© Getty Images/iStockphoto

Neuro-Onkologie-Highlights vom ASCO 2019

<p class="article-intro">Trotz zahlreicher Phase-III-Studien mit innovativen, personalisierten Therapieansätzen hat sich die Behandlung des Glioblastoms seit 2005 nicht substanziell geändert. Die Kombination aus Radiotherapie mit der alkylierenden Chemotherapie Temozolomid gefolgt von einer adjuvanten Therapie mit Temozolomid für 6 Zyklen ist nach wie vor die Standardtherapie. Am diesjährigen ASCO wurden einige Phase-I- und -II-Studien mit neuen zielgerichteten Substanzen präsentiert.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>CATNON-Studie: Der klinische Nutzen einer zus&auml;tzlichen Temozolomid-Therapie bei anaplastischen Astrozytomen korreliert mit dem Vorliegen der <em>IDH</em>-Mutation.</li> <li>IDH-Inhibition: Zwei Phase-I-Studien zeigten eine vielversprechende klinische Aktivit&auml;t der spezifischen IDH-Inhibitoren DS-101b und AG120 bei Patienten mit <em>IDH</em>-mutierten Astrozytomen.</li> <li>EORTC-1320-BTG: Keine klinische Effizienz von Trabectedin im Vergleich zu &bdquo;local standard of care&ldquo; in Bezug auf das progressionsfreie &Uuml;berleben bei Patienten mit nicht resektablem Meningeom WHOGrad II oder III ohne weitere M&ouml;glichkeit einer lokalen Therapie.</li> <li><em>NTRK</em>-Genfusion: Der spezifische TRK-Hemmer Larotrectinib zeigt auch bei Gehirntumoren mit <em>NTRK</em>-Genfusion erste klinische Effizienz &ndash; sowohl bei Gehirnmetastasen als auch prim&auml;ren Gehirntumoren.</li> </ul> </div> <h2>Prim&auml;re und sekund&auml;re Gehirntumoren: erste Erfolge f&uuml;r TRKHemmer Larotrectinib bei intrakranialen Tumoren mit <em>NTRK</em>-Genfusion</h2> <p>Fusionen in den neurotrophen Tyrosin- Rezeptor-Kinase(<em>NTRK</em>)-Genen kommen in zahlreichen Tumorentit&auml;ten in einem geringen Prozentsatz vor. In prim&auml;ren Gehirntumoren haben weniger als 5 % der Patienten diese spezifische Genfusion. Der TRK-Hemmer Larotrectinib wirkt spezifisch bei Tumoren mit <em>NTRK</em>-Genfusion und konnte bei extrakranialen Tumoren bereits hohe klinische Ansprechraten von bis zu 80 % erzielen. Am ASCO 2019 wurde nun die erste Fallserie von Patienten mit intrakranialen Tumoren berichtet. Patienten mit prim&auml;ren (n=18) als auch sekund&auml;ren Gehirntumoren (n=6) wurden eingeschlossen, um die intrakraniale klinische Aktivit&auml;t von Larotrectinib zu untersuchen. Bei Patienten mit Gehirnmetastasen wurde eine Ansprechrate von 60 % beobachtet, wobei 3 der 6 Patienten zum Zeitpunkt der Analyse die Therapie noch erhielten. Ein Patient mit Gehirnmetastasen eines Lungenkarzinom mit <em>NTRK</em>-Genfusion zeigte sogar eine komplette Remission der Gehirnmetastasen. Bei den prim&auml;ren Gehirntumoren erwies sich die Ansprechrate mit 36 % als etwas geringer, jedoch war das progressionsfreie &Uuml;berleben mit 11 Monaten durchaus vielversprechend. Insgesamt wurden jedoch nur 4 erwachsene Patienten mit prim&auml;rem Gehirntumor behandelt, die restliche Kohorte umfasste Patienten mit kindlichen Gehirntumoren, welche sich in der Biologie und Genetik doch ma&szlig;geblich unterscheiden. Diese ersten Fallberichte sprechen daher zwar f&uuml;r eine intrakraniale Wirksamkeit des TRK-Hemmers Larotrectinib, jedoch werden weitere Studien ben&ouml;tigt.</p> <h2>Phase-I-Studie bei Glioblastom: genetische Therapieans&auml;tze und Immuncheckpoint-Inhibitoren</h2> <p>Weitere fr&uuml;he Studien bei Glioblastom haben genetische Therapieans&auml;tze untersucht, wie zum Beispiel VB-111, eine Adenovirus-basierte Gentherapie. &Uuml;ber das Adenovirus wird ein Fusionsprotein in die Tumor-DNA eingebracht, wodurch in weiterer Folge der Zelltod initiiert werden kann. VB-111 wurde alleine oder in Kombination mit dem VEGF-Antik&ouml;rper Bevacizumab untersucht. Ein Tumoransprechen konnte bei einigen wenigen Patienten beobachtet werden, jedoch gab es in einzelnen F&auml;llen eine komplette Remission. Die Effizienzergebnisse der Phase-II- und -IIIStudien sind noch ausst&auml;ndig.