
State of the Art der Prostatektomie
Autor:
OA Dr. Ferdinand Luger, FEBU
Facharzt Abteilung für Urologie
Leiter Prostatazentrum
Ordensklinikum Linz GmbH
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Die Zahl der Prostatakarzinome steigt stetig. Umso wichtiger scheint es, die Therapie so gut wie möglich auf den Patienten abzustimmen, umÜbertherapien und vermeidbare Nebenwirkungen hintanzuhalten. Indiesem Zusammenhang möchte ich verschiedene Aspekte der radikalen Prostatektomie darstellen.
Keypoints
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Die daVinci-Prostatektomie ist der offenen Operation nicht klar überlegen, jedoch verbreitet sich die robotische Prostatektomie zunehmend.
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Wenn möglich und verfügbar sollte zum Staging eines Prostatakarzinoms eine PSMA-PET-CT eingesetzt werden (High- und Intermediate-Risk-Karzinome).
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Das Ergebnis der Nervschonung im Rahmen einer Prostatektomie hängt wesentlich vom Alter der Betroffenen und der Operationstechnik ab.
Historie der radikalen Prostatektomie
Um 1900 begannen Proust und Young Prostataoperation über einen perinealen Zugangsweg durchzuführen. Millin etablierte etwa 40 Jahre später den retropubischen Zugang, welcher bis heute auch noch so genützt wird. Den Grundstein für die „moderne“ Prostatektomie legte 1983 Patrick Walsh mit der nerverhaltenden Prostatektomie. In der Folge wurde die Methodik 1991 über die Laparoskopie verfeinert und schlussendlich 2000 erstmalig die robotisch assistierte Prostatektomie mit dem daVinci-System durchgeführt.
Aktueller Stellenwert der Prostatektomie
Anlässlich der Präsentation der 15-Jahres-Daten der Protect-Studie stellt sich die Frage nach der Aktualität und derzeitigen klinischen Stellung der radikalen Prostatektomie. Ziel des Eingriffes ist die vollständige Entfernung der tumorbefallenen Prostata mit Kapsel sowie der Samenbläschen. Hierbei müssen die Kontinenz und die Potenz der Betroffenen möglichst gut erhalten bleiben, da dies wesentlich in Hinblick auf deren Lebensqualität ist. In der Protect-Studie wurden Prostatakarzinompatienten einer Therapieoption zugelost. Optionen waren die radikale Prostatektomie, die Radiotherapie der Prostata sowie die „active surveillance“.
In der Gruppe der Low- und Intermediate-Risk-Karzinome war in Hinblick auf das Gesamtüberleben und das krebsspezifische Überleben keine Therapieoption der anderen überlegen. Diese Ergebnisse werden derzeit sehr kontrovers diskutiert, jedoch sollten sie unser Denken in der Therapie des Prostatakarzinoms mitbestimmen. Ein Punkt ist die Tatsache, dass in etwa 60% der Fälle von einer anfänglichen „active surveillance“ zu einer aktiven Therapie (Operation, Radiotherapie) übergegangen wurde.
Die Risikoeinteilung des Prostatakarzinoms erfolgt nach d’Amico (Tab. 1).1 Beim Low-Risk-Tumor ist kein spezifisches Staging notwendig. Beim Intermediate-Risk-Tumor sollten zumindest eine Schnittbildgebung mit CT sowie ein Knochenscan erwogen werden. Idealerweise – und falls verfügbar – sollte hier ein Staging mittels PSMA-PET durchgeführt werden.
