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Neuro-Onkologie-Highlights vom ASCO 2019
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. DDr. Anna S. Berghoff
Autor:
Univ-Prof. Dr. Matthias Preusser
Klinische Abteilung für Onkologie, Universitätsklinik für Innere Medizin I<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: matthias.preusser@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
12.09.2019
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<p class="article-intro">Trotz zahlreicher Phase-III-Studien mit innovativen, personalisierten Therapieansätzen hat sich die Behandlung des Glioblastoms seit 2005 nicht substanziell geändert. Die Kombination aus Radiotherapie mit der alkylierenden Chemotherapie Temozolomid gefolgt von einer adjuvanten Therapie mit Temozolomid für 6 Zyklen ist nach wie vor die Standardtherapie. Am diesjährigen ASCO wurden einige Phase-I- und -II-Studien mit neuen zielgerichteten Substanzen präsentiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>CATNON-Studie: Der klinische Nutzen einer zusätzlichen Temozolomid-Therapie bei anaplastischen Astrozytomen korreliert mit dem Vorliegen der <em>IDH</em>-Mutation.</li> <li>IDH-Inhibition: Zwei Phase-I-Studien zeigten eine vielversprechende klinische Aktivität der spezifischen IDH-Inhibitoren DS-101b und AG120 bei Patienten mit <em>IDH</em>-mutierten Astrozytomen.</li> <li>EORTC-1320-BTG: Keine klinische Effizienz von Trabectedin im Vergleich zu „local standard of care“ in Bezug auf das progressionsfreie Überleben bei Patienten mit nicht resektablem Meningeom WHOGrad II oder III ohne weitere Möglichkeit einer lokalen Therapie.</li> <li><em>NTRK</em>-Genfusion: Der spezifische TRK-Hemmer Larotrectinib zeigt auch bei Gehirntumoren mit <em>NTRK</em>-Genfusion erste klinische Effizienz – sowohl bei Gehirnmetastasen als auch primären Gehirntumoren.</li> </ul> </div> <h2>Primäre und sekundäre Gehirntumoren: erste Erfolge für TRKHemmer Larotrectinib bei intrakranialen Tumoren mit <em>NTRK</em>-Genfusion</h2> <p>Fusionen in den neurotrophen Tyrosin- Rezeptor-Kinase(<em>NTRK</em>)-Genen kommen in zahlreichen Tumorentitäten in einem geringen Prozentsatz vor. In primären Gehirntumoren haben weniger als 5 % der Patienten diese spezifische Genfusion. Der TRK-Hemmer Larotrectinib wirkt spezifisch bei Tumoren mit <em>NTRK</em>-Genfusion und konnte bei extrakranialen Tumoren bereits hohe klinische Ansprechraten von bis zu 80 % erzielen. Am ASCO 2019 wurde nun die erste Fallserie von Patienten mit intrakranialen Tumoren berichtet. Patienten mit primären (n=18) als auch sekundären Gehirntumoren (n=6) wurden eingeschlossen, um die intrakraniale klinische Aktivität von Larotrectinib zu untersuchen. Bei Patienten mit Gehirnmetastasen wurde eine Ansprechrate von 60 % beobachtet, wobei 3 der 6 Patienten zum Zeitpunkt der Analyse die Therapie noch erhielten. Ein Patient mit Gehirnmetastasen eines Lungenkarzinom mit <em>NTRK</em>-Genfusion zeigte sogar eine komplette Remission der Gehirnmetastasen. Bei den primären Gehirntumoren erwies sich die Ansprechrate mit 36 % als etwas geringer, jedoch war das progressionsfreie Überleben mit 11 Monaten durchaus vielversprechend. Insgesamt wurden jedoch nur 4 erwachsene Patienten mit primärem Gehirntumor behandelt, die restliche Kohorte umfasste Patienten mit kindlichen Gehirntumoren, welche sich in der Biologie und Genetik doch maßgeblich unterscheiden. Diese ersten Fallberichte sprechen daher zwar für eine intrakraniale Wirksamkeit des TRK-Hemmers Larotrectinib, jedoch werden weitere Studien benötigt.