
„Ein großer Teil der Zuversicht schöpft sich aus den Fortschritten der Forschung“
Unser Gesprächspartner:
Prof. DDr. Johannes Gojo
Leitung Neuroonkologie
Abteilung für Neonatologie, Pädiatrische Intensivmedizin und Neuropädiatrie
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien
E-Mail: johannes.gojo@meduniwien.ac.at
Das Interview führte Jasmin Gerstmayr, MSc
Am 1. September hat DDr. Johannes Gojo die Professur für Pädiatrische Neuroonkologie an der MedUni Wien angetreten. Mituns sprach der gebürtige Bregenzer u.a. darüber, wie er Klinik und Forschung verknüpfen will und weshalb der Mangel an medizinischem Fachpersonal (noch) keine Auswirkung auf die Qualität der kinderonkologischen Versorgung hat.
Herzlichen Glückwunsch zum Antritt der Professur! Was haben Sie in den nächsten Jahren vor?
J. Gojo: Wir an der MedUni und am AKH Wien haben uns schon in den letzten Jahren sowohl in der präklinischen Forschung als auch in der Patientenversorgung als internationales Kompetenzzentrum positionieren können. Das primäre Ziel besteht nun darin, diese beiden Bereiche auszubauen. Einerseits soll die interdisziplinäre Forschung, die ja viele verschiedene Abteilungen der MedUni Wien miteinschließt, gestärkt werden, andererseits auch die Zusammenarbeit mit den beteiligten klinischen Fächern wie unter anderem Neurochirurgie, Neuroradiologie und Neuropathologie.
Ein wichtiges Anliegen ist mir, dass die Ergebnisse unserer Forschung möglichst zeitnah den Patient:innen zugutekommen können. Deshalb soll in den nächsten Jahren ein weiterer Fokus auf der Durchführung – auch internationaler – klinischer Studien liegen.
Sie wurden schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Wissenschaftspreis der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde. Welcher bedeutet Ihnen besonders viel?
J. Gojo: Preise zu erhalten ist immer bedeutend. Eine besondere Freude bringen aber vielleicht jene, die von Expert:innen verliehen werden, die in demselben Fachbereich forschen wie man selbst. Hier kann ich z.B. den Dr.-Hildegard-Dinter-Lutz-Forschungspreis nennen (Anmerkung der Red.: für eine Arbeit in Cancer Cell, s. Literatur). Dieser wird jährlich für die beste wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der pädiatrischen Hirntumorforschung vergeben. So ein positives Feedback stellt dann natürlich eine besondere Motivation für den weiteren Weg dar.
Eine Professur ist bekanntermaßen mehr als ein 9-to-5-Job. Wie schaffen Sie es, dass Ihr Privatleben nicht zu kurz kommt?
J. Gojo: Ich habe das Glück, sowohl in der Forschung als auch in der Klinik in einem fantastischen Team zu arbeiten. Gegenseitige Unterstützung ist bei uns selbstverständlich. Wir sind außerdem so eingespielt, dass es nicht zwingend auf die permanente Verfügbarkeit jedes/jeder Einzelnen ankommt. So bleibt auch noch Zeit für ein gutes Privatleben. Mit meiner Familie Zeit zu verbringen ist mir da sehr wichtig. Ansonsten kann ich mich für sportliche Aktivitäten begeistern, z.B. spiele ich Wasserball in einem Verein.
Sie haben zuerst Molekularbiologie studiert, dann aber nach 2 Jahren parallel noch das Studium der Humanmedizin begonnen. Was hat Ihnen in der Molekularbiologie gefehlt?
J. Gojo: Ich glaube, es ist mir am ehesten darum gegangen, die Möglichkeit zu haben, das molekularbiologische Wissen direkt den Patient:innen zur Verfügung stellen zu können. Sicher, das ist als Biologin/Biologe genauso möglich, aber mit einem zusätzlichen medizinischen Hintergrund kann ich den gesamten Bereich von der Forschung bis zur Klinik abdecken, was mir sehr viel Spaß macht. Die Anwendung meiner Forschung in der Praxis gestalten zu können, finde ich großartig.
Im Rahmen von Forschungsaufenthalten sind Sie schon viel herumgekommen – u.a. nach Heidelberg und Boston. Gebürtig sind Sie aus Bregenz. Hat es Sie denn nie zurück ins Ländle gezogen?
J. Gojo: Nicht wirklich. Ich finde es wunderschön dort, aber es gibt dort keine neuroonkologische Forschung – und das ist schon ein ziemlicher Ausschlussgrund, sagen wir mal so (lacht). Gerade bei seltenen Erkrankungen ist es zielführend, an Zentren zu arbeiten, wo man gut vernetzt ist und sich mit anderen Expert:innen auf internationaler Ebene austauschen kann. In Wien ist dies so wunderbar möglich.
Wussten Sie schon zu Beginn Ihres Studiums, dass Sie sich auf Kinderonkologie spezialisieren möchten?
