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Onkologische Systemtherapie beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom

<p class="article-intro">Für das fortgeschrittene Prostatakarzinom gibt es verschiedene Therapieansätze, die im folgenden Beitrag skizziert werden. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf Chemotherapie, aber auch auf Hormontherapie und neuere zielgerichtete Ansätze sowie Immuntherapie gelegt.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Seit der Pr&auml;sentation der Docetaxel- Studie TAX327 im Jahre 2004 zeichnet sich beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom eine &auml;usserst positive Entwicklung im Sinne der breiteren Vernetzung von Urologie mit anderen medizinischen Fachrichtungen wie Onkologie, Radioonkologie, Nuklearmedizin, Pathologie u.a.m. ab. Dadurch beschleunigte sich die integrative Studient&auml;tigkeit mit dem Erfolg deutlich besserer Therapieergebnisse bei der in der westlichen Welt h&auml;ufigsten Krebserkrankung des Mannes. Neben klassischer Chemotherapie etablieren sich additive Hormontherapien, Behandlungen mit nuklearmedizinischen Medikamenten, dann auch mit effizienter Osteoprotektion, Immuntherapien werden weiterentwickelt und zusehends werden Behandlungen seltener histologischer Prostatakarzinomentit&auml;ten eingef&uuml;hrt. Das kreative Modell der englisch-schweizerischen Studiengruppe mit dem Akronym STAMPEDE ist beispielhaft f&uuml;r die Erarbeitung von wesentlichen Forschungsergebnissen auf diesem auch gesundheitspolitisch wichtigen Terrain (Abb. 1).<br /> Die Bedeutung der Chemotherapie war bis zur Einf&uuml;hrung der Docetaxel-Behandlung vernachl&auml;ssigbar. Docetaxel, gegeben bei Kastrationsresistenz und unter Fortsetzung der ADT (&laquo;androgen deprivation therapy&raquo;), appliziert zusammen mit Prednison, 3-w&ouml;chentlich, ist die erste Substanz mit nachweislich signifikanter Verl&auml;ngerung (gegen&uuml;ber der Standardtherapie zum Zeitpunkt der Durchf&uuml;hrung der Studie, Mitoxantron) des Gesamt&uuml;berlebens (+ 3 Monate), PSA-Response und Schmerzlinderung, bei Erhalt von Lebensqualit&auml;t und unter Inkaufnahme von gut behandelbaren Nebenreaktionen. Bei Hochrisikopatienten mit Gleason-Score 7&ndash;10 war der Benefit am st&auml;rksten ausgepr&auml;gt, z.B. mit PSA-Senkung &ge;50 % bei 62 % vs. 42 % in der Mitoxantron-Gruppe.<sup>1</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_lo_onko_1901_s54_abb1.jpg" alt="" width="800" height="405" /></p> <h2>Fr&uuml;hzeitiger Docetaxel-Einsatz lohnt sich</h2> <p>Am ASCO-Kongress 2014 wurden die CHAARTED-Ergebnisse in der Plenary Session pr&auml;sentiert, ein Jahr sp&auml;ter wurde gleichenorts die STAMPEDE-Studie vorgestellt. Beide Trials pr&uuml;ften Docetaxel bei Hochrisikopatienten mit metastasiertem, jedoch Hormontherapie-sensiblem Karzinom. Der Einsatz von Docetaxel sollte innerhalb von 4 Monaten nach ADT-Start beginnen. Die mediane Gesamt&uuml;berlebenszeit (OS) in der ADT-Gruppe betrug 44 Monate, in der ADT+Docetaxel-Gruppe 57,6 Monate (CHAARTED). Bei Patienten mit fortgeschrittener Metastasierung war das OS gar um 22 Monate verl&auml;ngert (STAMPEDE), der Krankheitsverlauf wurde hinausgez&ouml;gert, wobei eine gute Lebensqualit&auml;t erhalten blieb. Derart g&uuml;nstige Langzeitergebnisse im Falle von metastasierter Erkrankung werden in anderen Tumorentit&auml;ten kaum erreicht.