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Praxisrelevante Neuigkeiten beim Ovarialkarzinom

<p class="article-intro">Das ASCO Annual Meeting 2017 war insofern ein besonderer Kongress, als lang erwartete akademische Studien im Bereich Ovarialkarzinom vorgestellt wurden. Die Endergebnisse der Studien LION und DESKTOP III wurden in den Präsentationen der deutschen AGO im Rahmen des Kongresses mit großem Interesse aufgenommen. Eine weitere praxisrelevante Phase-II-Studie wurde durch die spanische Gruppe GEICO vorgestellt. Sie behandelte den neoadjuvanten Einsatz von Bevacizumab beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom. Im folgenden Beitrag werde ich diese drei Studien präsentieren.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>LION-Studie</h2> <p>Studienhintergrund: Das Ziel der Behandlung ist eine komplette makroskopisch tumorfreie Resektion beim prim&auml;r fortgeschrittenen Ovarialkarzinom. Eine randomisierte Studie<sup>1</sup> zeigte bereits einen signifikanten Vorteil im progressionsfreien &Uuml;berleben (PFS) bei Patientinnen mit Ovarialkarzinom und kompletter systematischer pelviner und paraaortaler Lymphadenektomie, die makroskopisch tumorfrei oder bis 10mm operiert wurden, jedoch keinen Vorteil im Gesamt&uuml;berleben (OS).<br />Retrospektive Analysen der AGO Deutschland haben auf einen m&ouml;glichen &Uuml;berlebensvorteil bei Patientinnen mit klinisch unauff&auml;lligen Lymphknoten (LK) und systemischer Lymphadenektomie (LAE) beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom hingewiesen.<sup>2</sup> Somit wurde eine breit angelegte randomisierte Phase-III-Studie<sup>3</sup> ausgearbeitet, mit dem Ziel, zu zeigen, ob eine systemische Lymphadenektomie einen &Uuml;berlebensvorteil bringen k&ouml;nnte. Im Dezember 2008 konnte die erste Patientin eingeschlossen werden. <br />Methodik: An der Studie konnten nur qualifizierte ausgew&auml;hlte Zentren teilnehmen. 12 OP-Berichte aus den letzten 12 Monaten mussten als Qualifikation vorgelegt werden, die LK-Entfernung wurde durch ein einheitliches LK-Mapping abgearbeitet und die Mindestzahl f&uuml;r pelvine Lymphknoten lag bei 20, f&uuml;r die paraaortalen LK bei 10.<br />640 Patientinnen im Stadium IIb bis IIIc wurden ben&ouml;tigt, um eine HR von 0,7 zu erreichen oder einen &Uuml;berlebensvorteil in 3 Jahren von 76 % auf 82,5 % zu steigern. Die Patientinnen mussten zwischen 18 und 75 Jahre alt und bei guter Kondition (ECOG 0&ndash;1) sein, sowohl klinisch als auch radiologisch durften keine suspekten LK nachweisbar sein und die Patientinnen durften keine vorrangegangene Chemotherapie erhalten haben.<br />Interessant ist, dass 1895 Patientinnen regristriert werden mussten, um 650 randomisieren zu k&ouml;nnen, denn 650 hatten eine andere Histologie oder ein falsches Stadium, bei 473 konnte keine komplette Resektion erreicht werden und bei weiteren 360 wurden intraoperativ &bdquo;bulky nodes&ldquo; entdeckt.<br />Zu beachten ist hierbei, dass in 56 % der F&auml;lle trotz klinisch negativer Lymphknoten mikroskopische Lymphknotenmetastasen zu finden waren.<br />Ergebnisse: Die Patientinnen wiesen ein PFS von 25,5 Monaten und ein medianes OS von 67,2 Monaten auf. Das 5-Jahres-&Uuml;berleben lag bei 55,9 % .<br />Im PFS gibt es zwischen den beiden Gruppen LAE vs. keine LAE keinen Unterschied (25,5 Monate). Auch im OS gab es keinen signifikanten Unterschied (LAE: 65,5 Monate vs. keine LAE: 69,2 Monate).<sup>4</sup><br />Zusammenfassung der Resultate und Schlussfolgerung: Patientinnen, die in einem qualifizierten Zentrum prim&auml;r makroskopisch tumorfrei operiert werden, haben eine gute Prognose (PFS: 25,5 Monate, OS: 67,2 Monate).<br />Systematisch pelvin und paraaortal lymphadenektomierte Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom haben mit intraabdomineller kompletter Resektion und klinisch unauff&auml;lligen Lymphknoten keinen Vorteil im Gesamt&uuml;berleben oder im progressionsfreien Intervall, trotz 56 % gefundener Metastasen in der lymphadenektomierten Gruppe.<br />Die Daten dieser Studie deuten darauf hin, dass eine systematische Lymphadenektomie bei klinisch unauff&auml;lligen Lymphknoten bei Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom vermieden werden sollte.<br />&Uuml;ber eine neue Klassifikation des Ovarialkarzinoms und dementsprechende State-of-the-Art-Behandlungsstrategien wird man offen sprechen m&uuml;ssen.