
Wie behandle ich Patient*innen der Hochrisiko-Gruppe?
Bericht:
Jasmin Gerstmayr, MSc
Review von:
Assoc. Prof. Priv.-Doz.
Dr. Maria Krauth
Oberärztin
Stellvertretende Leiterin der hämatologischen Ambulanz
Klinik für Innere Medizin I
Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie
Medizinische Universität Wien
E-Mail: maria.krauth @meduniwien.ac.at
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Patient*innen mit multiplem Myelom (MM), die zur Hochrisiko-Gruppe stratifiziert werden, waren bei klinischen Studien lange Zeit unterrepräsentiert. Dies ändert sich nun zunehmend und es stehen mehr und mehr Daten zu verschiedenen Therapieansätzen zur Verfügung. Dennoch bleibt die optimale Behandlung eine Herausforderung. Diese lohnt es sich jedoch zu meistern.
Unterschiedliche Faktoren können den Krankheitsverlauf beim multiplen Myelom (MM) negativ beeinflussen. Man unterscheidet dabei zwischen patientenspezifischen und erkrankungsspezifischen Risikofaktoren. Zu Ersteren zählen etwa Alter, Gebrechlichkeit und Komorbiditäten, zu Zweiteren zytogenetische Veränderungen und gewisse Verlaufsformen wie die Plasmazell-Leukämie oder eine extramedulläre Erkrankung.
Anhand von Staging-Modellen können MM-Patient*innen stratifiziert werden. Gängig ist das „Revised International Staging System“ (R-ISS), bei welchem verschiedene Faktoren, wie Marker für die Hochrisiko-Zytogenetik, miteinbezogen werden. Klar ist: Das Outcome der Patient*innen unterscheidet sich je nach Risikoprofil.
Ziel ist es, besonders effektive Therapien für Hochrisiko-Patient*innen zu verwenden, sodass diese eine tiefe Remission mit MRD (minimale Resterkrankungs)-Negativität erreichen können. Die MRD-Negativität beeinflusst insbesondere das Outcome von Hochrisiko-MM-Patient*innen entscheidend und verbessert die Überlebensrate. Wenn ein effektives Therapieschema gewählt wird, z.B. eine Stammzelltransplantation in der ersten Linie zusätzlich zu einem Mehrfachinduktionsschema, kann es sogar möglich sein, den Risikofaktor der Hochrisiko-Zytogenetik zu überwinden. In den aktuellen Guidelines der European Society of Medical Oncology (ESMO) gibt es allerdings (noch) keine speziellen Hinweise für die Behandlung von Hochrisiko-MM-Patient*innen.
Transplantationsfähige Patient*innen: Mehrfachkombis verwenden
Generell stehen für transplantationsfähige und nicht transplantationsfähige Patient*innen unterschiedliche Optionen in der Erstlinientherapie zur Verfügung. Bei transplantationsfähigen Patient*innen ist neu, dass nun Vierfachkombinationen verwendet werden können, die einen CD38-Antikörper inkludieren, welche auch bei Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik als Induktionstherapie gut wirksam sind. Dies bestätigen etwa die Ergebnisse der GRIFFIN-Studie, bei welcher Daratumumab (Dara) + VRd (Bortezomib, Lenalidomid, Dexamethason) inklusiver autogener Stammzelltransplantation (ASZT) vs. VRd + ASZT auch bei Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik höhere Raten an Komplettremission (CR) und MRD-Negativität erzielen konnte.
In der FORTE-Studie wurde die Gruppe der Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik sogar unterteilt in eine zusätzliche Gruppe von Patient*innen mit Ultrahochrisiko-Zytogenetik, also mehreren ausschlaggebenden genetischen Aberrationen. Therapieschemata mit Carfilzomib (K) in der Induktions- oder Konsolidierungstherapie zeigten dabei eine besonders gute Wirksamkeit – nicht jedoch bei der Chromosomen-Amplifikation 1q.
Eine andere Strategie, die für Hochrisiko-Patient*innen sinnvoll sein kann, ist eine Tandem-ASZT, welche das Überleben verlängern kann. Auch die Erhaltungstherapie spielt für die Therapie von Patient*innen mit Hoch- und Ultrahochrisiko eine wichtige Rolle, wie seit der MyelomaXI-Studie bekannt ist. In rezenteren Studien zur Erhaltungstherapie beim MM werden sogar schon Doppelkombinationen verwendet, z.B. Daratumumab plus Lenalidomid nach SZT, was zu hohen Raten an CR und MRD-Negativität führte. Möglicherweise ist diese Doublet-Therapie auch bei Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik Erfolg versprechend.
Interessant ist auch die OPTIMUM-Studie, welche im Dezember beim Kongress der American Society of Hematology (ASH) präsentiert worden ist. In dieser wurde Patient*innen mit Ultrahochrisiko-Zytogenetik in der Induktionstherapie eine Fünffachkombination aus Daratumumab und Cyclophosphamid zu VRd verabreicht (Dara-CVRd). Diese erzielte gute Resultate.
