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Neues in der Therapie des Glioblastoms
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Claudius Thomé
Universitätsklinik für Neurochirurgie<br> Medizinische Universität Innsbruck
Autor:
Dr. Christian Franz Freyschlag
Universitätsklinik für Neurochirurgie<br> Medizinische Universität Innsbruck<br> E-Mail: christian.freyschlag@i-med.ac.at
30
Min. Lesezeit
06.04.2017
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<p class="article-intro">„Tumor treating fields“ (TFF) stellen eine vielversprechende zusätzliche Therapie zur derzeit angebotenen Standardtherapie des neu diagnostizierten Glioblastoms dar. Aufgrund ihres physikalischen Therapiecharakters sind keine zusätzlichen Interferenzen mit Chemotherapien zu erwarten. Die hohen Kosten der Therapie erfordern eine strenge und klare Indikationsstellung.</p>
<hr />
<p class="article-content"><div id="kepoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Hochfrequente Wechselstromfelder hemmen die Zellteilung durch Immobilisierung von elektrischen Dipolen. Dieser Umstand kann in der Therapie von malignen Tumoren genutzt werden.</li> <li>„Tumor treating fields“ verlängern das mediane OS und PFS beim neu diagnostizierten Glioblastom signifikant (OS: 20,5 Monate, PFS: 7,1 Monate).</li> <li>Die durchschnittliche Therapiedauer beträgt 9 Monate.</li> <li>Nebenwirkungen sind bislang nur im Sinne von Hautreaktionen beobachtet worden.</li> </ul> </div> <p>Die zunehmende Zahl an medikamentösen Phase-II- und Phase-III-Studien hat sich bislang nicht nachhaltig auf die Prognose des Glioblastoms niederschlagen können. Derzeit besteht die moderne Therapie eines Glioblastoms aus drei Säulen: 1. einer möglichst radikalen chirurgischen Entfernung, 2. einer konkomitanten Radiochemotherapie und 3. einer adjuvanten Therapie mit Temozolomid für mindestens 6 Zyklen.<sup>1, 2</sup> Im Rahmen von Studien erfolgt die Kombination mit modernen Substanzen im Sinne einer „targeted therapy“. Trotz des großen wissenschaftlichen und finanziellen Einsatzes wurde dabei jedoch keine signifikante Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens erreicht. Es gilt weiterhin, dass durch eine kombinierte Radiochemotherapie das mediane Überleben auf 14,8 Monate verlängert werden konnte.<sup<2 Durch eine komplette oder sogar supramaximale Resektion (z.B. durch Zuhilfenahme von elektrophysiologischem Monitoring, intraoperativer Bildgebung oder Fluoreszenzfarbstoffen) ließ sich das Überleben auf bis zu 18,5 Monate verlängern.<sup>3</sup><br /> Während heute in Studien immuntherapeutischen Ansätzen in der medikamentösen Therapie der Vorrang gegeben wird, berichten wir über „tumor treating fields“ (TTF), eine physikalische Therapiemöglichkeit unter Anwendung von hochfrequenten Wechselstromfeldern (Frequenz 200kHz, Amplitude 1–3V/cm), die mehrere Zelluntergangsszenarien auslösen. Zum einen kommt es zur mitotischen Katastrophe durch den fehlenden Zusammenbau von Mikrotubuli, zum anderen können Zellzyklusarreste und Apoptose beobachtet werden.<sup>4</sup> Die Wechselstromfelder werden über 4x9 Keramikelektroden appliziert, die auf den Kopf aufgeklebt werden. Durch die fehlende Abdeckung der hinteren Schädelgrube ist eine Therapie nur bei supratentoriellen Läsionen möglich.