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Neue Therapieoptionen bei oberen gastrointestinalen Tumoren: Sind sie schon reif für die Praxis?
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. DDr. Aysegül Ilhan-Mutlu
Klinik für Innere Medizin I<br> Abteilung für Onkologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: aysegul.ilhan@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
11.07.2019
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<p class="article-intro">Die Bemühungen um die Identifizierung von neuen Therapieoptionen bei Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts sind bis vor zwei Jahren fast alle gescheitert, da die Ergebnisse der zahlreichen vielversprechenden Phase-III-Studien negativ waren. Zum Glück gibt es aktuell positive Daten beziehungsweise Zulassungen von neuen Medikamenten – zumindest für spätere Therapielinien. Die neuen Entwicklungen und großen Phase-III-Studien werden im Rahmen dieses Artikels kurz diskutiert.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Adenokarzinom des Magens und gastroösophagealen Übergangs (AEG)</h2> <p><strong>Chemotherapie</strong> <br />In der Drittlinie wurde die Chemotherapiekombination Trifluridin/Tipiracil, welche wir von der Therapie bei kolorektalen Tumoren kennen, kürzlich im Rahmen der TAGS-Studie bei fortgeschrittenen und metastasierten Magen- und AEG-Tumoren untersucht. Die Trifluridin/Tipiracil- Gruppe zeigte im Vergleich zur Placebogruppe ein erhöhtes Ansprechen mit längerem Gesamtüberleben. Die Verträglichkeit war gut und das Nebenwirkungsprofil akzeptabel. Die FDA hat die Therapie im Februar 2019 in den USA zugelassen, eine Zulassung in der EU wird noch im Laufe dieses Jahres erwartet.</p> <p><strong> Immuntherapie </strong></p> <p>Erstlinie <br />Große Phase-III-Studien mit Immuntherapien sind in der Tabelle 1 zusammengefasst. Die ersten Daten werden 2020 erwartet.</p> <p>Zweitlinie <br />Die KEYNOTE-061-Studie untersuchte in einer PD-L1-positiven Gruppe Pembrolizumab gegenüber Paclitaxel. Das Ziel einer längeren Überlebenszeit wurde dabei nicht erreicht. Interessanterweise zeigte die Post-hoc-Analyse dieser Studie ein deutlich verlängertes Überleben in der mikrosatelliteninstabilen (MSI) Gruppe, welches sich dadurch begründen lassen könnte, dass MSI ein besserer prädiktiver Marker für das Immuntherapieansprechen ist als die Expression von PD-L1.</p> <p>Dritt- und Mehrlinie <br />Die ersten positiven Ergebnisse mit Immuntherapie ergab sowohl die ATTRACTION- II-Studie, in der Nivolumab in einer asiatischen Population, als auch die KEYNOTE- 059 Studie, in der Pembrolizumab in einer westlichen PD-L1-positiven Kohorte untersucht wurde. Obwohl diese beiden Studien die Immuntherapie als Dritt- und Mehrlinientherapie untersuchten, kam es zu einem Gesamtansprechen von fast 20 %, woraufhin Nivolumab von den japanischen Behörden und Pembrolizumab von den amerikanischen Behörden bei PD-L1-positiven Patienten als Salvagetherapie zugelassen wurde. Avelumab wurde im selben Setting auch in der JAVELIN-Gastric- 300-Studie untersucht, deren Ergebnis leider nicht positiv war.</p> <p><strong>Zielgerichtete Therapie </strong></p> <p>Erstlinie <br />In den letzten Jahren haben wir leider durchgehend negative Studien in der Erstlinie mit zielgerichteten Therapien gesehen (Tab 2). Dabei sind einige umfangreiche Phase-III-Studien erwähnenswert, welche negative Ergebnisse zeigten: EGFR-Inhibitoren mit Cetuximab in der EXPAND-Studie und Panitumumab in der REAL-3-Studie, die MET-/HGF-Inhibitoren Rilotumumab in der RILOMET-Studie und Onartuzumab in der MET-Gastric-Studie, Angiogenese-Inhibitoren mit Bevacizumab in der AVAGAST- und AVATAR-Studie sowie Ramucirumab in der RAINFALL-Studie, zuletzt MMP9-Inhibitor Andecaliximab bei der GAMMA-1 Studie. Ebenfalls zu erwähnen ist die Phase-II-Studie FAST, welche die monoklonalen Antikörper Zolbetuximab untersuchte und erfolgreich das Tight-Junction-Protein Claudin 18.2 inhibierte. Aufgrund des Erfolgs der Phase-II-Studie wird dieser Antikörper nun in einer Phase-III-Studie getestet; an dieser Studie nimmt auch unser Zentrum teil.