Was hat sich über die Jahre geändert?
Univ.-Klinik für Frauenheilkunde, <br>Klinische Abteilung für Gynäkologie<br>Medizinische Universität Graz<br>E-Mail: edgar.petru@medunigraz.at
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In den letzten Dekaden konnten in der Therapie der gynäkologischen Malignome erfreulicherweise entscheidende Fortschritte erzielt werden. Um weiter das Überleben der Patientinnen verlängern und die Lebensqualität verbessern zu können, sind jedoch noch zahlreiche Studien vonnöten. Im nachfolgenden Artikel finden Sie einen kurzen Rückblick auf die letzten Jahre klinischer Forschung sowie eine Zusammenfassung des Status quo der adäquaten Therapie der betroffenen Patientinnen.
Ovarialkarzinom
Die primäre Operation ist beim Ovarialkarzinom eine möglichst komplette Reduktion aller Tumorherde durch ein spezialisiertes Team mit gynäkoonkologisch erfahrenen Operateuren. Ziel der Primäroperation ist die vollständige Entfernung aller makroskopisch sichtbaren Tumorabsiedlungen (optimales Tumordebulking). Durch die aktuellen Daten der DESKTOP-III-Studie1, welche von A. DuBois am Jahresmeeting der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2020 präsentiert wurden, ist heute auch klar, dass eine gut definierte Gruppe von Patientinnen mit einem Rezidiv von einer sekundären Operation profitiert – und das nicht nur mit einer Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS), sondern auch des Gesamtüberlebens (OS). Die Selektion dieser Patientinnen soll nach dem prospektiv ermittelten positiven AGO(Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie)-Score erfolgen. Dieser schließt drei Faktoren mit ein:
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kein Resttumor bei der Primäroperation oder FIGO(Fédération Internationale de Gynécologie et d‘Obstétrique)-StadiumI,
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kein Aszites bzw. Aszites <500ml sowie
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guter Leistungsstatus (Karnofsky-Index)
Systemische Erstlinientherapie
Die systemische Therapie hat beim Ovarialkarzinom weiterhin besonders große Bedeutung. Die Kombination von Carboplatin und Paclitaxel stellt in der ersten Linie („first line“ = adjuvant, postoperativ) den Therapiestandard dar. In den Stadien IIIb–IV kann die Zugabe von Bevacizumab parallel zur Chemotherapie und danach als Konsolidierungstherapie über insgesamt 15 Monate2,3 v.a. bei großer Tumorlast/großen Aszitesmengen erwogen werden.4 Alternativ zu Carboplatin und Paclitaxel kann z.B. bei präexistenter Nervenschädigung oder der Notwendigkeit, eine Alopezie zu vermeiden, die Kombination von Carboplatin und PEG(Polyäthylenglykol)-liposomalem Doxorubicin eingesetzt werden.5 Bei ca. 20–25% der Patientinnen wird bei primär extensiver Tumorlast (Pleuraerguss, hochgradiger Aszites, Bauchdeckenmetastasen, parenchymatöse Lebermetastasen) die Chemotherapie präoperativ eingesetzt.
Poly-ADP-Ribose-Polymerase(PARP)-Hemmer
Wir haben in den letzten Jahren vor allem durch die Integration der PARP-Inhibitoren große Fortschritte in der Systemtherapie gemacht. PARP-Inhibitoren hemmen die Basenexzisionsreparatur nach DNA-Schädigung und können damit zum Absterben der Tumorzellen führen. Olaparib ist entsprechend der SOLO1-Studie im Stadium III–IV beim Nachweis einer „Breast cancer“(BRCA)-Mutation nach Ansprechen auf eine neoadjuvante/adjuvante Platin-haltige Erstlinienchemotherapie indiziert. Die BRCA-Mutation wird dabei im Tumor oder in der Keimbahn möglichst rasch nach der Primärdiagnose eines serösen High-Grade-Ovarialkarzinoms bestimmt. In der beschriebenen Zulassungsstudie war Olaparib als Erhaltungstherapie im Vergleich zum Placebo bei allen Patientinnen wirksamer, und das unabhängig vom Resttumor oder Tumorstatus vor Beginn dieser Therapie.6 Der therapeutische Effekt scheint bei einer BRCA2-Mutation noch ausgeprägter zu sein als bei einer BRCA1-Mutation.7
Olaparib bzw. Niraparib konnten in aktuellen Studien (SOLO1 und PRIMA) eine signifikante Wirkung auf das PFS zeigen. Beide Substanzen stehen in der Erhaltungstherapie nach erfolgreicher (neo-)adjuvanter Erstlinientherapie vor der Zulassung.
