Eindringen inden Knochen

Im Vergleich zur Hüftendoprothetik ist ein Einpressen des Zementes in die Spongiosa des Knies über 1 Minute nur sehr schwer möglich. Bei Verwendung eines flachen Zementspritzenaufsatzes kann der Zement aber orthograd in die Spongiosa eingepresst werden (Abb. 2). Danach ist ein Nachpressen mit einem sauberen Meißel zu empfehlen (Abb. 3). Zumindest erreicht man mit dieser Technik ein deutlich besseres Eindringen des Zementes in die Spongiosa. Diese Technik verwendet der Autor bei hochviskösem Zement.

Abb. 2: Einpressen des Zementes in die Spongiosa der Tibia mit der Zementspritze

Abb. 3: Einpressen des Zementes in die Tibia mit einem Meißel

Niedrigvisköse Zemente haben die Eigenschaft, dass sie aufgrund ihrer flüssigeren Konsistenz leichter in kleine Knochenstrukturen eindringen können, weswegen sie häufiger in der Ellenbogen- und Schulterprothetik verwendet werden.

Zementierung der Tibia- und Femurkomponente

Die rezente Literatur zeigt deutlich, dass das Zementieren inklusive des Tibiaverankerungszapfens zu deutlich besseren Ergebnissen führt als die rein zementaugmentierte Implantation, bei der der Verankerungszapfen zementfrei implantiert wird.1

Im Vergleich zur Tibia ist die Zementierung der Femurkomponente wesentlich weniger fehleranfällig, da es durch die Form des Femurs zu einem guten Formschluss kommt und so ausreichend und gleichmäßig Druck auf den Zement ausgeübt werden kann.

Polymerisation und Aushärtephase

Es ist absolut wichtig, dass die frisch implantierten Komponenten während der Aushärtung des Zementesreponiert in Streckung und ohne weitere Bewegung gelagert werden. Nach Ablauf der Zementaushärtungszeit kann mit einer Skalpellklinge an einem Interface die Härte des Zementes kontrolliert werden. Im Zweifel sollte dem Zement zum Aushärten noch Zeit gegeben werden, denn die endgültige Aushärtung hängt von der Temperatur im OP und der Zementlagerung ab. Wird das Knie zu früh bewegt, besteht die Gefahr einer Lockerung zwischen Zement und Knochen, welche nicht unmittelbar auffällt, aber zum Implantatverlust nach einem halben bis 1 Jahr führt.

Low- versus High-Viscosity-Zement

Neuere Literatur zeigt für die niedrigviskösen Zemente teils Vorteile, teils keine Unterschiede bei der Implantation von Knieendoprothesen.7 Hierbei ist in allen Studien nicht klar, ob alle o.g. Kriterien in der zementierten Implantationstechnik streng eingehalten wurden. Des Weiteren sind die Stückzahlen in den rezenten Studien sehr gering, sodass ein Anwendungsbias sehr gut möglich ist. In einer Registerstudie war die Fehlerrate von hochviskösen Zementen höher als bei niedrigviskösen.2 Es bleibt abzuwarten, was andere Register hierzu berichten werden.4

Der Autor verwendet nun seit bald 30Jahren hochviskösen Zement und ist mit seinen Ergebnissen hochzufrieden. Es ist meines Erachtens noch zu früh, um eine definitive Aussage treffen zu können. Es bleibt zu hoffen, dass uns hierbei Registerergebnisse in der Entscheidung helfen, da durch die hohe Anzahl der Endoprothesen die durch Anwendungsfehler in der Handhabung von Knochenzement bedingten Effekte vernachlässigbar werden.

1 Billi F et al.: Techniques for improving the initial strength of the tibial tray-cement interface bond. Bone Joint J 2019; 101-B(1 Supple A): 53-8 2 Buller LT et al.: Primary total knee arthroplasty performed using high-viscosity cement is associated with higher odds of revision for aseptic loosening. J Artrhoplasty 2020; 35(6S): S182-9 3 Grupp TM et al.: Tibial implant fixation behavior in total knee arthroplasty: a study with five different bone cements. J Arthroplasty 2020; 35(2): 579-87 4 Kelly MP et al.: Trends in the use of high-viscosity cement in patients undergoing primary total knee arthroplasty in the United States. J Arthroplasty 2018; 33(11): 3460-4 5 Kopinski JE et al.: Failure at the tibial cement-implant interface with the use of high-viscosity cement in total knee arthroplasty. J Artrhoplasty 2016; 31(11): 2579-82 6 Refsum AM et al.: Cementing technique for primary knee arthroplasty: a scoping review. Acta Orthop 2019; 90(6): 582-9 7 Rizzo GR et al.: High-viscosity versus a lower-viscosity cement penetration at dough phase in vivo in primary total knee arthroplasty. J Arthroplasty 2021; 36(6): 1995-9

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