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Optimierte Brustkrebstherapie durch innovative Präparate
Leading Opinions
Autor:
Katharina Arnheim
Quelle: SABCS 2014, „Kongress à la carte” der Fa. Teva, 9. Dezember 2014, San Antonio
30
Min. Lesezeit
05.03.2015
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<p class="article-intro">Das SABCS zieht alljährlich im Dezember mehrere Tausend Brustkrebsexperten nach San Antonio. Darunter waren im vergangenen Jahr auch viele Mediziner aus dem deutschsprachigen Raum, die sich über neueste Entwicklungen in der Diagnose und Therapie dieses Tumors informierten. Zum Abschluss jedes Kongresstags gab der von Teva veranstaltete „Kongress à la carte“ einen Überblick über die aktuellen SABCS-Themen.</p>
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<p class="article-content"><p>2013 wurde das lang wirksame G-CSF-Präparat Lipegfilgrastim (Lonquex<sup>®</sup>) von der European Medicines Agency zur Verkürzung der Dauer von Neutropenien und zur Verminderung der Inzidenz febriler Neutropenien (FN) bei erwachsenen Patienten zugelassen, die wegen einer malignen Erkrankung eine zytotoxische Chemotherapie erhalten (Ausnahme: CML, MDS). Bekanntlich sind zahlreiche myelosuppressive Chemotherapien, insbesondere dosisdichte Regime, ohne Schutz durch ein G-CSF-Präparat gar nicht durchführbar, sodass leitliniengemäss eine Neutropenieprophylaxe indiziert ist.</p> <h2>Lange Halbwertszeit von Lipegfilgrastim</h2> <p>Lipegfilgrastim ist ein glykopegylierter rekombinanter G-CSF (rG-CSF), bei dem ein Polyethylenglykol-Molekül in zwei enzymatischen Schritten gezielt an Position 134 des hämatopoetischen Wachstumsfaktors, d.h. an die natürliche Glykosylierungsstelle von G-CSF, gebunden wird. Dank dieser Modifizierung ist Lipegfilgrastim stärker vor dem proteolytischen Abbau geschützt als unmodifizierter rG-CSF. Zudem hat sich das Molekül damit grössenmässig etwa verdoppelt und ist deshalb nicht mehr nierengängig. Es bleibt länger in der Zirkulation; die Halbwertszeit ist um ein Mehrfaches länger als bei rG-CSF-Präparaten der ersten Generation. Lipegfilgrastim muss daher nur einmal pro Zyklus appliziert werden. <br />Auch nach Zulassung von Lipegfilgrastim wird das Präparat weiter erforscht, um Erfahrungen zum Einsatz in der klinischen Praxis zu sammeln, berichtete Dr. Marina Wirtz, Köln. Das aktuelle Studienprogramm, an dem 215 Studienzentren und mehrere Studiengruppen mitarbeiten, umfasst Studien bei Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom, frühem und metastasiertem Brustkrebs sowie die nicht interventionelle NADIR-Studie zur Versorgungsforschung (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2015_Leading Opinions_Onko_1501_Weblinks_Seite96_1.jpg" alt="" width="521" height="377" /></p> <h2>Grosses weiterführendes Studienprogramm angelaufen</h2> <p>Die Studie ADAPT TN ist ein neoadjuvantes Projekt, in dem 2 Therapieregime (nab-Paclitaxel/Gemcitabin oder nab-Paclitaxel/Carboplatin) bei Frauen mit tripelnegativem Brustkrebs (TNBC) geprüft werden. „Diese Regime müssen leitliniengemäss durch G-CSF gestützt werden, wobei wahlweise Lipegfilgrastim eingesetzt wird“, informierte Wirtz. Eine weitere Neoadjuvanzstudie bei Hochrisikopatientinnen mit frühem Brustkrebs ist