<p class="article-intro">Während am ASCO-Kongress 2015 einerseits für die Erstlinie erneut Daten präsentiert wurden, die für ein modifiziertes Verabreichungsschema von Sunitinib sprechen, lässt andererseits eine Studie zur Kombination von Everolimus mit Lenvatinib aufhorchen: Unter der Therapie wurden die besten Ergebnisse erzielt, die bislang für Zweitlinie berichtet worden sind. Die Immuntherapie sorgt auch beim Nierenzellkarzinom weiterhin für großes Aufsehen: Unter Nivolumab plus Ipilimumab wurden beeindruckende Responseraten verzeichnet.</p>
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<p class="article-content"><h2>First-Line-Therapie</h2> <p>Seit einigen Jahren gibt es Hinweise darauf, dass das bisherige Sunitinib-Therapieschema (4 Wochen Therapie, gefolgt von 2 Wochen Pause) nicht das ideale Verabreichungsschema für diese Substanz ist. Die Berichte häufen sich, wonach ein individualisiertes Schema, z.B. 2 Wochen Therapie, gefolgt von nur einer Woche Pause, wesentlich besser toleriert wird. Dadurch sind zudem seltener Dosisreduktionen notwendig, was wiederum für die Wirksamkeit förderlich ist. Beim ASCO-Kongress 2015 gab es zu dieser Thematik neuerlich Daten. Bjarnason und Kollegen<sup>1</sup> präsentierten die Ergebnisse einer prospektiven Phase-II-Studie. Die Rationale für die Durchführung dieser Studie war, dass mehr als 50 % der Patienten die Standard-Sunitinib-Dosis bzw. das Standardregime von 50mg/Tag über 4 Wochen schlecht tolerieren. Eine Dosisreduktion und damit eine geringere AUC („area under the curve“) ist jedoch mit einem kürzeren progressionsfreien Überleben (PFS) und Gesamtüberleben (OS) assoziiert. Darüber hinaus kann in der anschließenden zweiwöchigen Therapiepause eine Progression eintreten. Die kanadische Arbeitsgruppe hat im Rahmen der Studie die Patienten zunächst gemäß dem traditionellen Schema behandelt und dann in Abhängigkeit von den Nebenwirkungen eine in Bezug auf Regime und Dosis individualisierte Therapie angeboten (Abb. 1). <br /> Bei 102 evaluierbaren Patienten zeigte sich eine Rate an objektiver Response (ORR) von 48 % , weitere 41,2 % der Patienten wiesen eine stabile Erkrankung auf. Das PFS war zum Zeitpunkt der Analyse noch nicht erreicht. Bei 19,6 % der Patienten konnte die Dosis durch die bessere Verträglichkeit im individualisierten Therapieplan auf bis zu 75mg eskaliert werden. Diese individualisierte Darreichungsform war zudem mit einer wesentlich besseren Therapietoleranz verbunden.<br /> Zu ähnlichen Ergebnissen bei einer kleineren Population kam eine retrospektive Analyse aus Wien.<sup>2</sup> Bei 37 Patienten wurde Sunitinib von Beginn an in einem Schedule von zwei Wochen Therapie, gefolgt von einer Woche Pause, verabreicht. Aufgrund der ausgezeichneten Toleranz konnte bei einem Drittel der Patienten die Dosis auf >50g eskaliert werden – sei es, um Resistenzen zu durchbrechen oder um eine Response zu erzwingen. Durch diese Anhebung der AUC wurde bei 48 % eine Remission erzielt, die Zeit unter Erstlinientherapie betrug im Median 34,3 Monate und das OS 75 Monate.<br /> Dass durch Dosiseskalationen von Sunitinib und Axitinib vorliegende Resistenzen überwunden werden können, berichten auch Ornstein und Kollegen.<sup>3</sup> Nach Progression unter Axitinib oder Sunitinib konnte durch Dosiseskalation bei 11 % der Patienten eine partielle Remission und bei 78 % eine Stabilisierung erreicht werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite56.jpg" alt="" width="638" height="637" /></p> <h2>Second-Line-Therapie</h2> <p>Die RECORD-4-Studie<sup>4</sup> war eine Phase-II-Studie zu Everolimus bei Patienten, die nur eine Vortherapie erhalten hatten (Sunitinib-Vortherapie: n=58; andere Anti-VEGF[„vascular endothelial growth factor“]-Therapien: n=62; Zytokin-Vortherapie: n=14). Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Autoren zogen den Schluss, dass die Studie den klinischen Benefit von Everolimus in der Zweitlinie bestätigt.<br /> Das Interesse an einer Everolimus-Monotherapie ist jedoch seit dem ASCO-Kongress 2015 aufgrund einer neuen Zweitlinienstudie deutlich in den Hintergrund gerückt. Motzer und Kollegen präsentierten Ergebnisse einer randomisierten Phase-II-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit einer Kombination von Everolimus mit dem VEGFR- und FGFR(„fibroblast growth factor receptor“)-Inhibitor Lenvatinib.<sup>5</sup> Das Studiendesign ist in Abbildung 2 dargestellt: Die Patienten wurden bei Progression nach bzw. unter einer Anti-VEGF-Therapie zu Lenvatinib + Everolimus, einer Lenvatinib-Monotherapie bzw. einer Everolimus-Monotherapie randomisiert.<br /> Die ORR im Kombinationsarm war mit 43 % die bisher höchste, die je für die Zweitlinie gezeigt wurde; zudem wurde eine mediane Remissionsdauer von 13 Monaten verzeichnet. Diese herausragenden Ergebnisse setzen sich durch Erreichen eines statistisch signifikanten PFS-Benefits, vor allem aber eines OS-Benefits fort (Abb. 3 und 4). Wenngleich es sich bei dieser Studie um eine kleine randomisierte Phase-II-Studie mit 153 Patienten handelt, sind die Ergebnisse insgesamt mit Abstand die besten, die jemals für die Zweitlinie nach Versagen einer Anti-VEGF-Therapie berichtet wurden. Derzeit wird mit der FDA („food and drug administration“) verhandelt, ob diese Ergebnisse für die Zulassung ausreichen oder ob eine größere (Phase-III)-Studie angeschlossen werden muss.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite57.jpg" alt="" width="650" height="648" /></p> <h2>Neue Substanzen – neue Kombinationen</h2> <p>Ergebnisse kleinerer Phase-I- oder Phase-I/II-Studien lassen auf weitere interessante Synergien hoffen. Dalantercept, eine ALK(„activin-receptor-like“)-Kinase, zeigte in Kombination mit Axitinib bei 29 stark vorbehandelten Patienten, die die Therapie gut tolerierten, eine ORR von 25 % und ein PFS von 8,3 Monaten.<sup>6</sup> Bei 32 vorbehandelten Patienten konnte mit der Kombination aus Bevacizumab und dem PI3-Kinase-Inhibitor Buparlisib ein PFS von 8 Monaten erreicht werden.<sup>7</sup> Als besonders vielversprechend erwies sich auch die Kombination von Bevacizumab mit dem Nanopartikel-Konjugat CRLX101, welches den Topoisomerase-Inhibitor Camptothecin trägt. CRLX101 blockiert die Hochregulierung von HIF-1α, eine bekannte Folge von kontinuierlicher VEGF-Inhibition. Bei 22 Patienten, die im Median zwei Vortherapien erhalten hatten, konnte in einer Phase-Ib/IIa-Studie in der gesamten Kohorte ein PFS von 9,9 Monaten und in der Zweitliniensituation von 11,21 Monaten erzielt werden. Die ORR betrug 23 % .<sup>8</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite58.jpg" alt="" width="652" height="909" /></p> <h2>Immuntherapie</h2> <p>Weiterhin großes Aufsehen erregen die neuen Immuntherapien mit PD-1-Inhibitoren und/oder CTLA-4-Inhibitoren. U.a. wurden die Ergebnisse einer erweiterten Patientenkohorte aus der CheckMate-016-Studie zur Kombination von Nivolumab und Ipilimumab präsentiert.