</p> <h2>DESKTOP-III-Studie</h2> <p>DESKTOP III ist eine randomisierte Phase-III-Studie, die initiiert wurde, um den Einfluss einer zytoreduktiven Zweitoperation beim rezidivierenden Ovarialkarzinom zu beobachten. Am diesj&auml;hrigen ASCO Meeting wurde nun eine Interimsanalyse vorgestellt.<br />Hintergrund: Chirurgie und Chemotherapie sind die Hauptbehandlungsstrategien beim Ovarialkarzinom. Wie weit ein weiterer zytoreduktiver Eingriff beim rezidivierenden Ovarialkarzinom bei einer bestimmten Patientengruppe einen Vorteil bringt, ist bis dato noch nicht gekl&auml;rt. DESKTOP I hat die Hypothese eines m&ouml;glichen positiven Vorhersagewertes, den sogenannten AGO-Score, bei Patientinnen mit Rezidivoperation und Komplettresektion entwickelt.<sup>5</sup> DESKTOP II hat diesen Score in einer prospektiven Multizentrumstudie best&auml;tigt. Mehr als 2 von 3 Patientinnen konnten neuerlich tumorfrei operiert werden.<sup>6</sup><br />AGO-Score: Der in der DESKTOP-I-Studie retrospektiv definierte AGO-Score besteht aus folgenden Faktoren:</p> <ol> <li>ECOG Performance Status = 0</li> <li>tumorfrei nach der Erstoperation</li> <li>Aszites &lt;500ml</li> </ol> <p>Studiendesign: In die Studie wurden Ovarialkarzinompatientinnen mit einem ersten Rezidiv und einem positiven AGO-Score eingeschlossen. Die Patientinnen wurden randomisiert und erhielten entweder eine Platinum-basierte Chemotherapie oder eine zytoreduktive Operation mit darauffolgender Platinum-basierter Chemotherapie. Prim&auml;rer Endpunkt der Studie war das Gesamt&uuml;berleben, sekund&auml;re Endpunkte waren das progressionsfreie &Uuml;berleben, die Resektionsrate sowie Nebenwirkungen. Die Patientencharakteristik war in beiden Gruppen ausgeglichen, die postoperative bzw. die Second-Line-Chemotherapien waren mit Platin-basierten Therapien ausgeglichen. Die durchschnittliche OP-Dauer im Chirurgiearm wurde mit 220 Minuten bemessen. Der durchschnittliche Blutverlust wurde mit 250ml angegeben, die Relaparotomierate war mit 3,2 % nicht auff&auml;llig.<br />Ergebnisse: F&uuml;r den prim&auml;ren Endpunkt wurden die notwendigen Ereignisse noch nicht erreicht, und daher kann bis dato noch keine Aussage getroffen werden. Eine Beobachtung der geblindeten Daten, bis die notwendigen 244 Ereignisse stattgefunden haben, wurde empfohlen. Das PFS nach chirurgischem Ergebnis ist in Abbildung 1 dargestellt.<sup>7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1706_Weblinks_s84.jpg" alt="" width="1454" height="1041" /><br />Zusammenfassende Beurteilung: Ein zweiter chirurgischer Eingriff brachte bei Patientinnen mit Platin-sensitivem rezidivierendem Ovarialkarzinom und positivem AGO-Score eine Verl&auml;ngerung des PFS um 5,6 Monate und eine Verl&auml;ngerung der TSFT (Drittlinientherapie) von 7,1 Monaten (Abb. 2). Ein Vorteil des chirurgischen Eingriffes war ausschlie&szlig;lich bei den komplett resezierten Patientinnen zu sehen. Die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Prof. Andreas du Bois hofft sehr, die Daten f&uuml;r das Gesamt&uuml;berleben am n&auml;chsten ASCO-Meeting pr&auml;sentieren zu k&ouml;nnen, und glaubt, hiermit eine praxisrelevante Studie durchgef&uuml;hrt zu haben, die auch auf das Gesamt&uuml;berleben einen positiven Einfluss haben wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1706_Weblinks_s84_2.jpg" alt="" width="1454" height="834" /></p> <h2>NOVA-Studie</h2> <p>Hintergrund: Die Standardtherapie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom ist die prim&auml;re Chirurgie, gefolgt von einer Platin-h&auml;ltigen Chemotherapie mit/ohne Bevacizumab.<sup>8</sup> Neoadjuvante Chemotherapie (NACT), gefolgt von &bdquo;interval debulking surgery&ldquo; (IDS), zeigt &auml;hnliche Ergebnisse wie &bdquo;primary debulking surgery&ldquo; (PDS), gefolgt von Chemotherapie, wenn eine komplette Resektion nicht m&ouml;glich erscheint. Die Zugabe von Bevacizumab verl&auml;ngert das PFS signifikant.<sup>9</sup> Die Rolle von Bevacizumab im neoadjuvanten Gebrauch ist nicht gut untersucht und soll in dieser Phase-II-Studie erl&auml;utert werden.