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Qualitätssicherung

Was zeichnet ein gutes Brustgesundheitszentrum aus?

Die immer komplexer werdenden Behandlungen von Krebserkrankungen führen zur Etablierung von Tumorzentren, wo die gesamte Expertise unter einer Führungsstruktur gebündelt ist. Brustgesundheitszentren sind zumeist organisatorisch in diese Infrastruktur eingebunden. Die European Society of Breast Cancer Specialists definiert verschiedene Kritierien, welche eine einheitliche sowie qualitativ gesicherte Versorgung der Patient*innen an Brustgesundheitszentren gewährleisten sollen.

Keypoints

  • Brustgesundheitszentren sind fächerübergreifende Einrichtungen zur Behandlung von Erkrankungen der Brust während des gesamten Krankheitsverlaufs (Erstkontakt bis Nachsorge).

  • Ziel der EUSOMA ist, in europäischen Brustgesundheitszentren eine einheitliche Versorgung und Behandlung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten.

  • Internationale Standards müssen erfüllt werden, um eine Zertifizierung als Brustgesundheitszentrum nach EUSOMA zu erlangen.

Brustkrebs ist mit einem Anteil von 29% an malignen Tumoren die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, wobei hier das mittlere Erkrankungsalter bei 64 Jahren liegt. Weltweit stellt Brustkrebs die häufigste bösartige Erkrankung dar, weswegen in den letzten Jahren eine Intensivierung der Forschungstätigkeiten zu beobachten war, erkennbar an der Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten hinsichtlich Wirksamkeit als auch Verträglichkeit. Brustkrebs ist heutzutage in den meisten Fällen heilbar, Früherkennung und Vorsorge sind hier von besonderer Bedeutung.1 Fortschritte in Diagnostik und Therapie führten in den letzten Jahren zu einem deutlichen Sinken der Mortalität.

Zur Behandlung von Erkrankungen der Brust haben sich sogenannte Brustgesundheitszentren als fächerübergreifende Einrichtung etabliert. Deren Ziel ist es, die Patient*innen während des gesamten Krankheitsverlaufs, begonnen bei der Diagnostik über Therapie bis hin zur Nachsorge, optimal zu versorgen.

Breite Anforderungen an Brustgesundheitszentren

EUSOMA, die European Society of Breast Cancer Specialists, entwickelte Anforderungen an europäische Brustgesundheitszentren, mit dem Ziel, eine einheitliche Versorgung und Behandlung der Patient*innen zu gewährleisten. An einem Brustgesundheitszentrum müssen alle nötigen Leistungen zur Verfügung stehen, angefangen bei Einrichtungen der Prävention, für die Behandlung des Primärtumors über die Versorgung während einer fortgeschrittenen Erkrankung, supportive und palliative Pflege bis zum Leben nach der Krebserkrankung und psychosozialer Unterstützung über den gesamten Zeitraum. Das Brustgesundheitszentrum umfasst eine Gruppe von Brustkrebsspezialist*innen, welche im Rahmen eines multidisziplinären Teams zusammenarbeiten. Diese haben Zugang zu allen Einrichtungen, um eine höchstmögliche qualitative Versorgung während des gesamten klinischen Behandlungsverlaufs der Brustkrebspatient*innen zu gewährleisten. Im besten Fall sollen alle Einrichtungen am selben Standort vorhanden sein, um lange Wegstrecken der Patient*innen zu vermeiden. Ist dies nicht möglich, sollten sich die Einrichtungen zumindest im selben geografischen Einzugsgebiet befinden.2 Die Forschung zeigt darüber hinaus, dass Versorgung, welche durch ein multidisziplinäres Team gewährleistet wird, ein besseres Patientenoutcome bewirkt.3