Beim High-Risk-Karzinom empfiehlt die European Association of Urology (EAU) seit 2024 ein Staging mittels PSMA-PET, falls dieses verfügbar ist. Alternativ ist ein konventionelles Staging mittels Stamm-CT und Knochenscan möglich. Die Empfehlung zum molekularen Staging beruht auf einer höheren Genauigkeit (92% PET-CT – 65% CT/Knochenscan), einem höheren Behandlungseinfluss (28% vs. 15%) und weniger irreführenden Befunden (7% vs. 23%).2
Offene versus robotische Prostatektomie
Mit der Etablierung des robotischen daVinci-Systems in der Urologie in den frühen 2000er-Jahren hat sich die operative Landschaft der radikalen Prostatektomie gewandelt. War die offene Prostatektomie bis dahin Standard, so ist diese mittlerweile durch den robotischen Eingriff abgelöst. Nur ein kleiner und stabiler Anteil wird nicht robotisch laparoskopisch operiert. Die Zunahme der robotischen Prostatektomie ist nicht zuletzt der steileren Lernkurve im Vergleich zum laparoskopischen Eingriff geschuldet. Immer wieder stellt sich die Frage, welche operative Modalität bessere funktionelle und onkologische Ergebnisse hat. In einer retrospektiven multizentrischen Arbeit mit 14 operativen Zentren wurden 2625 Fälle zwölf Monate nach der Operation analysiert. Hier konnte in beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied in Bezug auf die Inkontinenz (21,3% robotisch vs. 20,2% offen), die erektile Dysfunktion (70,4% vs. 74,7%) und die R1-Raten (21,8% vs. 20,9%) gezeigt werden.3 Eine aktuellere Arbeit, welche die Ergebnisse nach acht Jahren vergleicht, kommt zu einem ähnlichen Schluss, wobei hier die Rate an erektiler Dysfunktion nach einem Eingriff durch erfahrenere Operateur:innen etwas niedriger liegt (63% robotisch vs. 70% offen). In Bezug auf das Langzeitüberleben nach diesen acht Jahren schnitt die robotische Prostatektomie unter den High-Risk-Karzinomen besser ab (88% vs. 79%).4
Die Häufigkeit und die Schwere von operativen Komplikationen unterscheiden sich zwischen den zwei Operationsmethoden nicht. Lediglich der Schmerzmittelverbrauch ist in der robotischen Gruppe geringer, was sich einfach erklären lässt. Dieser Vorteil ist aber bereits wenige Wochen postoperativ wieder verflogen. Die Aufenthaltsdauer im Spital ist bei den robotischen Eingriffen signifikant kürzer, ebenso ist die Gabe von Blutprodukten weniger oft indiziert.5
Aus einem anderen Blickwinkel erscheinen die Daten aus Bad Wildungen, welche am EAU-Kongress dieses Jahr in Paris präsentiert wurden. Hierbei handelt es sich um eine Rehaklinik in Deutschland, die sich auf urogenitale Rehamaßnahmen spezialisiert hat. Hier ist die Entwicklung über die Jahre aufseiten der robotischen Operationsmethode zu sehen (Abb. 1). Diese Daten, noch nicht durch ein Peer-Review-Verfahren bestätigt beziehungsweise noch nicht publiziert, sind jedoch deshalb interessant, da sie von einer Rehaklinik stammen.6
Die Nervschonung
Das neurovaskuläre Bündel umgibt die Prostata lateral und laterodorsal zwiebelschalenartig. Die Schonung dieser Strukturen begünstigt den Erhalt der erektilen Funktion bzw. die Chance einer Behebung einer postoperativ resultierenden erektilen Dysfunktion. Liebevoll werden diese Strukturen auch von manchen Urolog:innen als Schleier der Aphrodite bezeichnet. Je nach Tumorstadium und Ausdehnung ist der Erhalt dieser Strukturen ein- oder beidseitig möglich. Um die Wahrscheinlichkeit einer Infiltration des Prostatakarzinoms in das neurovaskuläre Bündel abzuschätzen, gibt es neben dem MRT-Staging der Prostata auch Nomogramme, die auf die robotische Prostatektomie kalibriert sind.7 Empfehlungen für einen Cut-off gibt es derzeit keine. Die Technik der operativen Schonung des neurovaskulären Bündels ist mannigfaltig und kann übersichtlich in eine interfasziale und eine intrafasziale Technik eingeteilt werden. Die Grenze bildet hier die prostatische Faszie. Wird der Nerverhalt intrafaszial durchgeführt, bedeutet das, dass mehr Gewebe von der Prostata abgeschoben wird und somit mehr neurovaskuläres Gewebe im Prostatabett verbleibt. Eine aktuelle Arbeit dazu zeigt die Potenz nach einem Jahr abhängig vom Alter und Grad der Nerverhaltung (Tab. 2).8
Tab. 2: Potenz nach einem Jahr in Abhängigkeit vom Alter und Grad der Nerverhaltung (modifiziert nach Cotter Fonseca P et al.)8
Literatur:
1 Cornford P et al.: https://uroweb.org/guidelines/prostate-cancer 2 Hofman MS et al.: Lancet 2020; 395(10231): 1208-16 3 Haglind E et al.: Corrigendum re: [Eur Urol 2015; 68: 216-25]. Eur Urol 2017; 72(3): e81-2 4 Lantz A et al.: Eur Urol 2021; 80(5): 650-60 5 Cochrane Database Syst Rev 2017; 2017(9) 6 Butea-Bocu MC: Abstr. #A0004, EAU-Kongress 2024 7 www.evidencio.com/models/show/1017 . (Zugriff 11.5.2024) 8 Cotter Fonseca P et al.: Poster #AM24-597896, EAU-Kongress 2024
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