</p> <p>Zweitlinie <br />Sicherlich ein großer Erfolg für die Zweitlinientherapie waren die Ergebnisse der RAINBOW- und REGARD-Studie, in denen der VEGFR2-Antikörper Ramucirumab allein oder gemeinsam mit Paclitaxel getestet wurde. Beide Studien erbrachten positive Ergebnisse, womit Ramucirumab ohne Vorbehalte als Zweitlinientherapie etabliert wurde. Andere vielversprechende zielgerichtete Therapieoptionen haben leider keine positiven Ergebnisse gezeigt. In diesem Zusammenhang ist z. B. die BRIGHTER-Studie zu erwähnen, in welcher die Stammzellenmarker STAT3 mit der oralen Therapie Napabucasin inhibiert wurden, wobei das Ergebnis negativ war.</p> <p>Dritt- und Mehrlinie <br />Apatinib, ein VEGFR2-Tyrosinkinase- Inhibitor, zeigte in einer chinesischen Population als Dritt- und Mehrlinientherapie positive Ergebnisse im Vergleich zu Placebo; diese Therapie wurde daraufhin in China zugelassen. Die Phase-III-Studie ANGEL untersucht die Wirkung von Apatinib in einer westlichen Kohorte, die Ergebnisse sind noch ausständig. Regorafenib wird in der Phase-III-Studie INTEGRATE-II untersucht, die Ergebnisse dieser Studie sind ebenso noch ausstehend.</p> <p> </p> <p> </p> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1904_Weblinks_jatros_onko_1904_s47_tab1.jpg" alt="" width="550" height="291" /></h2> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Onko_1904_Weblinks_jatros_onko_1904_s47_tab2.jpg" alt="" width="550" height="296" /></h2> <h2>Ösophaguskarzinom</h2> <p>Am vergangenen ASCO GI wurden die Daten der KEYNOTE-181-Studie veröffentlicht. Patienten mit Ösophagus­karzinomen, sowohl Adenokarzinome als auch Plattenepithelkarzinome (PEC), mit einem CPS-Score über 10 haben von der Gabe von Pembrolizumab als Zweitlinientherapie profitiert. Parallel zu diesem Befund wurde im Rahmen einer Pressemitteilung vom Jänner 2019 durch BMS/ ONO-Pharmaceutical veröffentlicht, dass die CheckMate- 473/ATTRACTION-III-Studie beim Ösophaguskarzinom in der Zweitlinie das Überleben der Patienten ohne vorhergehende PD-L1-Präselektion verlängert hat. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse der großen Phase-III-Studiendie Zweitlinienbehandlung von Ösophaguskarzinomen bald verändern können, obwohl noch keine formelle Zulassung existiert.<br />Die Checkpoint-Inhibitoren Pembrolizumab und Nivolumab werden derzeit als Erstlinientherapie bei PEC des Ösophagus im Rahmen der Phase-III-Studien KEYNOTE- 590 und CheckMate-648 untersucht. Es sind noch keine Ergebnisse bekannt.</p> <h2>HER2-positive Tumoren</h2> <p>Anhand der Daten der ToGA-Studie ist eine HER2-gerichtete Therapie mit dem monoklonalen Antikörper Trastuzumab als Erstlinientherapie bei HER2-positiven Patienten zweifellos ein Standard. Es wurden weitere HER2-gerichtete Therapien im Erstliniensetting untersucht, Lapatinib im Rahmen der LOGIC-Studie und die Kombination von Trastuzumab mit Pertuzumab im Rahmen der JACOB-Studie. Leider waren beide Studien negativ. Als Zweitlinienoption nach Trastuzumab-Versagen wurden T-DM1 und Lapatinib in zwei weiteren umfangreichen Phase-III-Studien untersucht, deren Ergebnisse ebenfalls negativ waren.<br />Die Kombination von Pembrolizumab mit dem Standard ToGA-Protocoll wurde in einer Phase-II-Studie getestet. Die Daten wurden am ASCO GI 2019 veröffentlicht und zeigten eine Ansprechrate bis zu 100 %. Diese hervorragenden Ergebnisse werden innerhalb der Phase-III-KEYNOTE-811-Studie untersucht.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Trotz Enttäuschung hinsichtlich der zielgerichteten Therapie scheint die Immuntherapie bei oberen gastrointestinalen Tumoren wirksam zu sein. Einige Checkpoint- Inhibitoren haben bereits ihre Effektivität in der Zweit- und Drittlinie gezeigt. Nun werden die Daten aus Erstlinienstudien mit großer Aufregung erwartet. Es ist zu vermuten, dass sich das Armamentarium zur Behandlung der metastasierten oder fortgeschrittenen oberen gastrointestinalen Tumoren in den nächsten Jahren signifikant ändern wird.</p> </div></p>
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<p>bei der Verfasserin</p>
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