Extrakorporale Stoßwellentherapie beim akuten spinalen Trauma

<p class="article-intro">Nach erfolgreicher Grundlagenforschung und ersten klinischen Erfahrungen besteht erstmals berechtigte Hoffnung, Patienten nach frischen Querschnittverletzungen eine kausale Therapie anbieten zu können.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bereits in den sp&auml;ten 1980er-Jahren wurde die extrakorporale Sto&szlig;welle erstmals am Patienten zur Desintegration von Nierensteinen eingesetzt. Mittlerweile ist die Nierensteinlithotripsie &bdquo;GoldStandard&ldquo; in der Urologie geworden. Die Behandlung ist nicht invasiv und weitgehend komplikationslos.</p> <p>1986 beschrieb der Urologe Gerald Haupt bei R&ouml;ntgenkontrollen nach Uretersteinbehandlungen Verdickungen der Darmbeinschaufel, womit sich erstmals eine stimulierende Interaktion zwischen Sto&szlig;wellen und biologischem Gewebe (in diesem Fall Knochen) zeigte. Auch bei der Behandlung von chronischen Tendinopathien zeigte die Sto&szlig;welle gute klinische Ergebnisse, sodass sie sich prim&auml;r in der Orthop&auml;die und Unfallchirurgie durchzusetzen begann.</p> <h2 class="Zwischentitel-1">Gesundes und pathologisches Gewebe reagieren unterschiedlich</h2> <p>Erst als &ndash; durch Zufall &ndash; der regenerative Einfluss der Sto&szlig;welle bei Wundheilungsst&ouml;rungen und chronischen Wunden beobachtet wurde, begann man zunehmend, den Wirkmechanismus der Sto&szlig;welle zu untersuchen. Mittlerweile gibt es &uuml;ber 500 Arbeiten, die sich mit diesem Thema auseinandersetzen. Ganz offensichtlich werden durch die Sto&szlig;welle Zug-, Druck- und Scherkr&auml;fte ins Gewebe eingebracht, die dort eine biologische Reaktion ausl&ouml;sen. Dieser Effekt wird als Mechanotransduktion bezeichnet. Die Umwandlung von mechanischen Kr&auml;ften in biologische Reaktionen ist uns durchaus bekannt und vertraut, man denke nur an die Vermehrung der Muskelmasse durch k&ouml;rperliches Training oder den Einfluss von mechanischer Belastung auf den Metabolismus des Knochens: Schon Aufenthalte von 10 bis 12 Wochen im Weltraum ver&auml;ndern die kn&ouml;cherne Struktur der Betroffenen derma&szlig;en, dass nach R&uuml;ckkehr auf die Erde Spontanfrakturen bei allt&auml;glicher Belastung beobachtet wurden.</p> <p>So konnte die Grundlagenforschung nachweisen, dass unter dem Einfluss der Sto&szlig;welle Wachstumsfaktoren freigesetzt werden, die die Gef&auml;&szlig;neubildung anregen. Man stellte fest, dass Gewebe nicht stereotyp reagieren, sondern unterschiedlich, je nach Auspr&auml;gung der Pathologie. So reagiert isch&auml;misches Gewebe deutlich st&auml;rker als gesundes. Zus&auml;tzlich konnte ein entz&uuml;ndungsmodulierender Effekt der Sto&szlig;welle nachgewiesen werden. Besonders faszinierend sind die Arbeiten, die zeigen, dass unter dem Einfluss der Sto&szlig;welle auf pathologisches Gewebe k&ouml;rpereigene Stammzellen rekrutiert werden, sich vermehrt im behandelten Gewebe ansiedeln (&bdquo;homing&ldquo;) und dort auch ihre Differenzierung gef&ouml;rdert wird.</p> <h2 class="Zwischentitel-1">Erste Studie bei Querschnitt&shy;patienten begonnen</h2> <p>Die Grundlagenforschung konnte diese regenerativen Effekte auch am peripheren Nerven nachweisen, sodass bereits der erste klinische Versuch bei frisch verletzten Fingernerven im AUVA-Traumazentrum Wien begonnen wurde. Es ist daher nur allzu verst&auml;ndlich, dass auch die Wirkung der Sto&szlig;welle am R&uuml;ckenmark sowie am zentralen Nervensystem zunehmend Aufmerksamkeit gewann. Auch bei diesen Geweben konnte nachgewiesen werden, dass die Sto&szlig;welle die Heilung beschleunigt und zum Teil