Erhaltungstherapie mit Antihormonen beim serösenLow-grade-Ovarialkarzinom
Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem serösemLow-grade-Ovarialkarzinom im Stadium II–IV, bei welchen nach initialer tumorreduktiver Operation die adjuvante Chemotherapie (Platin/Paclitaxel bei 83%) abgeschlossen war, haben von einer Erhaltungstherapie mit Antihormonen, zumeist Letrozol, über 33 Monate signifikant bezüglich des PFS und auch des OS profitiert.8
Systemische Rezidivtherapie
Chemotherapie beim platinsensitiven Rezidiv
Als platinsensitiv gilt ein Rezidiv, wenn es frühestens 6 Monate nach der letzten platinhaltigen Chemotherapie auftritt. Auch wenn es beim Terminus „platinsensitiv“ Ausnahmen wie z.B. das seröse Low-grade-Karzinom mit späten Rezidiven trotz geringer Platinsensitivität gibt und das Ansprechen auf eine Therapie vielmehr ein Kontinuum als einen fixen Zeitraumumfasst, ist diese Beschreibung klinisch doch weiterhin international etabliert. Für die Zweitlinienchemotherapie gilt: Je länger das Intervall zwischen der letzten adjuvanten Chemotherapie und dem Auftreten eines Rezidivs, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Tumoransprechens.9 Als Zweitlinientherapie („Secondline“-Therapie) kommt vorwiegend erneut die Kombination Carboplatin/PEG-liposomales Doxorubicin ± Bevacizumab infrage. Die Kombination Carboplatin/PEG-liposomales Doxorubicin und Bevacizumab hat gegenüber Carboplatin/PEG-liposomalem Doxorubicin hinsichtlich des PFS in der MITO-MANGO-Studie 2018 einen signifikanten Vorteil gezeigt.
Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren beim platinsensitiven Rezidiv nach initialem Tumoransprechen
Die PARP-Inhibitoren sind beimRezidiv des serösen, undifferenzierten Ovarialkarzinoms mit und ohne BRCA-Mutation nach erfolgreicher Platintherapie, d.h. nach Erreichen einer Remission, indiziert.10, 11 Es stehen in der Rezidivsituation zwei PARP-Inhibitoren zur Verfügung (Tab. 1).
Tab. 1: Übersicht über die zwei in Österreich verfügbaren und kontinuierlich per os zu applizierenden PARP-Inhibitoren beim serösen und endometrioden High-grade-Ovarialkarzinom
PARP-Inhibitoren zeigen bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom ohne BRCA-Mutation (BRCA-Wildtyp) zwar eine signifikante, aber auch etwas abgeschwächte Effektivität im Vergleich zu Patientinnen mit BRCA-Mutation. Olaparib und Niraparib sind unabhängig vom BRCA-Mutationsstatus nach Ansprechen auf Platin beim platinsensitiven Rezidiv des serösen und endometrioden High-Grade-Ovarialkarzinoms zugelassen.
Systemtherapie beim platinsensitiven Ovarialkarzinom
Bei einem platinfreien Intervall von sechs bis zwölf Monaten und wenn Kontraindikationen für andere Chemotherapien vorliegen, kann eine Therapie mit Trabectedin/pegyliertem liposomalem Doxorubicin durchgeführt werden.
Systemische Therapie des platinrefraktären und platinresistenten Rezidivs
Beim platinrefraktären Rezidiv erfolgt die Progression während der Erstlinienchemotherapie mit Platin. Beim platinresistenten Rezidiv hat eine Patientin primär auf eine platinhaltige Chemotherapie angesprochen, entwickelt aber innerhalb von 6 Monaten nach der letzten Platingabe ein Rezidiv bzw. während einer platinhaltigen Folgetherapie des ersten (zweiten, … usw.) Rezidivs eine Progression.
Spätestens ab der Diagnose eines platinresistenten/platinrefraktären Rezidivs handelt es sich um eine Therapie mit palliativem Ansatz, wobei hier die möglichst lange Erhaltung der Lebensqualität der Patientin im Vordergrund steht. Eine Kombinationschemotherapie bietet keinen Vorteil gegenüber einer Monotherapie.12 In der AURELIA-Studie, bei der Patientinnen mit massivem Darmbefall ausgeschlossen waren, wurde die therapeutische Überlegenheit von Bevacizumab in Kombination mit Paclitaxel, PEG-liposomalem Doxorubicin sowie Topotecan gegenüber einer Mono-Chemotherapie nachgewiesen.
HIPEC-Chemotherapie
Für die HIPEC-Chemotherapie existieren bislang keine wissenschaftlich überzeugenden Daten, die ihren Einsatz in der klinischen Routine befürworten.
