
Vielversprechende Option in der agnostischen Tumortherapie
Das Interview führte
Jasmin Gerstmayr, MSc
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Die systemische Tumortherapie durchlebt aktuell einen eindrucksvollen Innovationsschub. Die Zahl an Medikamenten, welche zielgerichtet wirken, so z.B. Tyrosinkinase-Inhibitoren, nimmt stetig zu. Ebenso werden mehr und mehr prädiktive oder „drugable“ Biomarker identifiziert, wodurch die Tumortherapie individuell auf den Patienten abgestimmt werden kann. In den letzten beiden Jahren wurden zwei Wirkstoffe zur Inhibierung der Fusionsgene der „neurotrophen Rezeptor-Tyrosinkinase“ (NTRK) zugelassen, welche in der agnostischen Tumortherapie Verwendung finden. Prof. Armin Gerger erklärt im Interview mit JATROS Hämatologie & Onkologie, was von den neuen Wirkstoffen zu erwarten ist und warum deren Zulassungstexte eine besondere Herausforderung darstellen.
Wie wirken TRK-Inhibitoren und welche Wirkstoffe sind bereits zugelassen?
A. Gerger: Die Inhibierung der Fusionsgene „neurotrophe Rezeptor-Tyrosinkinase 1–3“ (NTRK 1–3) ist eine relativ neue, sehr wirksame Therapieoption für Tumorpatienten, bei welchen eine derartige Genfusion in den Tumorzellen nachgewiesen werden kann. Aktuell stehen zwei Wirkstoffe zur Verfügung: Larotrectinib, welcher im September 2019 von der „European Medicines Agency“ (EMA) zugelassen worden ist, und Entrectinib, 2020 zugelassen. Im Gegensatz zu Larotrectinib, das die drei Tropomyosin-Rezeptorkinase(TRK)-Proteine TRKA, TRKB und TRKC inhibiert, hemmt Entrectinib zusätzlich zu diesen Tropomyosin-Rezeptorkinasen noch ROS1 und die anaplastische Lymphomkinase (ALK).
Bei den TRK-Inhibitoren handelt es sich insgesamt erst um die zweite zugelassene tumoragnostische Therapie und die einzige, welche sowohl von der EMA als auch von der „Food and Drug Administration“ (FDA) zugelassen worden ist. Mikrosatelliteninstabilität (MSI) wurde als tumoragnostischer Marker für Immuntherapien von der FDA zugelassen, erhielt jedoch keine EMA-Zulassung.
Bitte umreißen Sie die aktuelle Studienlage zu den verfügbaren TRK-Inhibitoren.
A. Gerger: Die Daten, die zu den TRK-Inhibitoren Larotrectinib und Entrectinib verfügbar sind, resultieren aus dem Zusammenführen mehrerer Einzelstudien (PhaseI und PhaseII), jeweils drei Studien zu Larotrectinib (SCOUT, NAVIGATE und NCT02122913) und drei zu Entrectinib (STARTRK 2, STARTRK 1 und ALKA-372-001). Die Zahl der eingeschlossenen Patienten war relativ klein und belief sich auf 159 Patienten in den Larotrectinib- und 74 in den Entrectinib-Studien. Patienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten wurden inkludiert, natürlich mit der Gemeinsamkeit einer vorhandenen NTRK-Genfusion.
In den Studien zu Larotrectinib konnte eine Ansprechrate von beinahe 80% erzielt werden. Auch das progressionsfreie Überleben war mit 28 Monaten relativ lang, ebenso wie das Gesamtüberleben (44 Monate). Dies ist vor allem auch angesichts der Tatsache beachtlich, dass die meisten Patienten die TRK-Inhibitoren erst in einer sehr späten Therapielinie erhalten haben. Zum Beispiel hatten 30% der Patienten zumindest eine systemische Vortherapie, 21% zumindest zwei und 26% zumindest drei systemische Vortherapien erhalten. Eine so hohe Wirksamkeit konnten wir bei soliden Tumoren bisher in beinahe keiner Tumorentität im Rahmen einer Therapie, die primär in so späten Therapielinien verabreicht worden war, beobachten.
Bei welchen Tumorentitäten treten NTRK-Genfusionen gehäuft auf?
A. Gerger: Jene Tumorentitäten, welche mit hoher Wahrscheinlichkeit NTRK-Genfusionen aufweisen, sind in unserer klinischen Routine selten. Zu ihnen zählen z.B. das sekretorische Mammakarzinom und das infantile Fibrosarkom. Man nimmt an, dass 90–100% der infantilen Fibrosarkome NTRK-Fusionen zeigen. Hingegen haben Tumorentitäten, welche sehr häufig auftreten, wie etwa das Kolon- oder das Lungenkarzinom, eine sehr geringe Frequenz von NTRK-Genfusionen,teilweise unter 1%.
Wann sind TRK-Inhibitoren indiziert?
A. Gerger: Larotrectinib und Entrectinib sind bei lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Erkrankungen zugelassen, für die keine zufriedenstellende Therapieoption zur Verfügung steht. Die Zulassung ist relativ offen formuliert und stellt uns somit vor neue Herausforderungen. Üblicherweise sind Zulassungen an bestimmte Tumorentitäten und dabei wiederan bestimmte Therapielinien geknüpft.
Die zielgerichtete Testung auf eine NTRK-Genfusion ist jedenfalls dann indiziert, wenn bei einem positiven Testergebnis der Einsatz des TRK-Inhibitors bei der jeweiligen Tumorentität die besser verfügbare Behandlung im Vergleich zu den anderen Therapieoptionen darstellt. Die Entscheidung orientiert sich durchwegs am Vergleich mit den zur Verfügung stehenden Alternativen im Kontext der Tumorentität und an individuellen Therapiezielen des Patienten. Obwohl die TRK-Inhibitoren als agnostische Therapie gelten, sollte die Anwendung im Kontext mit folgenden Fragestellungen geschehen: Welche Tumorentität wird behandelt? Und welche Tumortherapie mit welcher Evidenz steht bei dieser Entität in der entsprechenden Therapielinie zur Verfügung?
Wie sollte eine NTRK-Testung korrekterweise ablaufen?
A. Gerger: Die Empfehlung der Europäischen Gesellschaft für Medizinische Onkologie (ESMO) lautet, dass bei Tumorentitäten, die häufig NTRK-Genfusionen aufweisen, bereits primär molekulare Testungen durchgeführt werden sollen. Hingegen kann bei Entitäten, die eine niedrige Wahrscheinlichkeit für NTRK-Fusionen zeigen, ein immunhistochemisches Vorscreening erfolgen, welches erst im Falle eines positiven Ergebnisses molekular bestätigt werden muss. Die molekulare Testung ist bekanntermaßen relativ kosten- und zeitintensiv im Vergleich zu einem immunhistochemischen Vorscreening, welches innerhalb weniger Tage erfolgen kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
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