<br /> Die Phase-III-Studie TROPIC<sup>2</sup> wurde 2010 publiziert: Beim metastasierten, kastrationsresistenten Prostatakarzinom (mCRPC) nach Versagen einer Erstlinien- Docetaxel-Therapie wurde Cabazitaxel + PRD mit Mitoxantron + PRD verglichen. Cabazitaxel ist ein semisynthetisches Taxan, im Gegensatz zu Docetaxel hirng&auml;ngig und dem Mechanismus der &laquo;multiple drug resistance&raquo; nicht unterworfen. Cabazitaxel erbrachte einen signifikanten OSBenefit und gilt seither als Standard-Second- Line-Chemotherapie. Interessant ist, dass anhand eines h&ouml;heren Neutropeniegrades die bessere Effizienz von Cabazitaxel abgesch&auml;tzt werden kann, und zudem, dass die Dosierung von 20mg/m<sup>2</sup> KOF &laquo;non-inferior&raquo; gegen&uuml;ber der Standarddosis von 25mg ist.<sup>3</sup></p> <h2>Hormontherapie</h2> <p>Grunds&auml;tzlich wird die prim&auml;re Hormontherapie, die &laquo;androgen deprivation therapy&raquo; (ADT), auch bei Hormontherapierefrakt&auml;rit&auml;t/ Kastrationsresistenz fortgesetzt, &laquo;definitiv&raquo; nach Orchiektomie, heute zumeist medikament&ouml;s mittels LHRH-Agonisten resp. -Antagonisten. Als maximale ADT wird die Kombination der prim&auml;ren Hormontherapie mit Antiandrogenen bezeichnet, die Ergebnisse sind inhomogen, eine Metaanalyse zeigt einen leichten, nicht signifikanten Vorteil der Kombination bei h&ouml;herer Nebenwirkungsrate.<br /> Eine wesentliche Nebenwirkung von Ketoconazol, eingesetzt als Fungizid, ist die unspezifische Blockierung der Androgensynthese. Diesen Effekt nutzte man bereits in den 1990er-Jahren zur Behandlung des Prostatakarzinoms &ndash; mit beachtlichem Erfolg. Die Pharmaforschung konnte diese Inhibition mit der Entwicklung von Abirateron pr&auml;zisieren im Sinne der CYP17-Blockade: komplette Biosyntheseblockade von Testosteron. Abirateron, zusammen mit Prednison, wurde vorerst klinisch bei mCRPC nach Versagen einer Docetaxel-Therapie untersucht und die Resultate wurden in der Phase- III-Zulassungsstudie COU-AA-301 publiziert (1195 Patienten, randomisiert 2:1 Abirateron:Placebo):<sup>4</sup> Das OS in dieser Studie betrug 14,8 Monate gegen&uuml;ber 10,9 Monaten mit Placebo. Diese guten Resultate wurden best&auml;tigt in der Folgestudie COU-AA-302 im Einsatz ohne Kastrationsresistenz.<br /> Die LATITUDE- (alle Patienten mit Fernmetastasierung) und die STAMPEDEStudie (Patienten im fortgeschrittenen und/oder metastasierten Stadium) dokumentieren die hohe Effizienz von Abirateron. Die Zeit bis zur Tumorprogression verl&auml;ngerte sich in STAMPEDE von 30 auf 43,9, in LATIDUDE von 14,8 auf 33 Monate. Diese Daten erwirkten rasch die Kassenzul&auml;ssigkeit von Abirateron beim fortgeschrittenen, hormontherapiesensiblen Prostatakarzinom. Vorderhand muss Abirateron mit Prednison gegeben werden, da die Bildung von Kortisol gesenkt, die von ACTH erh&ouml;ht wird. Weitere Nebenwirkungen sind daher u.a. Hypokali&auml;mie, arterielle Hypertonie und &Ouml;deme.<br /> Die Weiterentwicklung von Bicalutamid als Androgenrezeptorinhibitor (indiziert als Erstmonatsbehandlung bei Start der ATD zur Vermeidung des Flair-up, auch zwecks maximaler Androgenblockade eingesetzt) resultierte in Enzalutamid, welches im Vergleich zu Biclutamid nicht nur den Testosteronrezeptor blockiert, sondern auch die Translokation des Androgenrezeptorkomplexes am Zellkern und die Bindung an die Androgen-Transkriptions- DNA hemmt.<br /> Die AFFIRM-Studie<sup>5</sup> mit 1199 Patienten evaluierte das Outcome von mCRPC-Patienten nach Docetaxel-Therapie mit Enzalutamid versus Placebo (vgl. PREVAIL als Zulassungsstudie). Die noch laufende PROSPER-Studie6 mit 1401 ausgewerteten Teilnehmern untersucht ebenfalls das Outcome, jedoch bei Patienten ohne Metastasierung. Beide Arbeiten ergaben in den prim&auml;ren Endpunkten einen signifikanten OS-Vorteil, 18,4 vs. 13,6 Monate in metastasierter Erkrankung (AFFIRM), resp. 36,6 vs. 14,7 Monate bis zur Metastasierung. Auch in den sekund&auml;ren Endpunkten (z.B. PSA-Progress, Zeit bis zur n&auml;chsten onkologischen Behandlung, Lebensqualit&auml;t) war Enzalutamid &uuml;berlegen.