
Die Rolle der Pflege bei schwierigen Entscheidungen
Autorin:
Mag. iur. Christine Haas, MBA
Bereichsleitung Pflege
Barmherzige Schwestern Elisabethinen
Ordensklinikum Linz
E-Mail: christine.haas@ordensklinikum.at
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Jede Entscheidung, die in einem Behandlungsverhältnis getroffen wird, beruht auf mehreren Säulen und bewegt sich immer im Spannungsfeld zwischen Medizin, Ethik und Recht. Auf den ersten Blick kommt in dieser Systematik der Gesundheits- und Krankenpflege (GuK-Pflege) eine kleine bis gar keine Rolle zu. Wie wichtig jedoch der Austausch in der Praxis ist , zeigen die folgenden Ausführungen.
Keypoints
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Die Frage nach der medizinischen Indikation steht an erster Stelle einer Entscheidung im Behandlungsverhältnis.
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Die ethische Säule in der Entscheidungsfindung befasst sich insbesondere mit der Frage des Wohltuns und der Lebensqualität.
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In der Entscheidungssäule Recht steht das Recht auf Selbstbestimmung im Fokus.
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Die GuK-Pflege leistet in jeder einzelnen Säule einen wesentlichen Beitrag, um einer medizinisch, ethisch und rechtlich einwandfreien Entscheidung nahezukommen.
Die „Säulen“ einer Entscheidung
Medizin, Ethik und Recht sind eng miteinander verknüpft und bilden zusammen die Grundlage für Entscheidungen im Gesundheitswesen. Während die Medizin die wissenschaftliche Grundlage für Diagnose und Behandlung liefert, setzt die Ethik moralische Maßstäbe und die Rechtsordnung die rechtlichen Rahmenbedingungen (Tab.1).
Medizin
An erster Stelle einer Entscheidung im Behandlungsverhältnis steht die Frage nach der medizinischen Indikation. Nach positiver Klärung dieser Frage geht es um die ärztliche Aufklärung, die je nach Intensität und Dringlichkeit entsprechend mehr oder weniger umfangreich zu sein hat. Diese Aufklärung wiederum bildet die Grundlage für eine möglichst qualifizierte Zustimmung durch den Patienten/die Patientin im Sinne eines „informed consent“ (informierte Einwilligung).
Ethik
Die ethische Säule in der Entscheidungsfindung setzt sich vordergründig mit der Frage des Wohltuns und der Lebensqualität des zu behandelnden Menschen auseinander. Insbesondere die Abwägung der Lebensqualität vor und der zu erwartenden Lebensqualität nach der geplanten Intervention steht im Zentrum. Dabei ist nicht rein in medizinischen Kategorien zu denken, vielmehr ist die konkrete Lebenssituation genau dieses zu behandelnden Menschen heranzuziehen und daraus folgend das passende Therapieziel festzulegen. Im ethischen Diskurs findet auch das Thema Verteilungsgerechtigkeit bei begrenzten Ressourcen Platz – wie dies beispielsweise bei Organtransplantationen der Fall ist.
Recht
Das Recht auf Selbstbestimmung der Patient:innen ist in der Entscheidungs-säule Recht zentral. Insbesondere dann, wenn der Wille nicht oder nicht mehr adä-quat geäußert werden kann. Gibt es auch keine antizipierte Entscheidung im Sinne einer Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht, wird der mutmaßliche Patient:innenwillen herangezogen. Diesen gilt es aufgrund von konkreten Anhaltspunkten zu ermitteln. Dazu werden frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen berücksichtigt, in denen ethische Überzeugungen, religiöse oder persönliche Wertvorstellungen des Patienten/der Patientin zum Ausdruck kommen. Natürlich ist auch die Behandlung de lege artis im Sinne von Schadensvermeidung rechtlich mehr als relevant.
Die Rolle der Pflege
Auf den ersten Blick kommt nach dieser Systematik der Gesundheits- und Krankenpflege (GuK-Pflege) keine bis gar keine Rolle zu. Bei näherer Betrachtung wird jedoch sichtbar, dass die GuK-Pflege in jeder einzelnen Säule einen wesentlichen Beitrag leistet, um einer medizinisch, ethisch und rechtlich einwandfreien Entscheidung nahe zu kommen (Tab.2).
Medizin und Pflege
Bei Entscheidungsfindungsprozessen in multiprofessionellen Behandlungsteams kommt der GuK-Pflege durch die Nähe der Arbeit am Menschen eine ganz zentrale Rolle zu. Je komplexer die medizinische Situation eines/einer Patient:in ist, umso häufiger erhält das GuK-Pflegepersonal abseits von offiziellen Informations- und Aufklärungsgesprächen relevante und entscheidende Informationen für die weitere Diagnostik und Therapie. Wichtig dabei ist auch die Rolle der Vertreter:innen der Pflegeassistenzberufe, die noch unmittelbarer und über längere Zeitspannen am Menschen tätig sind. Auch die Wirksamkeit eines ärztlichen Aufklärungsgesprächs zeigt sich oft erst im nachgehenden Gespräch mit einer GuK-Person, wodurch dieser wiederum eine wichtige „Brückenfunktion“ zwischen Medizin und Patient:in zukommt.
Ethik und Pflege
Für die Kenntniserlangung der vorhandenen und/oder der gewünschten individuellen Lebensqualität ist wiederum die patient:innennahe Arbeit maßgeblich. Oft werden genau diese entscheidenden Aussagen bei informellen Gesprächen im Rahmen von Pflegetätigkeiten getätigt. Genauso können bei Gesprächen mit nahen Angehörigen wichtige Erkenntnisse zur Feststellung der individuellen Lebensumstände und Wertigkeiten gewonnen werden. Je multiprofessioneller und breiter die Informationen zusammengetragen werden, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, das der Lebenssituation des Patienten/der Patientin entsprechende Therapieziel festlegen zu können.
Recht und Pflege
Ist die Entscheidungsfähigkeit bei einem Patienten/einer Patientin nicht mehr in vollem Umfang vorhanden, braucht es Unterstützungsarbeit, um die Entscheidungsfähigkeit bestmöglich herzustellen. Dies kann durch die Einbeziehung von geeigneten Personen passieren aber auch durch angepasste und niederschwellige Kommunikation, die dem Aufnahmegrad des Patienten/der Patientin entspricht. Auch diese Gesprächssituationen ergeben sich meistens bei informellem Patien-t:innenkontakt, wie dies im Rahmen der pflegerischen Arbeit immer der Fall ist.
Ist der Patient:innenwille in der konkreten Situation gar nicht mehr eruierbar, so muss auf den mutmaßlichen Willen zurückgegriffen werden. Da dieser aber nie eindeutig bekannt sein kann, gilt es, sich diesem bestmöglich anzunähern. Bei diesem Prozess wird auf früher getätigte Äußerungen oder Handlungen zurückgegriffen, aus denen der mutmaßliche Wille abzuleiten ist oder sich darauf Rückschlüsse ziehen lassen. Auch hier nimmt wiederum die GuK-Pflege neben den Angehörigen eine zentrale Rolle ein.
Entscheidungshilfen für die Praxis
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Den Willen der Patient:innen genau eruieren durch:
Hinhören von mehreren Seiten
Einbeziehung von Vertrauenspersonen
Frühere Aussagen – mutmaßlicher Willen?
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Interprofessioneller und Interdisziplinärer Austausch
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Ethische Fallbesprechungen oder Ethikvisiten
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Einberufung des klinischen Ethikkomitees mit protokollierter Entscheidung – Therapieziel.
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