© top images - stock.adobe.com

Digitale Datenerfassung

Die Tumordatenbank Oberösterreich

Einzigartig in Österreich und international auf dem höchsten Level: Die Onkologie in Oberösterreich profitiert von der Tumordatenbank des Tumorzentrums Oberösterreich, in der klinikübergreifend Daten zu allen Krebserkrankungen im Bundesland gesammelt, verarbeitet und ausgewertet werden. Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leiter des Tumorzentrums, erklärt JATROS die Datenbank.

An der Tumordatenbank sind alle onkologisch tätigen Spitäler in Oberösterreich beteiligt. 2012 wurde eine Software erworben, über die die relevanten Daten zu Tumorerkrankungen erfasst werden können. Das bedeutet: Entität, Stadium, besondere Charakteristika und natürlich Daten zur Diagnostik, zur Therapie im zeitlichen Verlauf, zu Komplikationen und zur Nachsorge. Ebenfalls registriert werden international gültige Codierungen zur Morphologie und Pathologie. Diese Daten werden regelmäßig statistisch ausgewertet und mit den Fachkolleg:innen diskutiert.

Wie finden die Daten Eingang in die Datenbank?

In einem ersten Schritt wird die Diagnose im Detail erfasst. Hierzu werden die für das Tumorboard benötigten Daten von den hauptbehandelnden Ärzt:innen diktiert und von den Tumordokumentar:innen in der Tumordatenbank erfasst. Das Besondere in Oberösterreich ist, dass jedes Spital Tumordokumentar:innen hat, die die Ärzt:innen sowohl in der Vorbereitung der Tumorboards als auch in der Dokumentation unterstützen. Das sind über 40 Personen, die für eine hochqualitative Datenerfassung zuständig sind.

Diese Qualitätskontrolle inkludiert auch, dass im Rahmen des Tumorboards die Daten der Patient:innen überprüft und validiert werden. Die Daten sind schließlich die Grundlage für Therapieentscheidungen im Tumorboard. Um die Möglichkeit einer Messung der Behandlungsqualität sicherzustellen, wird einmal jährlich für alle in der Datenbank erfassten Patient:innen ihre jeweilige Akte in Bezug auf durchgeführte onkologische Behandlungen, Therapieansprechen bzw. Ergebnisse der Tumornachsorge vervollständigt. All diese Abläufe sind in die Routine implementiert (Abb. 1).

© Tumorzentrum Oberösterreich

Abb. 1: Dateneingabe und -validierung

Die Daten werden in standardisierte Formulare eingetragen, sodass Analysen gut möglich sind (Abb. 2). Es gibt kaum freie Textfelder. In der Nacht werden die Daten aus der Tumordatenbank in ein Data-Warehouse übertragen. Zu den Daten aus der Tumordatenbank können im Data-Warehouse Leistungs- und Bewegungsdaten der Krankenhausinformationssysteme gespielt werden.

Die Tumordatenbank:ein Alleskönner

© Tumorzentrum Oberösterreich

Abb. 2: Die Eingabemaske der Tumordatenbank Oberösterreich

Alle Regionen in Oberösterreich teilen sich eine Tumordatenbank. Dadurch sind die Daten der Patient:innen auch nach einem Spitalswechsel zeitnah verfügbar. Auch das garantiert eine hohe Qualität in der Versorgung.

Über die Tumordatenbank können auch Zertifizierungen erfolgen und Meldungen für Statistik Austria gemacht werden. Selbst das Brustkrebsfrüherkennungsprogramm läuft digital.

Informationen lassen sich natürlich auch gezielt abrufen. Zum Beispiel kann man bei einer bestimmten Tumorentität abfragen, bei wie vielen betroffenen Patient:innen es zu einer Operation kam. Es lässt sich differenzieren, bei welchen eine komplette Entfernung des Tumors möglich war und bei welchen nicht: Wie viele R0-Resektionen sind gelungen?