<br /> Dem additiven Hormontherapeutikum Abirateron und Docetaxel als Chemotherapie ist gemeinsam, dass ein Indikationsshift vom kastrationsresistenten, metastasierten Stadium in ein fr&uuml;heres Erkrankungsstadium (hormonsensitiv) gelang. Enzalutamid und Abirateron waren anf&auml;nglich nach Docetaxel-Therapieversagen zugelassen und sind nun in der Schweiz aufgrund der Studienlage vor dem Chemotherapieeinsatz (bei mCRPC) als kostenpflichtig angezeigt.<br /> Auch bleibt die Frage offen, ob bei hormonsensiblen Tumorstadien mit hoher Tumorlast zus&auml;tzlich zur ADT Abirateron (Dauerbehandlung) oder 4&ndash;6 Monate Chemotherapie mit Docetaxel verabreicht werden sollte. Die Sequenz ist auch abh&auml;ngig vom Wunsch des Patienten und den Komorbidit&auml;ten.</p> <h2>Knochenmetastasen</h2> <p>Lymphogene (M1a) und oss&auml;re, osteosklerotische Metastasen (M1b) sind der weitaus h&auml;ufigste Streuungsweg. Bez&uuml;glich der Knochenbeteiligung hat sich die Therapie mit Bisphosphonaten (Zolendronats&auml;ure) oder mit dem RANKL-Antagonisten Denosumab l&auml;ngst etabliert. Beide Pr&auml;parate wurden urspr&uuml;nglich zur Behandlung von Osteoporose eingesetzt. In ihrer (hohen) Effizienz bez&uuml;glich &laquo;sceletal- related events&raquo; sind sie &auml;quipotent, unterscheiden sich im Nebenwirkungsprofil bez&uuml;glich Kieferknochenmyelonekrose kaum, jedoch sind Bisphosphonate nephrotoxisch und Denosumab kann circa 8&ndash;16 Monate nach Therapiestopp das Ph&auml;nomen des Rebounds nach sich ziehen (H&auml;ufung von Wirbelk&ouml;rperfrakturen).</p> <p><strong>Radium-223</strong><br /> Radium-223 ist ein Alpha-Strahlen emittierendes Atom mit sehr kurzer Reichweite. Als Kalziummimetikum wird Radium am Ort h&ouml;heren Knochenumsatzes eingebaut, ist folglich ein ideales Therapeutikum bei Knochenmetastasen, zugelassen bei schmerzsymptomatischen mCRPC-Patienten. Die Phase-III-Zulassungsstudie ALSYMPCA<sup>7</sup> ergab nicht nur eine signifikant bessere Schmerzminderung, sondern auch ein verl&auml;ngertes OS (14,9 vs. 11,3 Monate im Placeboarm).<br /> Von einem Radium-223-Fr&uuml;heinsatz, zusammen mit Abirateron (Chemotherapie- naiv, M1b) muss abgeraten werden, speziell dann, wenn nicht gleichzeitig eine suffiziente osteoprotektive Behandlung appliziert wird (ESMO 2018).<sup>8</sup></p> <h2>Therapierefrakt&auml;rit&auml;t</h2> <p>Das Thema des seltenen und therapierefrakt&auml;ren Prostatakarzinoms stellt eine grosse Herausforderung dar. Einerseits betrifft dies neuroendokrine Histologien, als &laquo;small&raquo; resp. &laquo;large cell prostate cancer &raquo; definiert. Nebst klassischer Behandlung mittels ADT werden hier Platinchemotherapien eingesetzt. Bei glandul&auml;ren Prostatakarzinomen (duktal, muzin&ouml;s, Siegelring-Zell-differenziert) handelt es sich zumeist um sehr aggressive Entit&auml;ten, auch die transitional (urothelial) differenzierten Prostatakarzinome sowie Prostatasarkome gelten als rasch wachsende bzw. schwierig angehbare Malignome.