Weitere Anforderungen betreffen die Kommunikation mit den Patient*innen über Diagnose, Behandlungsplan und Wartezeiten. Die Diagnose muss den Patient*innen grundsätzlich von Angesicht zu Angesicht und sobald als möglich mitgeteilt werden. Der Behandlungsplan wird im multidisziplinären Teammeeting, dem sogenannten Tumorboard, in Form einer Empfehlung getroffen und muss dem Patienten vom Arzt/der Ärztin, welche/r diesen initial gesehen hat und/oder jener/m, welche/r die erste Behandlung einleitet, mitgeteilt werden. Dies ist ein zentraler Punkt im Sinne einer gemeinsamen Entscheidungsfindung unter Berücksichtigung des Patientenwunsches. Hier muss eine Breast Care Nurse (BCN) verfügbar sein, um weitere Informationen die Behandlung betreffend zur Verfügung zu stellen und zu besprechen sowie die Patient*innen emotional zu unterstützen. Jeder Patient muss über jeden Schritt Diagnose sowie Behandlung betreffend informiert werden, wobei genug Bedenkzeit gewährt werden soll. Auch die Möglichkeit, eine Zweitmeinung einzuholen, muss gegeben sein. Die Behandlung muss innerhalb der ersten vier bis sechs Wochen ab der Erstdiagnose im Brustgesundheitszentrum bzw. ab Erstkontakt, wenn die Diagnose auswärts gestellt wurde, initiiert werden. Auch die Nachsorge soll – wenn möglich – im Brustgesundheitszentrum durchgeführt werden. Die Informationen über Diagnose und Therapiemöglichkeiten an die Patient*innen haben klar verständlich verbal als auch in schriftlicher Form zu erfolgen.2

Das Brustgesundheitszentrum muss zumindest wöchentlich ein multidisziplinäres Teammeeting, ein sogenanntes Tumorboard, abhalten, in welchem präoperative und postoperative Fälle besprochen werden – EUSOMA fordert eine Vorstellungsrate von 95% – sowie andere Fragen, die Brustkrebspatient*innen betreffen und einer fächerübergreifenden Diskussion bedürfen. Dies gewährleistet einen standardisierten und qualitätsgesicherten Behandlungsverlauf für die Patient*innen.

Erkenntnisse aus der Versorgungsforschung zeigen, dass die Interaktion der unterschiedlichen Fachbereiche einen hohen Einfluss auf die Erfolgschancen auf eine Heilung einer Krebserkrankung darstellen.4 Mitglieder des Kernteams, bestehend aus Ärzt*innen der Fächer Radiologie, Pathologie, Brustchirurgie, Onkologie, Strahlentherapie, Brustpflege und der Tumordokumentation, müssen anwesend sein. Mitglieder des erweiterten Teams sind angehalten teilzunehmen bzw. müssen für Konsultationen zur Verfügung stehen, diese kommen aus dem Bereich der Psychoonkologie, der geriatrischen Onkologie, Pharmazie, Nuklearmedizin, Physiotherapie, plastischen Chirurgie, Radiologie, Palliativmedizin und der klinischen Genetik. Radiologische Bilder müssen verfügbar sein, ebenso gegebenenfalls Fotos der Brust, um die geeignetste chirurgische Strategie zu eruieren. Die Entscheidungen jeden Fall betreffend müssen dokumentiert werden; sollte von einer leitliniengerechten Behandlung abgegangen werden, etwa aufgrund des Wunsches einer Patientin oder eines Patienten, muss dies ebenfalls festgehalten werden. Patient*innen sind grundsätzlich nicht im Tumorboard anwesend. Umso wichtiger ist es, dass die anwesende BCN den Willen derselben kennt, um diesen gegebenenfalls vorzubringen.

Darüber hinaus erfüllt die BCN eine Vielzahl von Aufgaben, sie ist erste Ansprechperson von Patient*innen sowie deren Angehörigen; sie liefert von der Diagnosestellung an Informationen, fungiert als Koordinatorin verschiedener Termine und Untersuchungen und stellt ein Bindeglied zwischen Arzt und Patient dar.