erst erm&ouml;glicht. Deshalb wurde unter der &Auml;gide der AUVA die erste prospektive, randomisierte, doppeltgeblindete Studie bei chronischen Querschnittpatienten begonnen. Da es sich um eine &bdquo;Proof of principles&ldquo;-Studie handelt, wurden Patienten ausgew&auml;hlt, bei denen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine spontane Verbesserung zu erwarten war. Es wurden nur Patienten mit kompletten Querschnittl&auml;sionen (ASIA A) mindestens ein Jahr nach dem Trauma ohne Zeichen einer Spontanremission in den letzten 6 Monaten in diese Studie eingeschlossen. Die Studie wurde 2015 begonnen und bisher schloss man 32 von den insgesamt 50 geplanten Patienten darin ein. Da es sich um eine geblindete Studie handelt, gibt es noch keine Ergebnisse. Wesentlich aber ist, dass es zu keinen unerw&uuml;nschten Nebenwirkungen gekommen ist. Die Studie kann voraussichtlich 2019 abgeschlossen werden. Abbildung 1 zeigt an einem Modell, wie einfach die Sto&szlig;wellenbehandlung durchzuf&uuml;hren ist. Es werden paravertebral je 2500 Impulse ins Gewebe eingebracht, was einer Behandlungsdauer von knapp 17 Minuten entspricht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s32.jpg" alt="" width="250" /></p> <p>Zwischenzeitlich hat sich die Grundlagenforschung, vor allem im Ludwig Boltzmann Institut f&uuml;r experimentelle und klinische Traumatologie in Wien und an der Herzchirurgie der Universit&auml;t Innsbruck, intensiv mit der Applikation der Sto&szlig;welle bei der akuten Sch&auml;digung des R&uuml;ckenmarks auseinandergesetzt. Die Effekte in Zellkulturen, vor allem aber im Tiermodell, zeigten Ergebnisse, die unsere Erwartung bei Weitem &uuml;bertrafen.</p> <h2 class="Zwischentitel-1">Herzchirurgen entdecken kausale Therapie nach isch&auml;mischen R&uuml;ckenmarkssch&auml;digungen</h2> <p>Im Rahmen von Aneurysmaoperationen kann es in bis zu 30 % der F&auml;lle zur isch&auml;mischen Sch&auml;digung des R&uuml;ckenmarks mit entsprechender Querschnittsymptomatik kommen. F&uuml;r diese Patienten gibt es derzeit keine kausale Therapie. An der Herzchirurgie der Universit&auml;t Innsbruck wurde unter der F&uuml;hrung von PD Dr. Johannes Holfeld in einem Tiermodell nachgewiesen, dass unmittelbar nach isch&auml;mischer Sch&auml;digung des R&uuml;ckenmarks (Klemmen der Aorta) die applizierte Sto&szlig;wellentherapie die Sch&auml;den signifikant reduzieren kann (Abb. 2&ndash;4). Die Ergebnisse dieser Studie wurden im &bdquo;Journal of the American Heart Association&ldquo; ver&ouml;ffentlicht.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s32_2.jpg" alt="" width="1456" height="1997" /></p> <p>Diese Ergebnisse waren so &uuml;berzeugend, dass nun eine prospektive, nicht kontrollierte Studie begonnen wurde, bei der Patienten nach isch&auml;mischem Spinaltrauma m&ouml;glichst fr&uuml;hzeitig mit Sto&szlig;wellen behandelt werden. Die ersten Ergebnisse sind sehr ermutigend, wenngleich aus verst&auml;ndlichen Gr&uuml;nden keine Vergleichsgruppe gebildet werden kann.</p> <h2 class="Zwischentitel-1">Laufende Studie erforscht Wirkmechanismus der Sto&szlig;welle am R&uuml;ckenmark</h2> <p>Parallel dazu startete eine experimentelle R&uuml;ckenmarkstudie im Ludwig Boltzmann Institut f&uuml;r experimentelle und klinische Traumatologie in Wien, in der die Effekte einer Sto&szlig;wellenbehandlung in der subakuten (2 Wochen post Trauma) und chronischen Phase nach einem Kontusionsschaden untersucht werden (Abb. 5).