So lässt sich die Qualität der chirurgischen Eingriffe nicht nur überblicken, sondern auch zwischen verschiedenen Fachgebieten und Kliniken vergleichen. Mehr noch, bei entsprechender Dateneingabe ist ein internationaler Benchmark mit allen Spitälern möglich, die nach OnkoZert zertifiziert sind.

Die Auswertung von Daten zur Frühintegration der Palliativmedizin oder eine niedrige Rate an Patient:innen unter Chemotherapie in den letzten Lebenswochen sind Kriterien für ein bewusstes therapeutisches Handeln. Den Abteilungen werden die Daten aggregiert sowie auf Einzelfallebene automatisiert zur Verfügung gestellt, sodass sie beispielsweise in einer Morbiditäts- und Mortalitätskonferenz besprochen werden können.

Auch bezüglich der psychischen Belastung der Patient:innen können mittlerweile gute Aussagen gefällt werden. Beispielsweise wird im Ordensklinikum Linz von den klinischen Psycholog:innen die psychologische Belastung in verschiedenen Kategorien und nach Schweregrad erfasst. Diese Daten werden mit den Daten der Tumordatenbank automatisch verknüpft.

Erste Daten zeigen, dass beispielsweise Patient:innen mit Kopf-Hals-Tumoren eine höhere Belastung aufweisen als Patient:innen mit Brustkrebs. Mehr als 15% der Patient:innen weisen zwei Belastungsfaktoren auf, wie soziale oder familiäre Probleme. So kann man auch Handlungsempfehlungen ableiten, in welchen onkologischen Feldern die psychoonkologische Betreuung ausgebaut werden sollte.

In den letzten 13 Jahren wurden in der Datenbank 74515 neue Krebsfälle erfasst (Stichtag 3.10.2023; Abb. 3). Seit 2022 erfassen alle Spitäler die neu diagnostizierten Krebspatient:innen in der Datenbank: Pro Jahr nimmt die Zahl der neu diagnostizierten Fälle um etwa 10000 zu. Aktuell sind in der Datenbank 45318 lebende Patient:innen erfasst, deren Daten im Rahmen des Follow-ups dokumentiert werden.

© Tumorzentrum Oberösterreich

Abb. 3: Erstdiagnosen – Tumordatenbank OÖ

Ziel der Datenbank ist neben Auswertungen zur medizinischen Qualitätssicherung die Generierung von publizierbaren „real-live data“. Pharmaökonomische Auswertungen sind auf Basis der Daten gut vorstellbar. Aktuell ist auch ein Projekt in Entwicklung, mit welchem „patient-reported outcomes“ erhoben werden können.

Und was ist mit dem Datenschutz?

Ein sehr wichtiges Thema ist natürlich Datenschutz. Die Jurist:innen der verschiedenen oberösterreichischen Kliniken haben die Kliniker:innen dabei unterstützt, ihre Vision von einer flächendeckenden Messung der Behandlungsqualität Wirklichkeit werden zu lassen. Auf der Website des Tumorzentrums sind der Datenschutz, das Datenhaltungs- und -berechtigungskonzept sowie die Verantwortlichkeiten detailliert beschrieben, inklusive Listung der Ansprechpartner:innen.

Trotz Aufwand empfehlenswert

Das in Oberösterreich implementierte System einer onkologischen Qualitätssicherung ist nicht in allen Bundesländern Standard. Notwendige Grundlage ist der Wille zu einer Vernetzung zwischen den Spitalsträgern und Kliniken einer Region. Einberechnet werden muss auch der Arbeitsaufwand bei der Implementierung einer qualitativ hochwertigen Tumordokumentation. Es ist also nicht ganz einfach, ein klinisches Krebsregister zu etablieren – aber es lohnt sich.

Interview mit Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, Leitung Tumorzentrum, Ordensklinikum Linz; 6.9.2023

Back to top