Tumorzentrum OÖ als Beispiel einer gelungenen Umsetzung

Die Arbeit „Die Versorgung von Brustkrebspatientinnen und -patienten in Oberösterreich von der Diagnose bis zur Therapie am Beispiel des Tumorzentrums Oberösterreich“5 konnte zeigen, wie sich die Versorgung der Brustkrebspatient*innen in Oberösterreich gemessen an den Anforderungen an ein Brustgesundheitszentrum am Beispiel des Tumorzentrums darstellt.

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Abb. 1: Tumorboard-Vorstellungen am Tumorzentrum Oberösterreich nach Erstdiagnosejahr. Exkl. UICC fehlend (mangels einer exakten TNM-Klassifikation kann die Therapie nicht konkretisiert werden) und exkl. UICC IV (bereits Metastasen vorhanden, die mitbehandelt werden müssen [anderer Therapieansatz]). Quelle: Tumorzentrum OÖ 2021

Multidisziplinäre Teams, zusammengesetzt aus Expert*innen, sind an jedem Standort eingerichtet und die ebenfalls geforderten Teammeetings werden wöchentlich abgehalten. BCN als Ansprechpersonen der Betroffenen sind in jedem Brustgesundheitszentrum angestellt und als Kernteammitglieder in den Behandlungsverlauf von Beginn an eingebunden. Da die vorgestellten Fälle am Tumorboard 2020 bereits über 99% ausmachten (Abb. 1), sind die EUSOMA-Anforderungen bereits erfüllt. Die erhobenen Wartezeiten von Erstdiagnose bzw. Erstkonsultation bis zur Einleitung der Therapie übertreffen die nach EUSOMA festgelegten Kriterien. So betrug die Wartezeit von der Erstdiagnose bis zur ersten Intervention über die Jahre 2015 bis 2020 im Median 21 Tage (Tab. 1).

Tab. 1: Fallzahlen und Tage im Median vom Datum der Erstdiagnose bis zur ersten Intervention am Tumorzentrum OÖ (exkl. UICC IV und UICC fehlend). CHEa, Chemotherapie adjuvant; CHEn, Chemotherapie neoadjuvant; endo, endokrine Therapie. Quelle: Tumorzentrum OÖ 2021

Die Studienergebnisse zeigen eindrücklich die patientenorientierte Versorgung der Brustkrebspatient*innen am Tumorzentrum Oberösterreich. Brustgesundheitszentren sind an mehreren Standorten in Oberösterreich eingerichtet und gewährleisten eine flächendeckende und wohnortnahe Versorgung. Die BCN fungiert als wichtige Koordinationsstelle hinsichtlich der Termine der Betroffenen.

Die Anforderungen an ein Brustgesundheitszentrum, wie die leitliniengerechte Behandlung, die multidisziplinäre Arbeit aller Beteiligten, die Abhaltung regelmäßiger multidisziplinärer Teammeetings und die Teilnahme der BCN an diesen Besprechungen als Kernteammitglied, sind erfüllt. All dies führt zu einem besseren Outcome für die Patient*innen im Sinne einer qualitativ gesicherten und leitliniengerechten Versorgung.

1 Österreichische Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie: Onkopedia Leitlinien. 2021. Online unter https://www.oegho.at Abgerufen am 7.3.22 2 Biganzoli L et al.: The requirements of a specialist breast centre. Breast (Edinburgh, Scotland) 2020; 51: 65-84 3 Taylor C et al.: Benefits of multidisciplinary teamwork in the management of breast cancer. Breast Cancer (Dove Medical Press) 2013; 5: 79-85 4 Kletečka-Pulker M: Tumorboards – rechtliche Aspekte. Tumorboard 2012; (1): 12-5 5 Haunsperger B: Die Versorgung von Brustkrebspatientinnen und -patienten in Oberösterreich von der Diagnose bis zur Therapie am Beispiel des Tumorzentrums Oberösterreich 2021. Masterarbeit, Publikation ausständig

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