Systemische Immuntherapie
Beim Ovarialkarzinom sind bislang die Immuncheckpoint-Inhibitoren gegen „programmed death 1“ (PD-1) bzw. „programmed death-ligand 1“ (PD-L1) mit Remissionsraten um 10–15% nur moderat ermutigend. Nebenwirkungen umfassen v.a. Fatigue, Anämie, Kopfschmerzen, Übelkeit, Hypothyreosen, Hyperthyreosen, Kolitis und Hypophysitis.
Derzeit sind Kombinationsstudien von PD-L1- und PD-1-Inhibitoren mit Chemotherapie bzw. Angioneogenese-Inhibitoren und PARP-Inhibitoren (z.B. die DUO-O-Studie der AGO) v.a. in der Erstlinie im Gange.
Zervixkarzinom
Hier hat die randomisierte operative LACC-Studie von Ramirez et al. 201813gezeigt, dass in der operativen Therapie eine laparoskopische radikale Hysterektomie der radikalen abdominellen Hysterektomie unterlegen ist. Somit gilt Letztere bei Patientinnen im Stadium IB und mit negativen Lymphknoten als Therapiestandard.
In der palliativen Systemtherapie stellt seit einigen Jahren die Kombination von Cisplatin, Paclitaxel und Bevacizumab den Therapiestandard dar.
Endometriumkarzinom
Laut einer großen randomisierten Studie14 ist die laparoskopische Hysterektomie einer Hysterektomie per laparotomiam nicht unterlegen. Damit kann die Morbidität der Operation reduziert werden.
Eine retroperitoneale Lymphadenektomie per laparotomiam ist laut mehreren randomisierten Studien im Frühstadium des Endometriumkarzinom nicht indiziert. Die Sentinellymphknotenbiopsie mit Indocyaningrün hat sich klinisch durchgesetzt und trägt zur Verminderung der Morbidität bei.
Schlussfolgerungen
Beim Ovarialkarzinom hat vor allem die Hinzunahme von PARP-Inhibitoren zum therapeutischen Armamentarium relevante therapeutische Fortschritte gebracht. Beim Zervixkarzinom ist in der operativen Therapie des Frühstadiums die radikale abdominelle Hysterektomie weiterhin Standard, während dies beim frühen Endometriumkarzinom die laparoskopische Hysterektomie ist. Längst hat sich die Sentinellymphknotenbiopsie gegenüber der systematischen retroperitonealen Lymphadenektomie klinisch durchgesetzt. Beide operativen Maßnahmen tragen beim Endometriumkarzinom zu einer relevanten Verminderung der Morbidität bei.
Literatur:
1 DuBois A et al.: Randomized phase III study to evaluate the impact of secondary cytoreductive surgery in recurrent ovarian cancer: Final analysis of AGO DESKTOP III/ENGOT-ov20. ASCO Virtual 2020; Abstr. #6000 2 Burger RA et al.: Incorporation of bevacizumab in the primary treatment of ovarian cancer. N Engl J Med 2011; 365: 2473-83 3 Perren TJ et al.: A phase 3 trial of bevacizumab in ovarian cancer. N Engl J Med 2011; 365: 2484-96 4 Wagner U, Reuß A: S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren“. Forum 2019; 34: 413-5 5 Pignata S et al.: Pegylated liposomal doxorubicin combined with carboplatin: a rational treatment choice for advanced ovarian cancer. Crit Rev Oncol Hematol 2010; 73(1): 23-30 6 Matthews CA et al.: Maintenance olaparib after platinum-based chemotherapy in patients (pts) with newly diagnosed advanced ovarian cancer (OC) and a BRCA mutation (BRCAm): Efficacy by surgical and tumor status in the Phase III SOLO1 trial. J Clin Onc 2019; 37(15_suppl): 5541 7 Friedlander ML et al.: Do all patients with recurrent ovarian cancer need systemic therapy? Cancer 2019; 125(S24): 4602-8 8 Gershensen DM et al.: Hormonal maintenance therapy for women with low-grade serous cancer of the ovary or peritoneum. J Clin Onc 2017; 35(10): 1103-11 9 Markman M et al.: Second-line platinum therapy in patients with ovarian cancer previously treated with cisplatin. J Clin Oncol 1991; 9(3): 389-93 10 Ledermann J et al.: Olaparib maintenance therapy in platinum-sensitive relapsed ovarian cancer. NEngl J Med 2012; 366(15): 1382-92 11 Mirza MR et al.: Niraparib maintenance therapy in platinum-sensitive, recurrent ovarian cancer. N Engl J Med 2016; 375(22): 2154-64
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