</p> <h2>Rezidivtherapie</h2> <p>Beim rezidivierten Glioblastom wurden TTF zunächst untersucht. Randomisiert wurden TTF gegen eine Vergleichsgruppe, in der dem Behandler die freie Wahl der Rezidivchemotherapie überlassen wurde. Die Ergebnisse dieser Studie waren negativ, das mediane Überleben in der Interventionsgruppe betrug 6,6 gegenüber 6,0 Monaten in der Kontrollgruppe (p=0,27).<sup>5</sup> Die Auswertung erfolgte gesammelt für alle Patienten eines Studienarms, wobei hier auch Zweit- und Drittrezidive eingeschlossen worden waren. Es bleibt hypothetisch, ob die Therapie im ersten Rezidiv erfolgreicher gewesen wäre. Die Post-hoc- Analyse der EF-14-Studie zeigte, dass bis zu 60 % der Studienpatienten eine Zweitlinienchemotherapie erhalten hatten. Die Überlebensanalyse dieses Kollektivs zeigt eine Signifikanz bezüglich des medianen Überlebens ab Rezidivdiagnose von 11,8 Monaten in der TTF-Gruppe gegenüber 9,0 Monaten in der Chemotherapiegruppe (p=0,0428), sodass möglicherweise der Kombinationseffekt entscheidend für die Effektivität ist.<sup>6</sup></p> <h2>Therapie des neu diagnostizierten Glioblastoms</h2> <p>Die Therapie des neu diagnostizierten Glioblastoms wurde in der randomisierten Phase-III-Studie EF-14 ausführlich untersucht. In einem multizentrischen, randomisierten Protokoll wurden Patienten mit einem Glioblastom nach erfolgter Radiatio in einen Kontrollarm und einen Interventionsarm (Standardtherapie plus TTF) aufgeteilt.<sup>2</sup> Die Zwischenanalyse nach Behandlung von 300 Patienten veranschaulichte bereits einen signifikanten Überlebensvorteil und führte zur sofortigen medizinischen Zulassung durch die FDA und EMEA. Die Interimsanalyse der EF-14-Studie zeigte ein medianes progressionsfreies Intervall von 7,1 Monaten (95 % CI: 5,9–8,2 Monate) gegenüber 4,0 Monaten (95 % CI: 3,3–5,2 Monate; p=0,001) bei einem medianen Gesamtüberleben von 20,5 Monaten (95 % CI: 16,7–25,0 Monate) in der TTF-Gruppe gegenüber 15,6 Monaten (p=0,004) in der Kontrollgruppe.<sup>7</sup> TTF können bei vielen Patienten zusätzlich zur Chemotherapie (1<sup>st</sup> und 2<sup>nd</sup> line) appliziert werden. In der erwähnten Studie wurden nur bei 2 % der Patienten moderate oder schwere Hautreaktionen (Grad 3 und 4) beobachtet.<sup>7</sup> Die überaus positiven Studienergebnisse in der primären Therapie des neu diagnostizierten Glioblastoms führten zur raschen Zulassung der Methode. Obwohl die signifikante Verlängerung des medianen Gesamtüberlebens zweifelsfrei gezeigt werden konnte, sind die neuroonkologischen Fachgesellschaften gespalten. Derzeit fehlt in den deutschsprachigen Ländern noch die Kassenzulassung, eine Genehmigung erfolgt in Form von Einzelanträgen. Die Therapiekosten sind hoch, bedingt durch die fehlende Möglichkeit zur Wiederverwendung der Elektroden und den intensiven personellen Support. Zur besseren volkswirtschaftlichen Abschätzung der Therapiekosten wurde eine Kosten-Effektivitäts-Analyse mittels Markov-Modell durchgeführt, welche eine für Frankreich gültige Berechnung einer mangelnden Kosteneffektivität zeigte.<sup>8</sup><br /> Ungeachtet der kontroversiellen Diskussion und der hohen Therapiekosten wurde die Behandlung mit TTF in den aktuellen Leitlinien des National Comprehensive Cancer Network (NCCN) als Kategorie-2a-Behandlung festgelegt.</p></p>
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