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Nicht resektable Knochensarkome
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Andreas Leithner
Klinikvorstand<br>Universitätsklinik für Orthopädie und Traumatologie<br>Medizinische Universität Graz<br>E-Mail: andreas.leithner@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
23.11.2017
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<p class="article-intro">In einer multidisziplinären Sitzung des heurigen ESMO-Kongresses in Madrid wurde ein sonst eher selten gewähltes Thema diskutiert: Wie soll mit nicht resektablen Knochensarkomen umgegangen werden? Welche Entwicklungen haben zu Therapieverbesserungen geführt? </p>
<p class="article-content"><p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1706_Weblinks_s38.jpg" alt="" width="1456" height="993" /></p> <div id="keypoints" class="Kasten-umflie-end"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Protonentherapie stellt eine sinnvolle Alternative zur Chirurgie in der Therapie von Chordomen dar.</li> <li>Die Strahlentherapie hat eine zunehmende Bedeutung im multimodalen Behandlungskonzept großer pelviner Ewing-Sarkome.</li> <li>Wie bei allen primär malignen Sarkomen muss gerade auch bei fraglicher Inoperabilität eine multidisziplinäre Therapieplanentscheidung im Tumorboard gefällt werden.</li> </ul> </div> <p>Der Pathologe Paolo Dei Tos (Treviso, IT), der Strahlentherapeut Rick Haas (Amsterdam, NL), die Onkologin Winette van Graaf (London, UK) und ich als Chirurg versuchten in einer multidisziplinären Sitzung diesen Bereich aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. Dei Tos merkte in seinem Anfangsstatement treffend an, dass es Chirurgen– aus welchen Gründen auch immer – sehr schwer falle, etwas als „nicht resektabel“ zu bezeichnen. Doch scheint es so, als wäre die Chirurgie in einigen Situationen aufgrund der zu erwartenden Mutilierung, z.B. bei kompletten Resektionen des Sakrums, nicht mehr Methode der Wahl, da ein bei dieser Lokalisation des Tumors nur geringer Überlebensvorteil nicht den massiven Verlust an Lebensqualität wettmachen kann.<br />Wie erwartet zeigte sich im Rahmen der Vorträge rasch, dass eine klare Definition der „nicht resektablen Knochensarkome“ schwer bzw. nicht möglich ist. Es vermischen sich Begriffe wie inoperabel, mutilierend, nicht sinnvoll operabel – eine einheitliche Klassifikation fehlt meistens, auch wenn Fakten wie der Einbruch in den Rückenmarkskanal oder das Überschreiten der Mittellinie bei großen pelvinen Tumoren in der Regel als Zeichen einer Inoperabilität gewertet werden, da R0-Resektionen (im Gesunden bzw. „weit“) meist nicht möglich sind. Zwar technisch mögliche, aber mit massivem Funktionsverlust verbundene Resektionen wie komplette Sakrektomien werden zunehmend mit der Gruppe der inoperablen Tumoren vermengt.</p> <h2>Chirurgie nicht immer Therapie der Wahl</h2> <p>Übereinstimmung herrschte darüber, dass die Strahlentherapie – insbesondere die mit Protonen – eine sehr gute Alternative in der Therapie von pelvinen Ewing-Sarkomen und sakralen oder zentralen Chordomen darstellt.<sup>1</sup> Die Protonentherapie ist in allen westlichen Staaten in immer mehr Zentren verfügbar – unter anderem werden gerade in den Niederlanden drei Zentren fertiggestellt; das österreichische Zentrum in Wiener Neustadt hat vor Kurzem seinen Patientenbetrieb aufgenommen. Bei sakralen Chordomen scheint man in vielen Zentren ab einer Höhe von S3 oder darüber von Resektionen abzugehen und die Patienten an Protonenzentren zu verweisen.