</p> <h2>Phase-I-Studie bei Glioblastom: genetische Therapieansätze und Immuncheckpoint-Inhibitoren</h2> <p>Weitere frühe Studien bei Glioblastom haben genetische Therapieansätze untersucht, wie zum Beispiel VB-111, eine Adenovirus-basierte Gentherapie. Über das Adenovirus wird ein Fusionsprotein in die Tumor-DNA eingebracht, wodurch in weiterer Folge der Zelltod initiiert werden kann. VB-111 wurde alleine oder in Kombination mit dem VEGF-Antikörper Bevacizumab untersucht. Ein Tumoransprechen konnte bei einigen wenigen Patienten beobachtet werden, jedoch gab es in einzelnen Fällen eine komplette Remission. Die Effizienzergebnisse der Phase-II- und -IIIStudien sind noch ausständig.<br /> Auch neue Ansätze in der Immuntherapie wurden untersucht. In Phase-I-Studien wurden das SurVaxM-Vakzin sowie auch ein Anti-LAG3- bzw. ein Anti-CD137-Immuncheckpoint-Inhibitor alleine oder in Kombination mit einem PD-1-Inhibitor untersucht. In beiden immunmodulierenden Studien wurden keine dosislimitierenden oder unerwarteten Nebenwirkungen beobachtet. Das mittlere Überleben zeigte eine vielversprechende Richtung für die immunmodulierende Therapie bei rezidiviertem Glioblastom: 14 Monate für Anti-CD137-, 8 Monate für Anti-LAG3- und 7 Monate für die Kombination Anti-LAG3- mit Anti-PD-1-Inhibitoren.<br /> Die Ansätze der Gen- und Immuntherapie wurden in einer Phase-I-Studie mit 2 adenoviralen Vektoren, HSV1-TK und Flt3L, kombiniert. Durch die Gentherapie konnten in der tranlationalen Analyse mehr T-Zellen in den Tumor rekrutiert werden. Dieser Einstrom von T-Zellen könnte in weiterer Folge eine Möglichkeit darstellen, bessere Voraussetzungen für das Ansprechen auf eine Immuncheckpoint-Inhibitor-basierte Therapie zu schaffen. Auch für diesen Ansatz bedarf es jedoch weiterer prospektiver Studien, um den therapeutischen Nutzen abzuschätzen.<br /> Aufgrund der fehlenden Erfolge von zielgerichteten Therapien wurde daher wiederholt untersucht, ob eine verlängerte Therapie mit Temozolomid das rezidivfreie Intervall verlängern kann. In der Phase-IIb- Studie GEINO zeigte sich jedoch, dass ein von 6 auf 12 Zyklen verlängertes Schema zu keiner Verlängerung des progressionsfreien Überlebens führt. Für Glioblastompatienten geht somit die Suche nach effektiven zielgerichteten Therapien weiter.</p> <h2>Zielgerichtete Therapie bei niedriggradigen Gliomen: molekulare Subgruppen und IDH-Inhibition</h2> <p>Patienten mit Astrozytom WHO-Grad II/III haben zwar im Vergleich zu Glioblastompatienten (WHO-Grad IV) eine deutlich bessere Prognose, mit einem medianen Überleben von mehreren Jahren, jedoch zeigt sich bei fast allen Patienten im Krankheitsverlauf eine Malignisierung mit dann schnellem Fortschreiten der Erkrankung.<br /> Die <em>IDH</em>-Mutation stellt ein wesentliches Charakteristikum der Gliome WHO-Grad II und III dar und folglich konzentrieren sich einige Studien auf die selektive Inhibition des IDH-Signalweges. AG-120 und AG-881 sind zwei IDH-Inhibitoren, die in einer Phase-I-Studie bei rezidiviertem <em>IDH</em>-mutiertem Gliom untersucht wurden. Als primärer Endpunkt wurde 2-HG, das Downstream-Produkt der <em>IDH</em>-Mutation im resezierten Material nach neoadjuvanter Therapie, analysiert. Hier konnte eine 93 % ige Reduktion gezeigt werden, welche vom biologischen Standpunkt aus als fast vollständige Inhibierung des mutierten IDH-Signalweges gesehen werden kann. DS-1001b ist ein weiterer IDH-Inhibitor, der aktuell in einer Phase-I-Studie evaluiert und in Hinblick auf das Nebenwirkungsprofil gut toleriert wurde. Es zeigten sich vielversprechende klinische Ergebnisse, da 2 von 9 Patienten ein komplettes Ansprechen zeigten. Weitere Studien mit diesen weitgehend gut verträglichen Substanzen werden gerade gestartet.