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Fortgeschrittenes Magenkarzinom

Neoadjuvante Therapie bis OP: Einfluss der Zeit auf den postoperativen Verlauf

Das Adenokarzinom des Magens und des gastroösophagealen Übergangs ist die fünfhäufigste maligne Tumorerkrankung weltweit. Die Inzidenz sowie auch die Mortalität in Deutschland sinken in den letzten Jahren, was einer vermehrten Eradikation von Helicobacter pylori und veränderten Lebensgewohnheiten zugerechnet wird.

Im Jahr 2019 wurde in Deutschland bei fast 15000 Menschen die Diagnose „Adenokarzinom des Magens“ gestellt.1 Die Erkrankung wird wegen der schleichenden, häufig unbemerkten Symptomatik häufig erst im letzten Lebensdrittel diagnostiziert. Die häufigsten Risikofaktoren umfassen Helicobacter-pylori(H.p.)-Besiedelung, hohes Alter, Alkohol- und Nikotinabusus, familiäre Vorbelastung und vorausgegangene Operationen am Magen. Darüber hinaus ist selbstverständlich die Zugehörigkeit zu einer Hochrisikopopulation zu berücksichtigen, wie bspw. zur Gruppe der aus Asien stammenden Menschen (Inzidenz in Japan als zweithäufigstes Karzinom mit ca. 130000 Erstdiagnosen im Jahr 2017).2

Zur Diagnostik gehören neben der obligatorischen Gastroskopie inkl. histologischer Sicherung auch die Endsonografie sowie die kontrastmittelgestützte Schnittbildgebung mittels CT (Hals bei AEG-Karzinomen [Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs], Thorax und Abdomen). Darüber hinaus soll bei Patient:innen mit kurativer Intention eine Staging-Laparoskopie erfolgen.3 In unserer Klinik implantieren wir hierbei stets simultan sowohl PEJ(perkutan-endoskopische Jejunostomie)-Sonden als auch Port. Während das Staging klar definiert ist, wird hingegen aktuell kein Präventionsscreening mit Ausnahme von Hochrisiko-Patient:innen empfohlen.

Das Therapieregime richtet sich nach dem zum Zeitpunkt der Diagnose bestehenden Tumorstadium. Grundsätzlich sollten die Fälle nach Komplettierung des Stagings in einer interdisziplinären Tumorkonferenz vorgestellt und diskutiert werden. Adenokarzinome des gastroösophagealen Überganges oder des Magens im Frühstadium können je nach Eindringtiefe entweder endoskopisch oder primär chirurgisch reseziert werden. Die Eindringtiefe wird am sensitivsten durch die Endosonografie bestimmt.

Bei fortgeschrittenen Befunden wird hingegen die Kombination aus einer perioperativen Chemotherapie mit konsekutiver Resektion nach einem mehrwöchigen Zeitintervall empfohlen. Die Länge dieses Intervalls vom Tag der letzten Chemotherapie bis zur OP ist dabei nicht eindeutig definiert. Die perioperative Chemotherapie erfolgt nach dem FLOT(5-Fluorouracil, Folinsäure, Leucovorin, Oxaliplatin, Docetaxel)-Schema, von dem jeweils vier Zyklen vor und vier Zyklen nach der Operation appliziert werden.

Die 5-Jahres-Überlebensrate der Patient:-innen, die nach den o.g. Schemata in kurativer Intention behandelt wurden, beträgt nur ca. 30%.1

Während per Leitlinienvorgabe die Diagnostik und das Therapieregime nach Stadium streng definiert werden, ist das Zeitintervall vom Ende der präoperativen Chemotherapie bis zum OP-Termin nicht festgelegt. Die hier vorgestellten Daten wurden unter der Fragestellung ausgewertet, ob die Dauer dieses Intervalls Auswirkungen auf den postoperativen Verlauf hat.

Material & Methoden

Die vorliegenden Daten wurden in unserer Klinik zwischen 2019 und 2022 erhoben und retrospektiv ausgewertet. In die Kohorte wurden die Patient:innen mit einem fortgeschrittenen Adenokarzinom des Magens und des ösophagogastralen Übergangs eingeschlossen, bei denen ein kurativer Therapieansatz bestand und die einer neoadjuvanten Chemotherapie zugeführt werden konnten. Hierbei wurde das Zeitintervall in zwei Abschnitte unterteilt. Das kurze Intervall betrug weniger als 42 Tage, das lange Intervall lag darüber. Die peri- und postoperativen Ergebnisse beider Gruppen wurden im Anschluss verglichen.