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s32_3.jpg" alt="" width="250" height="332" /></p> <p>Abgesehen von einer umfangreichen funktionellen und morphologischen Auswertung, besteht ein wesentlicher Fokus dieser Studie in der Erforschung der zugrunde liegenden Mechanismen, welche durch die Sto&szlig;wellenbehandlung induziert werden. Dabei wird den Tieren zu bestimmten Zeitpunkten vor, w&auml;hrend und nach der Therapie Blut abgenommen und ein microRNA-Screening durchgef&uuml;hrt. Durch die Analyse der verschiedenen microRNA- Expressionsmuster werden Ver&auml;nderungen auf zellul&auml;rer und subzellul&auml;rer Ebene aufgedeckt und damit wird ein R&uuml;ckschluss auf die Wirkung der Sto&szlig;welle gezogen.</p> <p>Mithilfe einer innovativen und hochaufl&ouml;senden &micro;CT-Bildgebung k&ouml;nnen, nach F&auml;rbung mit Lugol&rsquo;scher L&ouml;sung, Ver&auml;nderungen auf morphologischer Ebene detailliert dargestellt und im Anschluss histologisch bzw. immunhistochemisch analysiert werden (Abb. 6).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1804_Weblinks_s32_4.jpg" alt="" width="1417" height="944" /></p> <p>Erste Ergebnisse der noch laufenden Studie zeichnen ein vielversprechendes Bild. Im Modell der chronischen Kontusion konnte ein signifikant verbessertes funktionelles Ergebnis im &bdquo;open field walking test&ldquo;, dem sogenannten BBB-Score, im Vergleich zur Kontrollgruppe festgestellt werden. Erste Ergebnisse des microRNA-Screenings werden in den kommenden Tagen erwartet.</p> <p>Die komplette Auswertung des subakuten und chronischen Versuchsaufbaus ist bis Ende 2018 vorgesehen. Anhand der bereits vorliegenden Ergebnisse sind wir sehr zuversichtlich, einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung der zugrunde liegenden Mechanismen einer Sto&szlig;wellenbehandlung zu einem subakuten und chronischen Zeitpunkt nach einem Kontusionstrauma des R&uuml;ckenmarks leisten zu k&ouml;nnen.</p> <h2 class="Zwischentitel-1">Klinische Studie zur Behandlung des akuten Spinaltraumas f&uuml;r 2019 geplant</h2> <p>Eine &Uuml;bersicht &uuml;ber diese zum Teil wirklich spektakul&auml;ren Entdeckungen wurde im Rahmen der ASCIS-Sitzung im Oktober 2017 w&auml;hrend des Kongresses der &Ouml;GU einem breiteren Publikum vorgestellt. Aufgrund der &uuml;berzeugenden Datenlage und der Tatsache, dass derzeit keine andere kausale Therapie f&uuml;r eine klinische Anwendung beim akuten Spinaltrauma zur Verf&uuml;gung steht, haben sich alle Vorst&auml;nde der Universit&auml;tskliniken &Ouml;sterreichs sowie die Primare der AUVA-Unfallkrankenh&auml;user bereit erkl&auml;rt, an einer solchen klinischen Studie teilzunehmen. Um &ouml;sterreichweit eine m&ouml;glichst fl&auml;chendeckende Versorgung aller Patienten mit frischen Querschnittverletzungen zu erm&ouml;glichen, haben auch die Vorst&auml;nde des Landeskrankenhauses Feldkirch und des Donauspitals in Wien ihre Teilnahme zugesagt.</p> <p>Die Realisierung dieser Studie wird durch die Unterst&uuml;tzung der AUVA und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversit&auml;t Salzburg gew&auml;hrleistet. Dies zeigt, dass die AUVA nicht nur in der Unfallheilbehandlung und Rehabilitation von Patienten, sondern auch in der traumatologischen Forschung eine ganz zentrale, unersetzbare Rolle spielt. An dem Studiendesign wird bereits intensiv gearbeitet und wir hoffen, es bis zum Sp&auml;therbst den zust&auml;ndigen Ethikkommissionen vorlegen zu k&ouml;nnen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Lobenwein D et al.: Shock wave treatment protects from neuronal degeneration via a toll-like receptor 3 dependent mechanism: implications of a first-ever causal treatment for ischemic spinal cord injury. J Am Heart Assoc 2015; 4(10): e002440</p> </div> </p>
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