<sup>9</sup> Die Dosierungen betrugen entweder 3mg/kg Nivolumab + 1mg/kg Ipilimumab (N3+I1) oder 1mg/kg Nivolumab mit 3mg/kg Ipilimumab (N1+I3). Im N3+I1-Arm wurde bei 38 % der Patienten ein objektives Ansprechen und bei weiteren 40 % eine Stabilisierung der Erkrankung erreicht: Das mediane PFS lag bei 30,3 Wochen. Im N1+I3-Arm waren die Ergebnisse numerisch noch besser – ORR: 43 % , PFS: 36 Wochen. Allerdings wurde auch ein nicht unbeträchtliches Toxizitätsprofil unter dieser Kombinationstherapie verzeichnet: Nebenwirkungen der Grade 3/4 wurden in der N3+I1-Gruppe bei 34 % und in der N1+I3-Gruppe bei 64 % dokumentiert. Die häufigsten Toxizitäten waren eine Erhöhung von Lipase, Amylase und der Leberenzyme, Diarrhö und Kolitis. Nadal und Kollegen<sup>10</sup> zeigten darüber hinaus, dass VEGF-Tyrosinkinaseinhibitoren auch nach einer PD-1-Inhibitor-Therapie wieder wirksam sind (ORR: 27 % , PFS: 6,9 Monate).</p> <h2>Nicht klarzelliges Nierenzellkarzinom</h2> <p>In der ASPEN-Studie<sup>11</sup> (Abb. 5) wurde die Wertigkeit eines mTOR-Inhibitors (Everolimus) im Vergleich zu einem VEGF-Inhibitor (Sunitinib) bei 108 Patienten mit nicht klarzelligen Karzinomen (papillär, chromophob, unklassifiziert, Translokationskarzinom, sarkomatoide Differenzierung) untersucht. <br /> Das PFS, der primäre Endpunkt, war bei Sunitinib-Patienten deutlich länger als in der Everolimus-Gruppe (8,3 vs. 5,6 Monate; Abb. 6).<br /> Eine Subgruppenanalyse konnte einen potenziellen Vorteil für die Everolimus-Therapie bei Patienten mit chromophoben Karzinomen aufzeigen (11,4 Monate vs. 5,5 Monate), jedoch muss auf die kleine Patientenzahl (n=31) hingewiesen werden. Demgegenüber stehen die Ergebnisse einer retrospektiven Studie von Colomba und Kollegen<sup>12</sup> bei 63 Patienten mit chromophobem Karzinom: Durch antiangiogenetische Therapie (84 % der Patienten hatten eine Sunitinib-Vor­therapie) konnten eine ORR von 36 % und ein OS von 30 vs. 9 Monate vs. dem mTOR-Inhibitor erreicht werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Jatros_Onko_1504_Weblinks_Seite60.jpg" alt="" width="659" height="846" /></p> <h2>Fazit ASCO 2015 – Nierenzellkarzinom</h2> <p>Eine Sunitinib-Erstlinientherapie im individualisierten Schedule (anstelle von 4 Wochen Therapie gefolgt von 2 Wochen Pause z.B. 2 Wochen Therapie gefolgt von 1 Woche Pause) ermöglicht die bislang höchsten Ansprechraten und vermutlich das längste Gesamtüberleben. Die hohe Therapietoleranz erlaubt zudem auch Dosiseskalationen, um eventuelle Resistenzen zu durchbrechen.<br /> In der Zweitlinie ist die Kombination bestehend aus Everolimus und Lenvatinib das Vielversprechendste, das je in diesem Patientensetting berichtet wurde.<br /> Die Immuntherapie bleibt weiterhin im Zentrum des Interesses.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Klinische Abteilung für Onkologie<br/>
Universitätsklinik für Innere Medizin I<br/>
Medizinische Universität Wien<br/>
E-Mail: manuela.schmidinger@meduniwien.ac.at
Quelle: 51. Meeting der ASCO,
29. Mai bis 2. Juni 2015, Chicago
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Bjarnason GA et al: ASCO 2015; Abstract #4555<br /><strong>2</strong> Schmidinger M et al: ASCO 2015; Abstract #e5585<br /><strong>3</strong> Ornsten MC et al: ASCO 2015; Abstract #4562<br /><strong>4</strong> Motzer J R et al: ASCO 2015; Abstract #4518<br /><strong>5</strong> Motzer RJ et al: ASCO 2015; Abstract #4506<br /><strong>6</strong> Voss MH et al: ASCO 2015; Abstract #4567<br /><strong>7</strong> McKay R et al: ASCO 2015; Abstract #4559<br /><strong>8</strong> Keefe SM et al: ASCO 2015; Abstract #4543<br /><strong>9</strong> Hammers HJ et al: ASCO 2015; Abstract #4516<br /><strong>10</strong> Nadal R et al: ASCO 2015; Abstract #4566<br /><strong>11</strong> Armstrong AJ et al: ASCO 2015; Abstract #4507<br /><strong>12</strong> Colomba E et al: ASCO 2015; Abstract #4561</p>
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