<br /> Der CATNON-Trial fokussierte auf die optimale adjuvante Behandlung von Astrozytomen vom WHO-Grad III. In einem 2x2-Design wurden im CATNON-Trial mehrere Studienfragen bearbeitet. Die erste Studienfrage fokussierte auf die klinische Effizienz einer zusätzlichen konkomitanten Therapie mit Temozolomid während der Strahlentherapie. Dieses Vorgehen bildet derzeit die Standardtherapie bei Glioblastomen, jedoch fehlen bisher Daten, ob sie auch bei den oftmals weniger schnell teilenden Astrozytomen WHO Grad III einen klinischen Nutzen hat. Die zweite Studienfrage bezog sich auf die adjuvante Phase nach abgeschlossener Radiotherapie und die Frage, ob eine zusätzliche Therapie mit Temozolomid, wie bereits bei Glioblastompatienten etabliert, auch eine weitere Verlängerung des progressionsfreien Überlebens ermöglicht. Bereits im letzten Jahr wurde die erste Interimsanalyse präsentiert, in der sich ein statistisch signifikanter Einfluss der adjuvanten Temozolomid-Therapie auf das progressionsfreie Überleben zeigte. In der nunmehr zweiten Interimsanalyse zeigte sich jedoch kein signifikanter Einfluss einer zusätzlichen konkomitanten Temozolomid- Therapie während der Bestrahlung in der Gesamtstudienpopulation. Der klinische Benefit für die zusätzliche Temozolomid- Therapie war in den molekularen Subgruppen der <em>IDH</em>-mutieren Astrozytome deutlich größer. Somit zeigt sich, auch wenn die finalen Events der Studie noch nicht erreicht sind, dass eine Radiotherapie gefolgt von adjuvanter Therapie mit Temozolomid für 12 Zyklen der neue Therapiestandard bei Patienten mit Astrozytomen vom WHO-Grad III werden könnte. Zur konkomitanten Therapiephase sind noch weitere Analysen aus molekularen Subsets abzuwarten.</p> <h2>Kein Vorteil von Trabectedin versus lokalen SOC bei rezidiviertem, nicht resektablem Meningeom vom WHO-Grad II oder III</h2> <p>Meningeome sind die häufigsten primären Gehirntumoren und in den meisten Fällen mit einer Operation kurativ zu behandeln. Atypische oder maligne Meningeome zeigen jedoch eine hohe Rezidivrate und die Ausdehnung lässt in einigen Fällen keine vollständige Resektion zu. In diesem Fall werden systemische Therapien mit dem Ziel der Turmorwachstumsstabilisierung eingesetzt. Jedoch gab es bisher keine klinischen Studien, die diesbezüglich den klinischen Effekt einer bestimmten Substanz zeigen konnten. Die EORTC-1320-BTG-Studie inkludierte als erste spezifisch ebendiese Patienten mit nicht resektablem Meningeom vom WHO-Grad II oder III ohne weitere lokale Therapiemöglichkeit. Untersucht wurde das Chemotherapeutikum Trabectedin, welches aus <em>Ecteinascidia turbinata</em> gewonnen wird und zur Behandlung einiger extrakranialer Tumoren wie Sarkome und Ovarialkarzinome bereits zugelassen ist. Verglichen wurde aufgrund der bisher fehlenden Evidenz in dieser klinischen Situation mit „local standard of care“ in einer randomisierten Phase-II-Studie. Die besonders schnelle Rekrutierung in dieser internationalen Studie zeigte den hohen Bedarf an neuen Therapiestrategien in dieser spezifischen Patientenkohorte. In der finalen Analyse zeigte sich jedoch kein Vorteil für Trabectedin im Vergleich zu „local standard of care“. Der „Local standard of care“-Arm enthielt verschiedene Therapien, je nach lokalem Standard, inklusive Bevacizumab und Hydroxyurea. In der Analyse zeigte sich jedoch ein Signal für die Effektivität einer VEGF-Inhibition, die in weiteren Studien untersucht werden sollte.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Nach diesem ASCO gibt es leider keinen neuen Therapiestandard für Gliom- oder Meningeompatienten. Die Interimsanalyse der CATNON-Studie spricht eher gegen eine konkomitante Therapie mit zusätzlicher Temozolomid-Therapie zur Strahlentherapie bei Patienten mit Astrozytom vom WHO-Grad III, aber die finalen Daten in molekularen Subpopulationen und mit vollem Follow-up bleiben abzuwarten. NTRK- und IDH-Inhibition sind vielversprechende Ansätze für zielgerichtete Therapien von Hirntumoren.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>bei den Verfassern</p>
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