GeparOcto, in der die dosisdichte und dosisintensivierte Therapie mit dem ETC-Regime (Epirubicin, Paclitaxel, Cyclophosphamid) oder mit nicht pegyliertem liposomalem Doxorubicin (NPLD; Myocet®) plus Paclitaxel (MP) geprüft wird. Frauen mit HER2-positivem Brustkrebs erhalten zusätzlich Trastuzumab/Pertuzumab, diejenigen mit TNBC additiv Carboplatin. Im ETC-Arm erfolgt eine primäre Neutropenieprophylaxe mit Lipegfilgrastim, im MP-Arm mit einem kurz wirksamen rG-CSF. „Eine so dosisintensivierte Therapie wie das ETC-Regime benötigt zwingend eine G-CSF-Prophylaxe“, kommentierte Wirtz. <br />In der prospektiven Protroca-Studie werden 550 Brustkrebspatientinnen erfasst, die nach primärer Lipegfilgrastim-Prophylaxe unter dosisdichter oder moderater Chemotherapie eine schwere Neutropenie oder eine FN entwickeln. Eine zweite Gruppe erhält eine sekundäre Lipegfilgrastim-Prophylaxe, falls nach dem ersten Zyklus eine schwere Infektion oder Neutropenie Grad 4 aufgetreten ist. <br />Ein innovatives Konzept hat die Studie DETECT III: Bei Patientinnen mit metastasiertem HER2-negativem Brustkrebs wird nach zirkulierenden HER2-positiven Tumorzellen (CTC) gefahndet und eine CTC-Clearance unter Standardchemotherapie mit bzw. ohne Lapatinib erprobt. Je nach Intensität der eingesetzten Chemotherapie erfolgt eine Prophylaxe mit Lipegfilgrastim. <br />In ADAPT-Elderly wird in Abhängigkeit vom Ansprechen eine Optimierung der neoadjuvanten Therapie mit NPLD/Cyclophosphamid durch Paclitaxel bei ≥70-jährigen Patientinnen geprüft. Bei diesen Frauen mit bereits eingeschränkter Knochenmarkreserve wird eine leitliniengemässe G-CSF-Prophylaxe, in diesem Fall mit Lipegfil-<br />grastim, dringend empfohlen.</p> <h2>Interimsanalyse der NADIR-Studie</h2> <p>Für die Ende 2013 gestartete NADIR-Studie wurden bisher 653 der geplanten 1500 Patienten rekrutiert. Kürzlich wurden in einer Interimsanalyse Daten von 224 Patienten ausgewertet.<sup>1</sup> Mit einem Anteil von 46 % (n=103) handelt es sich mehrheitlich um Brustkrebspatientinnen. Im ersten Zyklus der durch Lipegfilgrastim unterstützten Chemotherapie waren FN mit einer Rate von nur 1,3 % (n=3) sehr selten. 67 % der Patienten erhielten Lipegfilgrastim als Primär-, 15,2 % als Sekundärprophylaxe. Dabei erwies sich Lipegfilgrastim bei primärprophylaktischem Einsatz als besonders effektiv: Hier wurde bei keinem Patienten eine FN dokumentiert. Die drei FN-Fälle traten bei einem Patienten unter Sekundärprophylaxe und zwei therapeutisch behandelten Patienten auf. Wirtz betonte, dass Lipegfilgrastim im klinischen Alltag gut vertragen wurde.</p> <h2>Knochenschmerzen prophylaktisch angehen</h2> <p>Mit einer Inzidenz von bis zu 38 % sind Knochenschmerzen ein häufiges und für Betroffene relevantes Problem bei der Gabe hämatopoetischer Wachstumsfaktoren. Wahrscheinlichste Ursache ist die Ausdehnung des Knochenmarks durch die stimulierte Hämatopoese, aber auch die Anregung peripherer Nozizeptoren und die Freisetzung von Schmerzmediatoren bei vermehrter Produktion von Leukozyten kommen infrage.<sup>2</sup> Wirtz empfahl, bereits mit der ersten G-CSF-Gabe zusätzlich ein NSAR (z.B. 2x 600mg Ibuprofen/d über 5–8 Tage) zu verabreichen. Für den Benefit dieser Massnahme spricht eine placebokontrollierte Phase-III-Studie, in der die prophylaktische NSAR-Gabe begleitend zu G-CSF zu einer wirksamen Reduktion der Knochenschmerzen führte.