Neue Studien, die sich rein auf MM-Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik fokussieren, sind etwa die Phase-II-Studie GMMG-CONCEPT von Prof. Dr. Katja Weisel, bei welcher Isatuximab zu KRd in der Induktions-, Konsolidierungs- und Erhaltungstherapie getestet wird. Weiters zu nennen ist die MASTER-Studie, bei welcher ein großer Pool an Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik inkludiert ist. Hier wird das Therapieregime Daratumumab + KRd + ASZT getestet, mit einer Konsolidierungstherapie von Daratumumab + KRd je nach MRD-Status.
Kurz gesagt
Was ist also wichtig für die Behandlung von Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik, die für eine Transplantation geeignet sind? Auf jeden Fall sollten Mehrfachkombinationen verwendet werden, am besten mit einem Anti-CD38-Antikörper. Eine Tandem-ASZT kann in Betracht gezogen werden. Jedenfalls sollte eine Erhaltungstherapie durchgeführt werden, eventuell sogar mit zwei Substanzen. Dafür gibt es noch keine Zulassungen, die Daten verdichten sich aber zunehmend.
Studien zu nicht transplantationsfähigen Patient*innen
Zu Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik, bei welchen keine ASZT möglich ist, gibt es zwei aussagekräftige Studien. In der ALCYONE-Studie konnte die Zugabe des Antikörpers Daratumumab zu Bortezomib, Melphalan und Prednison (VMP) zwar das Outcome von Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik verbessern, aber den negativen Einfluss der Hochrisiko-Zytogenetik trotzdem nicht überkommen. In der MAIA-Studie hingegen war die Zugabe von Daratumumab zu Rd ebenfalls förderlich und verlängerte signifikant das progressionsfreie Überleben auch von Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik.
Immuntherapien: spannend bei Relaps oder funktionellem Hochrisiko
Obwohl die Behandlung von Hochrisiko-MM eine Herausforderung bleibt, stehen zunehmend vielversprechende Therapieoptionen zur Verfügung. Zuvorderst gilt es jedoch, betroffene Patient*innen korrekt zu identifizieren
Zur Behandlung relapsierter MM-Patient*innen gibt es eine lange Liste von bereits durchgeführten Studien. Alle dort verwendeten Mehrfachkombinationen sind effektiv, jedoch vor allem für Patient*innen mit Standard-Zytogenetik. Für relapsierte Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik konnte ebenfalls noch kein optimales Schema definiert werden. Es bedarf also neuer Strategien, etwa aus dem immunonkologischen Bereich.
Antikörper-Drug-Konjugate wie Belantamab konnten teils gute Ansprechraten erzielen, besonders interessant sind aber die „Chimeric antigen receptor“(CAR)-T-Zellen. Zwei Präparate werden gerade in großen klinischen Studien getestet. Dann gibt es noch die bispezifischen Antikörper, zu welchen derzeit noch viele Studien in frühen Phasen und mit kleinen Patient*innenzahlen am Laufen sind. Derzeit wissen wir noch zu wenig darüber, doch möglicherweise sind diese unterschiedlichen Immuntherapien in Zukunft für Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik geeignet.
MM-Patient*innen mit funktionellen Hochrisiko-Situationen, die gleich oder sehr früh nach der ersten ASZT relapsieren, haben ein ähnlich schlechtes Outcome wie Patient*innen mit Hochrisiko-Zytogenetik. Auch hier gilt es, geeignete Therapien zu finden. Möglicherweise könnte eine Therapie mit CAR-T-Zellen sinnvoll sein. Erste Ergebnisse aus der CARTITUDE-Studie machen Hoffnung. Zu MM-Patient*innen mit extramedullärer Erkrankung gibt es beispielsweise vielversprechende Subgruppenanalysen in der KarMMa-Studie mit Ide-cel.
Was abschließend gesagt werdenkann
Viele verschiedene Faktoren erhöhen das Risiko für einen schwereren Verlauf bei einer MM-Erkrankung. Der speziellen Gruppe der MM-Patient*innen mit Hochrisiko-Situation wird glücklicherweise immer mehr dringend benötigte Aufmerksamkeit zuteil, nachdem diese lange Zeit in klinischen Studien unterrepräsentiert waren. Die Patient*innengruppe ist nun häufiger Gegenstand von klinischen Studien, wodurch größere Mengen an Daten akquiriert werden können. Diese sind dringend nötig, um Behandlungsschemata zu optimieren und so den Patient*innen die bestmögliche Therapie zukommen zu lassen.
Schon jetzt gibt es unterschiedliche Therapieansätze, die Erfolg versprechend sind und das Outcome der Patient*innen verbessern können. Eine grundlegende Bedingung für den Behandlungserfolg ist es zuvorderst, Patient*innen mit Hochrisiko korrekt zu identifizieren. Zudem ist das Erreichen einer MRD-Negativität in jedem Falle günstig.
Literatur:
bei der Verfasserin
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