<br />Die bisher vorliegenden Publikationen zur Therapie inoperabler Knochen- und Weichteilsarkome mit Protonen- oder Kohlenstoffionentherapie sind vielversprechend. Arbeiten wie die von Sugahara et al.<sup>2</sup> oder Kamada et al.<sup>3</sup> geben für diese Gruppe mit doch sehr schlechter Prognose lokale 3-Jahres-Kontrollraten von 67 % bzw. 76 % und 3-Jahres-Überlebensraten von 46 % bzw. 68 % an. Ob diese Ergebnisse auch bei einem homogeneren Kollektiv zu erreichen sind, soll für den Bereich der sakralen Chordome eine von Italien ausgehende internationale Multicenterstudie klären, an der auch Zentren in Österreich teilnehmen werden.</p> <h2>Ewing-Sarkome: zunehmende Bedeutung der Strahlentherapie</h2> <p>Auch für die Behandlung der Ewing-Sarkome wurde schon beim diesjährigen Ewing Sarcoma Consensus Meeting in London eine stärkere Einbindung der Bestrahlung in das multimodale Setting gefordert. Gerade für Sarkome im stammnahen Bereich wurde die neoadjuvante Applikation betont, obwohl diese aufgrund der dann nur eingeschränkt möglichen Bewertung des Regressionsgrades des Tumors nach neoadjuvanter Chemotherapie vom Studienprotokoll nur in Ausnahmefällen vorgesehen war.</p> <h2>Patienten in die Entscheidung einbinden</h2> <p>Die Onkologin van Graaf verwies in ihrer Stellungnahme zu Recht auf die Notwendigkeit, Patienten und deren Angehörige in die Therapieentscheidung einzubinden. Auch in der Diskussion einzelner Fälle war zu erkennen, dass die Entscheidung, ob noch ein kurativer Ansatz verfolgt werden soll oder bereits eine palliative Situation vorliegt, oftmals sehr schwierig ist und unbedingt von einem multidisziplinären Team getroffen werden sollte. Ähnlich wie bei Amputationsentscheidungen wäre zu überlegen, ob Chirurgen auch eine Zweitmeinung eines weiteren Sarkomzentrums einholen sollten, bevor Patienten für inoperabel erklärt werden. In die Richtung einer zentralisierteren und in sich vernetzten Behandlung seltener Erkrankungen (wozu auch Sarkome zählen) zielt auch das von der EU geplante European Reference Network (ERN).<br />Ein weiterer österreichischer Beitrag zu dem Thema war die Vorstellung des Falls eines 14-jährigen Knaben mit einem ursprünglich synchronen, nach einem Jahr jedoch metachronen, multifokalen Osteosarkom (mit 6 Tumorlokalisationen bei gleichzeitigem Fehlen von Lungenmetastasen). Hier stellte sich die Frage, ab wann man einen kurativen Ansatz verlassen sollte und aufgrund der Anzahl an teilweise extraartikulär zu resezierenden Tumoren von einer inoperablen, da bei extrem schlechter Prognose zu sehr mutilierenden Situation ausgehen sollte. Der Konsens war jedoch, die verschiedenen Lokalisationen wie Primärtumoren zu behandeln, solange keine pulmonalen Metastasen vorlägen.<br />Zusammenfassend lässt sich bezüglich der Therapie großer Sarkome des Stamms sagen, dass die Protonentherapie zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ähnlich klare Verbesserungen sind im Bereich der medikamentösen Sarkomtherapie derzeit nicht zu erkennen.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Stacchiotti S et al.: Building a global consensus approach to chordoma: a position paper from the medical and patient community. Lancet Oncol 2015; 16(2): e71-83 <strong>2</strong> Sugahara S et al.: Carbon ion radiotherapy for localized primary sarcoma of the extremities: results of a phase I/II trial. Radiother Oncol 2012; 105(2): 226-31 <strong>3</strong> Kamada T et al.: Efficacy and safety of carbon ion radiotherapy in bone and soft tissue sarcomas. J Clin Oncol 2002; 20(22): 4466-71</p>
</div>
</p>
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