<br /> Auch neue Ans&auml;tze in der Immuntherapie wurden untersucht. In Phase-I-Studien wurden das SurVaxM-Vakzin sowie auch ein Anti-LAG3- bzw. ein Anti-CD137-Immuncheckpoint-Inhibitor alleine oder in Kombination mit einem PD-1-Inhibitor untersucht. In beiden immunmodulierenden Studien wurden keine dosislimitierenden oder unerwarteten Nebenwirkungen beobachtet. Das mittlere &Uuml;berleben zeigte eine vielversprechende Richtung f&uuml;r die immunmodulierende Therapie bei rezidiviertem Glioblastom: 14 Monate f&uuml;r Anti-CD137-, 8 Monate f&uuml;r Anti-LAG3- und 7 Monate f&uuml;r die Kombination Anti-LAG3- mit Anti-PD-1-Inhibitoren.<br /> Die Ans&auml;tze der Gen- und Immuntherapie wurden in einer Phase-I-Studie mit 2 adenoviralen Vektoren, HSV1-TK und Flt3L, kombiniert. Durch die Gentherapie konnten in der tranlationalen Analyse mehr T-Zellen in den Tumor rekrutiert werden. Dieser Einstrom von T-Zellen k&ouml;nnte in weiterer Folge eine M&ouml;glichkeit darstellen, bessere Voraussetzungen f&uuml;r das Ansprechen auf eine Immuncheckpoint-Inhibitor-basierte Therapie zu schaffen. Auch f&uuml;r diesen Ansatz bedarf es jedoch weiterer prospektiver Studien, um den therapeutischen Nutzen abzusch&auml;tzen.<br /> Aufgrund der fehlenden Erfolge von zielgerichteten Therapien wurde daher wiederholt untersucht, ob eine verl&auml;ngerte Therapie mit Temozolomid das rezidivfreie Intervall verl&auml;ngern kann. In der Phase-IIb- Studie GEINO zeigte sich jedoch, dass ein von 6 auf 12 Zyklen verl&auml;ngertes Schema zu keiner Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens f&uuml;hrt. F&uuml;r Glioblastompatienten geht somit die Suche nach effektiven zielgerichteten Therapien weiter.</p> <h2>Zielgerichtete Therapie bei niedriggradigen Gliomen: molekulare Subgruppen und IDH-Inhibition</h2> <p>Patienten mit Astrozytom WHO-Grad II/III haben zwar im Vergleich zu Glioblastompatienten (WHO-Grad IV) eine deutlich bessere Prognose, mit einem medianen &Uuml;berleben von mehreren Jahren, jedoch zeigt sich bei fast allen Patienten im Krankheitsverlauf eine Malignisierung mit dann schnellem Fortschreiten der Erkrankung.<br /> Die <em>IDH</em>-Mutation stellt ein wesentliches Charakteristikum der Gliome WHO-Grad II und III dar und folglich konzentrieren sich einige Studien auf die selektive Inhibition des IDH-Signalweges. AG-120 und AG-881 sind zwei IDH-Inhibitoren, die in einer Phase-I-Studie bei rezidiviertem <em>IDH</em>-mutiertem Gliom untersucht wurden. Als prim&auml;rer Endpunkt wurde 2-HG, das Downstream-Produkt der <em>IDH</em>-Mutation im resezierten Material nach neoadjuvanter Therapie, analysiert. Hier konnte eine 93 % ige Reduktion gezeigt werden, welche vom biologischen Standpunkt aus als fast vollst&auml;ndige Inhibierung des mutierten IDH-Signalweges gesehen werden kann. DS-1001b ist ein weiterer IDH-Inhibitor, der aktuell in einer Phase-I-Studie evaluiert und in Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil gut toleriert wurde. Es zeigten sich vielversprechende klinische Ergebnisse, da 2 von 9 Patienten ein komplettes Ansprechen zeigten. Weitere Studien mit diesen weitgehend gut vertr&auml;glichen Substanzen werden gerade gestartet.