<br />Studiendesign: Die Patienten wurden randomisiert in 4 Zyklen NACT, einmal mit und einmal ohne Bevacizumab, wobei in der Bevacizumab-Gruppe nur die ersten 3 Zyklen Bevacizumab verabreicht wurden und der letzte Zyklus vor der IDS ausgelassen wurde. Prim&auml;res Ziel war die Beobachtung der kompletten makroskopischen Ansprechrate bei IDS, sekund&auml;res Ziel die Beobachtung der Sicherheit der Anwendung von Bevacizumab, die Anzahl der kompletten Resektionen und das PFS.<br />Ergebnisse: Beide Gruppen waren ausgewogen und folgende Ergebnisse sind zu berichten: Der prim&auml;re Endpunkt, die komplette makroskopische Remission, lag f&uuml;r beide Gruppen unter 10 % und hatte somit eine statistische Signifikanz verfehlt. Auch die PFS-Rate konnte keine statistische Signifikanz erreichen (Abb. 3). In der Bevacizumab-Gruppe konnten jedoch signifikant mehr Patientinnen operiert werden (22 [69 % ] vs. 31 [89 % ]).<sup>10</sup> Die Nebenwirkungen &ge;Grad 3 sind in Tabelle 1 zusammengefasst.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1706_Weblinks_s84_3.jpg" alt="" width="1457" height="819" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1706_Weblinks_s84_4.jpg" alt="" width="1419" height="430" /><br />Zusammenfassung: Die zus&auml;tzliche Gabe von Bevacizumab bei Patientinnen mit Verdacht auf nicht komplett resektables Ovarialkarzinom hat die komplette makroskopische Ansprechrate zum Zeitpunkt der IDS nicht erh&ouml;ht. Trotz vermehrt operativen Zug&auml;ngen in der Bevacizumab-Gruppe konnte weder die komplette Resektionsrate verbessert noch das PFS verl&auml;ngert werden. Die Zugabe von Bevacizumab ergab keine vermehrten Nebenwirkungen oder vermehrte Komplikationen.<br />Die Autoren vermerken, dass eine Zugabe von Bevacizumab bei gut ausgew&auml;hlten Hochrisikopatientinnen in Erw&auml;gung zu ziehen ist. In einer &ouml;sterreichischen Fachdiskussion wurden die Ergebnisse nochmals diskutiert. Der Grundtenor war, dass diese Ergebnisse haupts&auml;chlich im Rahmen der Beobachtung der Nebenwirkungen sinnvoll waren, um so gerade bei palliativen Patientinnen sichergehen zu k&ouml;nnen, dass sie durch die Zugabe von Bevacizumab ohne Operation keine erh&ouml;hten Nebenwirkungen zu erwarten haben. Somit hat auch diese Studie eine starke praxisrelevante Komponente.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Panici PB et al.: Systematic aortic and pelvic lymphadenectomy versus resection of bulky nodes only in optimally debulked advanced ovarian cancer: a randomized clinical trial. J Natl Cancer Inst 2005; 97(8): 560-6 <strong>2</strong> du Bois A et al.: Potential role of lymphadenectomy in advanced ovarian cancer: a combined exploratory analysis of three prospectively randomized phase III multicenter trials. J Clin Oncol 2010; 28(10): 1733-9 <strong>3</strong> Harter P et al.: Pattern and clinical predictors of lymph node metastases in epithelial ovarian cancer. Int J Gynecol Cancer 2007; 17(6): 1238-44 <strong>4</strong> Harter P et al.: LION: lymphadenectomy in ovarian neoplasms &ndash; a prospective randomized AGO study group led gynecologic cancer intergroup trial. J Clin Oncol 2017; 35(15 Suppl); Abstr. 5500 <strong>5</strong> Harter P et al.: Surgery in recurrent ovarian cancer: the Arbeitsgemeinschaft Gynaekologische Onkologie (AGO) DESKTOP OVAR trial. Ann Surg Oncol 2006; 13(12): 1702-10 <strong>6</strong> Harter P et al.: Prospective validation study of a predictive score for operability of recurrent ovarian cancer: the multicenter intergroup study DESKTOP II. A project of the AGO Kommission OVAR, AGO Study Group, NOGGO, AGO-Austria, and MITO. Int J Gynecol Cancer 2011; 21(2): 289-95 <strong>7</strong> du Bois A et al.: Randomized controlled phase III study evaluating the impact of secondary cytoreductive surgery in recurrent ovarian cancer: AGO DESKTOP III/ENGOT ov20. ASCO 2017. J Clin Oncol 2017; 35: Abstr. 5501 <strong>8</strong> Karam A et al.: Fifth Ovarian Cancer Consensus Conference of the Gynecologic Cancer InterGroup: first-line interventions. Ann Oncol 2017; 28(4): 711-7 <strong>9</strong> Burger RA et al.: Incorporation of bevacizumab in the primary treatment of ovarian cancer. N Engl J Med 2011; 365(26): 2473-83 <strong>10</strong> Garcia G et al.: Phase II randomized trial of neoadjuvant chemotherapy with or without bevacizumab in advanced ovarian cancer (GEICO 1205/NOVA trial). J Clin Oncol 2017; 35(15 Suppl); Abstr. 5508</p> </div> </p>
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