J. Gojo: Nein, das hat sich im Laufe der Jahre ergeben. Durch die Arbeit in der Forschung hat sich mein Interesse an der Onkologie entwickelt, in der Klinik dann für Pädiatrie. Gehirntumoren sind die häufigsten Krebserkrankungen bei Kindern – und auch für die meisten Todesfälle verantwortlich. Es ist dies ein sehr großer, wichtiger Bereich der Kinderonkologie und deswegen meiner Meinung nach besonders spannend, aber eben auch herausfordernd.
Tag für Tag mit krebskranken Kindern arbeiten, die oft auch schlechte Prognosen haben – wie behalten Sie sich denn dabei Heiterkeit und Optimismus?
J. Gojo: Wir können heutzutage schon 4 von 5 Kindern heilen, insofern ist es sehr oft auch ein positiver Job. Aber natürlich ist es so, dass es viele aggressive Tumorarten gibt. Da schöpft sich ein großer Teil der Zuversicht aus den Fortschritten in der Forschung. Wir geben alles, damit wir den Kindern die bestmögliche Therapie anbieten können und zukünftig noch mehr Patient:innen helfen können.
Das Kinderonkologie-Team der MedUni Wien und der Interdisziplinären Onkologischen Nachsorge Ambulanz (IONA) der Österreichischen Gesundheitskasse
Entgegen der Vorurteile herrscht bei uns in der Kinderonkologie dank der positiven Energie unserer Patient:innen oft auch gute Stimmung, obwohl wir mit sehr belastenden Patientenschicksalen konfrontiert sind. Wir haben ein tolles Team, das um eine unterstützende Atmosphäre für die Kinder bemüht ist, und sind auch in der Palliativ- und Sterbebegleitung gut aufgestellt. Vereine wie MOMO, die schwerstkranke Kinder u.a. auch therapeutisch und psychosozial begleiten, sind den Patient:innen und ihren Angehörigen zusätzlich eine großartige Unterstützung mit ihrem breiten Angebot. Meiner Meinung nach ist qualitative Palliativversorgung, so wie wir sie anbieten können, durchaus auch etwas Schönes und Erfüllendes.
Wenn Sie jetzt noch einmal am Beginn Ihres Studiums stünden, welchen Ratschlag würden Sie sich selbst geben?
J. Gojo: Vielleicht diesen: Stress dich nicht und hör auf dein Bauchgefühl. Und es schadet nie, wenn du dir eine gewisse Offenheit und Flexibilität behältst.
Wie sehen Sie die Zukunft der medizinischen Versorgung in Österreich angesichts des zunehmenden Mangels an pflegerischem und ärztlichem Fachpersonal? Was braucht es Ihrer Meinung nach, um mehr Menschen in den Spitälern zu halten?
J. Gojo: Prinzipiell können wir in Österreich nach wie vor Spitzenversorgung anbieten. In den kleinen spezialisierten Bereichen wie bei uns in der pädiatrischen Neuroonkologie ist es vielleicht ein bisschen einfacher, da wir auch zwischen den Zentren gut zusammenarbeiten können und aufeinander abgestimmt sind.
Was aber schon gesagt werden muss: Auch an unserer Abteilung müssen aufgrund des Personalmangels Betten gesperrt werden. Der einzige Grund, warum dies keine Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung hat, ist das hochengagierte verbliebene Personal. Dies gilt es immer wieder zu würdigen.
Um mehr Menschen in den Spitälern zu halten, müssten sich aber wohl die Bedingungen insgesamt verbessern. Da ist eher die Politik gefragt. Als Vertreter eines kleinen, spezifischen Fachbereichs würde ich mir etwa wünschen, Pflegepersonen, die sich auf die pädiatrische Neuroonkologie spezialisieren möchten, gezielter zu fördern – etwa mit entsprechenden Unterstützungen von Fortbildungen und internationaler Vernetzung. Ich glaube, wenn man den Menschen – dies gilt nicht nur für die Pflege – erlaubt, ihre Kompetenzen zu entwickeln und zu erweitern, kann man sie sehr gut zum Bleiben motivieren. Deshalb sehe ich es auch als wichtigen Schritt, dass nun an der MedUni Wien die Professur für Pädiatrische Neuroonkologie geschaffen worden ist, um diesen Fachbereich wertzuschätzen. Ich bin sehr dankbar, in dieser Position wirken zu dürfen.
Wenn Sie nicht Arzt und Molekularbiologe wären, wären Sie …?
J. Gojo: Tauchlehrer auf einer schönen Insel vielleicht (lacht)? Die Wahrheit ist aber, dass ich mir keine erfüllendere Tätigkeit vorstellen könnte als die, die ich jetzt ausübe. Es ist einfach auf so vielen Ebenen sinnstiftend und entspricht, denke ich, auch am ehesten meinen Talenten. Ich habe tatsächlich keinen einzigen Tag Schwierigkeiten, mich für meine Arbeit zu motivieren.
Vielen Dank für das Gespräch!
Literatur:
Gojo J et al.: Single-cell RNA-seq reveals cellular hierarchies and impaired developmental trajectories in pediatric ependymoma. Cancer Cell 2020; 38(1): 44-59.e9
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