Ergebnisse

Tab. 1: Gegenüberstellung der Ergebnisse aus dem kurzen und dem langen Intervall

Die Kohorte umfasst insgesamt 41 Fälle, deren Verteilung auf die beiden Intervalle nahezu gleichmäßig ist (Abb. 1). In Tabelle 1 stehen die beobachteten Ereignisse in diesen Gruppen einander gegenüber. Bei den Patient:innen mit dem kurzen Zeitintervall lag die durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus bei zwölf Tagen und auf der Intensivstation bei fünf Tagen. Bei 15% kam es zu schwerwiegenden Komplikationen.

Im Gegensatz dazu stehen die Daten der Gruppe mit dem langen Zeitintervall. Hier verbrachten die Patient:innen im Durchschnitt 21 Tage im Krankenhaus und 11,5 Tage auf der Intensivstation. 40% erlitten schwerwiegende Komplikationen, zwei Patient:innen verstarben.

Abb. 1: Verteilung der Fälle auf das kurze und das lange Intervall

Auswertung

Nach Auswertung der Daten zeigte sich die zu erwartende Verteilung der Erkrankungen bezogen auf das Geschlecht, die Altersverteilung und die postoperative Letalität.4 Auffällig ist die breite Streuung des Zeitintervalls zwischen Ende der Neoadjuvanz und dem OP-Termin, die von minimal 25 Tagen bis maximal 81 Tage reicht. Die Genese dieser Varianz ließ sich nicht immer nachvollziehen.

Bei den Patient:innen mit dem kurzen Intervall lag teilweise eine schlechte Verträglichkeit der Chemotherapie vor, sodass diese nicht nach dem FLOT-Standard durchgeführt werden konnte und teils auch verkürzt werden musste. Das längste Intervall resultiert aus einem individuellen Patient:innenwunsch in Zusammenhang mit Feiertagen, worauf unter Berücksichtigung des Alters eingegangen wurde.

Bezüglich der beiden Fälle mit letalem Verlauf sollte erwähnt werden, dass beide Patient:innen Anastomoseninsuffizienzen mit komplikativem Verlauf erlitten und das Überleben trotz Ausschöpfen aller zur Verfügung stehenden Maßnahmen der Intensivmedizin nicht erreicht werden konnte.

Diskussion

Die perioperative Chemotherapie und chirurgische Resektion gelten für fortgeschrittene, nicht metastasierte Adenokarzinome des Magens und des gastroösophagealen Überganges derzeit als Therapiestandard. Jedoch zeigt das Zeitintervall zwischen dem Ende der Neoadjuvanz und dem OP-Termin eine breite Streuung.

Die Gruppe der Patient:innen mit dem langen Zeitintervall hatte mehr Komplikationen und damit einhergehend waren auch die Aufenthalte auf der Intensivstation und im Krankenhaus insgesamt länger. Ein kurzes Zeitintervall hatte zumindest keinen negativen Einfluss auf den Verlauf und die postoperativen Komplikationen. Kritisch hinterfragt werden muss die relativ kleine Kohorte, die die Aussagekraft limitiert.

Dennoch zeigt diese Auswertung die Notwendigkeit einer genaueren Untersuchung. Nur hierdurch wird es möglich sein, das für Patient:innen ideale Zeitintervall zu definieren und verbindlich zu empfehlen. Hierbei wird einerseits zu berücksichtigen sein, wodurch Patient:innen bei der Chemotherapie somatisch am meisten belastet sind und demzufolge Regenerationsbedarf haben, und andererseits, ab wann der operative Eingriff aus Sicht der Chirurg:innen verantwortungsvoll ermöglicht werden kann.

1 Zentrum für Krebsregisterdaten. Online unter krebsdaten.de 2 Cancer Registry and Statistics. Cancer Information Service, National Cancer Center, Japan [Vital Statistics of Japan] 3 S3 Leitlinie Magenkarzinom: S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Plattenepithelkarzinome und Adenokarzinome des Ösophagus. Online unter: leitlinienprogramm-onkologie.de 4 Franzke T, Jähne J: Analyse der Morbidität und Mortalität nach Gastrektomie bei 238 Patienten. Der Chirurg 2015; 86: 1154

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