<br /> Der CATNON-Trial fokussierte auf die optimale adjuvante Behandlung von Astrozytomen vom WHO-Grad III. In einem 2x2-Design wurden im CATNON-Trial mehrere Studienfragen bearbeitet. Die erste Studienfrage fokussierte auf die klinische Effizienz einer zus&auml;tzlichen konkomitanten Therapie mit Temozolomid w&auml;hrend der Strahlentherapie. Dieses Vorgehen bildet derzeit die Standardtherapie bei Glioblastomen, jedoch fehlen bisher Daten, ob sie auch bei den oftmals weniger schnell teilenden Astrozytomen WHO Grad III einen klinischen Nutzen hat. Die zweite Studienfrage bezog sich auf die adjuvante Phase nach abgeschlossener Radiotherapie und die Frage, ob eine zus&auml;tzliche Therapie mit Temozolomid, wie bereits bei Glioblastompatienten etabliert, auch eine weitere Verl&auml;ngerung des progressionsfreien &Uuml;berlebens erm&ouml;glicht. Bereits im letzten Jahr wurde die erste Interimsanalyse pr&auml;sentiert, in der sich ein statistisch signifikanter Einfluss der adjuvanten Temozolomid-Therapie auf das progressionsfreie &Uuml;berleben zeigte. In der nunmehr zweiten Interimsanalyse zeigte sich jedoch kein signifikanter Einfluss einer zus&auml;tzlichen konkomitanten Temozolomid- Therapie w&auml;hrend der Bestrahlung in der Gesamtstudienpopulation. Der klinische Benefit f&uuml;r die zus&auml;tzliche Temozolomid- Therapie war in den molekularen Subgruppen der <em>IDH</em>-mutieren Astrozytome deutlich gr&ouml;&szlig;er. Somit zeigt sich, auch wenn die finalen Events der Studie noch nicht erreicht sind, dass eine Radiotherapie gefolgt von adjuvanter Therapie mit Temozolomid f&uuml;r 12 Zyklen der neue Therapiestandard bei Patienten mit Astrozytomen vom WHO-Grad III werden k&ouml;nnte. Zur konkomitanten Therapiephase sind noch weitere Analysen aus molekularen Subsets abzuwarten.</p> <h2>Kein Vorteil von Trabectedin versus lokalen SOC bei rezidiviertem, nicht resektablem Meningeom vom WHO-Grad II oder III</h2> <p>Meningeome sind die h&auml;ufigsten prim&auml;ren Gehirntumoren und in den meisten F&auml;llen mit einer Operation kurativ zu behandeln. Atypische oder maligne Meningeome zeigen jedoch eine hohe Rezidivrate und die Ausdehnung l&auml;sst in einigen F&auml;llen keine vollst&auml;ndige Resektion zu. In diesem Fall werden systemische Therapien mit dem Ziel der Turmorwachstumsstabilisierung eingesetzt. Jedoch gab es bisher keine klinischen Studien, die diesbez&uuml;glich den klinischen Effekt einer bestimmten Substanz zeigen konnten. Die EORTC-1320-BTG-Studie inkludierte als erste spezifisch ebendiese Patienten mit nicht resektablem Meningeom vom WHO-Grad II oder III ohne weitere lokale Therapiem&ouml;glichkeit. Untersucht wurde das Chemotherapeutikum Trabectedin, welches aus <em>Ecteinascidia turbinata</em> gewonnen wird und zur Behandlung einiger extrakranialer Tumoren wie Sarkome und Ovarialkarzinome bereits zugelassen ist. Verglichen wurde aufgrund der bisher fehlenden Evidenz in dieser klinischen Situation mit &bdquo;local standard of care&ldquo; in einer randomisierten Phase-II-Studie. Die besonders schnelle Rekrutierung in dieser internationalen Studie zeigte den hohen Bedarf an neuen Therapiestrategien in dieser spezifischen Patientenkohorte. In der finalen Analyse zeigte sich jedoch kein Vorteil f&uuml;r Trabectedin im Vergleich zu &bdquo;local standard of care&ldquo;. Der &bdquo;Local standard of care&ldquo;-Arm enthielt verschiedene Therapien, je nach lokalem Standard, inklusive Bevacizumab und Hydroxyurea. In der Analyse zeigte sich jedoch ein Signal f&uuml;r die Effektivit&auml;t einer VEGF-Inhibition, die in weiteren Studien untersucht werden sollte.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Nach diesem ASCO gibt es leider keinen neuen Therapiestandard f&uuml;r Gliom- oder Meningeompatienten. Die Interimsanalyse der CATNON-Studie spricht eher gegen eine konkomitante Therapie mit zus&auml;tzlicher Temozolomid-Therapie zur Strahlentherapie bei Patienten mit Astrozytom vom WHO-Grad III, aber die finalen Daten in molekularen Subpopulationen und mit vollem Follow-up bleiben abzuwarten. NTRK- und IDH-Inhibition sind vielversprechende Ans&auml;tze f&uuml;r zielgerichtete Therapien von Hirntumoren.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
Back to top