<br /> PARP-Inhibitoren sind Medikamente, welche pathologische DNA-Reparatur- Mechanismen in den Tumorzellen korrigieren k&ouml;nnen. Zugrunde liegende Pathologien treten geh&auml;uft in Prostatakarzinomen mit typischer genetischer Pr&auml;disposition auf, wie bei mutiertem <em>BRCA1+2</em>, <em>PALB2</em> oder <em>ATM</em>. Der PARP-Inhibitor Olaparib wurde u.a. von der FDA als &laquo;breakthrough&raquo; betitelt und erhielt dadurch 2016 beschleunigt die Zulassung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Onko_1901_Weblinks_lo_onko_1901_s55_abb2.jpg" alt="" width="500" height="328" /></p> <h2>Ausblick</h2> <p>Mit Ausnahme des ausserhalb der USA nicht eingesetzten Sipuleucel-T hat die moderne Immuntherapie beim Prostatakarzinom (noch) nicht Einzug halten k&ouml;nnen. Zudem sind die Erfolge von Sipuleucel- T gegen&uuml;ber den erw&auml;hnten additiven Hormon- oder Chemotherapien nicht &uuml;berzeugend, die Herstellung der Substanz ist aufwendig und teuer. Es sind jedoch beachtliche Therapieerfolge z.B. mit Pembrolizumab gezeigt worden, insbesondere bei hoher Expression des &laquo;Programmed death&raquo;-Liganden (PD-L1) im Tumorgewebe<sup>9</sup> oder bei der DNA-Reparatur- St&ouml;rung, der Mikrosatelliteninstabilit&auml;t (MSI-H).<br /> Ein vielversprechender neuer Therapieansatz fusst auf der Expression des prostataspezifischen Membranantigens (PSMA) auf den Tumorzellen. PSMA dient als sensibler Marker bei der Bildgebung mittels PET-CT, haupts&auml;chlich ist nuklearmedizinisch angereichertes Lutetium oder Actinium, an PSMA gekoppelt, beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom eine hocheffiziente neue Therapieoption geworden. Deutsche Studienzentren sind hierin sehr aktiv.<br /> Auf dem Weg zur zielgerichteten Behandlung verfolgt man etliche Ans&auml;tze: Varianten des Androgenrezeptors k&ouml;nnten pr&auml;diktiv sein bez&uuml;glich des Ansprechens auf additive Hormontherapie (Beispiel: &laquo;splicing&raquo; Variante AR-V7). &Uuml;berexpression des &laquo;cancer-driving&raquo; MYC-Gens oder Funktionsverlust des Tumorsuppressor- Gens PTEN sind ebenso im Visier neuester Forschung wie die gezielte Blockade des P-elF2a (Pr&auml;diktor f&uuml;r aggressive Erkrankung), z.B. mittels ISRIB (storniert die P-elF2a-Aktivit&auml;t).</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Tannock IF et al.: Docetaxel plus prednisone or mitoxantrone plus prednisone for advanced prostate cancer. N Engl J Med 2004; 351: 1502-1512 <strong>2</strong> de Bono JS et al.: Prednisone plus cabazitaxel or mitoxantrone for metastatic castration-resitant prostate cancer progressing after docetaxel treatment. Lancet 2010; 376: 1147-1154 <strong>3</strong> Eisenberger M et al.: Phase III study comparing a reduced dose of cabazitaxel (20mg/m&lt;sup&gt;2&lt;/sup&gt;) and the currently approved dose (25mg/m&lt;sup&gt;2&lt;/sup&gt;) in postdocetaxel patients with mCRPC, PROSELICA. J Clin Oncol 2017; 35: 3198-3206 <strong>4</strong> de Bono JS et al.: Abiraterone and increased survival in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2011; 364: 1995-2005 <strong>5</strong> Scher HI et al.: Increased survival with enzalutamide in prostate cancer after chemotherapy. N Engl J Med 2012; 3667: 1187-1197 <strong>6</strong> Hussain M et al.: Enzalutamide in men with nonmetastatic castration-resistant prostate cancer. N Engl J Med 2018; 378: 2465-2474 <strong>7</strong> Parker C et al.: Alpha emitter radium-223 and survival in metastatic prostate cancer. N Engl J Med 2013; 369: 213-223 <strong>8</strong> Smith MR et al.: A phase III trial of radium-223 in combination with abiraterone and prednisone for the treatment of asymtomatic or mildly symptomatic chemotherapy na&iuml;ve pts with bone predominant mCRPC. ESMO 2018; Abstract LBA30 <strong>9</strong> de Bono JS: A trial looking at pembrolizumab for men with prostate cancer (KEYNOTE-199) ; ongoing, phase II, recuitment ends 31/12/2018</p> </div> </p>
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