<sup>3</sup></p> <h2>Innovative Anthrazyklin-Formulierung</h2> <p>Anthrazykline sind beim Mammakarzinom als ein Goldstandard in der (neo)- adjuvanten Therapie und in der metastasierten Situation zu betrachten. Doch die Kardiotoxizität erlaubt es nicht immer, das Potenzial dieser Substanzen voll auszuschöpfen, erinnerte Prof. Dr. Günther Steger, Wien. Hier bietet sich nicht pegyliertes liposomales Doxorubicin an, das kaum oder gar nicht in Herzmuskelzellen aufgenommen wird und daher erheblich weniger kardiotoxisch ist. <br />Steger wertete NPLD als innovative Weiterentwicklung des klassischen Doxorubicins: Bei dieser Formulierung ist das wasserlösliche Doxorubicin in rund 130nm grossen Liposomen mit Phosphatidylcholin-Cholesterol-haltiger Membran verkapselt. Dank dieser Modifikation ist die Penetration in das Tumorgewebe verbessert: NPLD wird in neoplastischem Gewebe angereichert, während die Aufnahme in normales und gesundes Gewebe – im Gegensatz zu konventionellem Doxorubicin – deutlich vermindert ist. „Damit verringert sich auch die Exposition von Herzmuskelzellen gegenüber dem Wirkstoff – das kardiotoxische Risiko ist reduziert“, kommentierte Steger. In Xenotransplantaten humaner Mammakarzinomzellen reicherte sich NPLD deutlich stärker an als die konventionelle Formulierung.<sup>4</sup> Auch zeigen tierexperimentelle Daten, dass NPLD in Kardiomyozyten erheblich weniger pathologische Veränderungen auslöst als herkömmliches Anthrazyklin.<sup>5</sup></p> <h2>Verbesserter therapeutischer Index</h2> <p>NPLD kommt zulassungsgemäss in Kombination mit Cyclophosphamid bei Frauen mit metastasiertem Brustkrebs als First-Line-Therapie zum Einsatz und ist hier laut Steger eine etablierte Option. Die gute kardiale Verträglichkeit zeigte sich in der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie, in der das Regime aus liposomalem Doxorubicin und Cyclophosphamid (MC) mit konventionellem Doxorubicin/Cyclophosphamid (AC) verglichen wurde:<sup>6</sup> Ein Abfall der linksventrikulären Ejektionsfraktion wurde im MC-Arm nur bei 9 Patientinnen (6 % ), unter dem AC-Regime dagegen bei 33 Patientinnen (21 % ) dokumentiert. Eine symptomatische Herzinsuffizienz trat nur im AC-Arm (n=5), nicht aber unter dem MC-Regime auf. Die klinische Effektivität beider Regime war vergleichbar – die bessere kardiale Verträglichkeit ging also nicht auf Kosten der Wirksamkeit. Damit ist bei NPLD von einem erheblich verbesserten therapeutischen Index auszugehen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: SABCS 2014, „Kongress à la carte”
der Fa. Teva, 9. Dezember 2014, San Antonio
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<p><strong>1</strong> Kurbacher CM et al: DGHO-Kongress 2014; Poster P512 <br /><strong>2</strong> Lambertini M et al: Crit Rev Oncol Hematol 2014; 89: 112-128 <br /><strong>3</strong> Kirshner JJ et al: J Clin Oncol 2012; 30: 1974-1979 <br /><strong>4</strong> Dando TM, Keating GM: Am J Cancer 2005; 4: 193-206<br /><strong>5</strong> Kanter PM et al: In Vivo 1993; 7: 17-26 <br /><strong>6</strong> Batist G et al: J Clin Oncol 2001; 19: 1444-54</p>
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