
Myelofibrose: neue krankheitsmodifizierende Therapieansätze
Autorin:
Priv.-Doz. Dr. Sonja Heibl
Abteilung für Innere Medizin IV
Hämatologie, internistische Onkologie und Palliativmedizin, Nephrologie und Dialyse
Klinikum Wels-Grieskirchen GmbH
Eine Einrichtung der Kreuzschwestern und Franziskanerinnen, Wels
E-Mail: Sonja.Heibl@klinikum-wegr.at
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Die Myelofibrose ist eine Bluterkrankung, die mit Splenomegalie, häufig auch mit Zytopenien sowie anderen krankheitsassoziierten Symptomen und einer reduzierten Lebenserwartung vergesellschaftet ist. Ziel dermodernen Behandlung ist dementsprechend neben einer Verbesserung der Symptome eine Krankheitsmodifikation mit Verlängerung des Überlebens.
Keypoints
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Das mediane Überleben von Patient*innen mit Myelofibrose ist abhängig von der Risikostratifizierung kurz (median sechs Jahre).
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Mit den derzeit zur Verfügung stehenden Therapien (ausgenommen allogene Stammzelltransplantation) können wir in den fortgeschritteneren Stadien am ehesten Symptome verbessern.
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Krankheitsmodifizierende Substanzen eröffnen neue Möglichkeiten der Verbesserung der Prognose der Erkrankung.
Die Pathogenese der Myelofibrose umfasst neben Myeloproliferation, Inflammation, Knochenmarksfibrose und extramedullärer Hämatopoese auch Splenomegalie, Anämie, Thrombozytopenie sowie konstitutionelle Symptome.
Die Myeloproliferation resultiert aus der konstitutiven Aktivierung des JAK-STAT-Signalweges. Diese Aktivierung bedingt auch eine Art Clustering von Megakaryozyten im Knochenmark, was letztlich durch Einwanderung von neutrophilen Granulozyten zu einem Zytokinsturm führt – einer Freisetzung von TNF-α, TGF-β, VEGF, PDGF und anderen Zytokinen.
Dieser Zytokinsturm führt zur Bildung eines inflammatorischen Milieus im Knochenmark, wodurch wiederum die Fibrose und Angiogenese stimuliert werden. Die extramedulläre Hämatopoese, verursacht durch die Auswanderung klonaler hämatopoetischer Stammzellen, führt zur progredienten Splenomegalie.
Prognose und Risikostratifizierung
Das mediane Überleben von Patient*innen mit Myelofibrose beträgt über alle Risikogruppen hinweg in etwa sechs Jahre. Es wird natürlich von einer Vielzahl von klinischen und genetischen Faktoren wie Alter, Mutationen, Ausmaß der Knochenmarksfibrose und Behandlung beeinflusst.
Die ursprünglichen Risikoscores IPSS (zum Zeitpunkt der Diagnosestellung) und DIPSS (zu jedem Zeitpunkt der Erkrankung einsetzbar) umfassen klinische und Laborparameter, der DIPSS Plus inkorporiert zusätzlich die Zytogenetik. Die neueren Scores MIPSS70 und MIPSS70-plus Version 2.0 sowie GIPSS berücksichtigen auch die molekularen Charakteristika der Erkrankung. Das mediane Überleben variiert von etwa 20 Jahren bei einer Niedrigrisikoerkrankung bis zu weniger als zwei Jahre bei einer Hochrisikoerkrankung.1
Das Spektrum der Erkrankung reicht somit von einer indolenten, asymptomatischen Erkrankung bis hin zu Knochenmarksversagen und leukämischer Transformation.
Zum aktuellen Zeitpunkt greifen wir in der Regel erst spät (bei Vorliegen einer Höherrisikoerkrankung oder Vorhandensein von Symptomen) ein. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass das Potenzial der Krankheitsmodifikation umso höher ist, je früher man im Verlauf der Erkrankung therapeutisch eingreift. Dafür ist das Vorhandensein von entsprechenden medikamentösen Substanzen Voraussetzung.
Was bedeutet Krankheitsmodifikation?
In einer rezenten Arbeit von Pemmaraju N et al. wurde eine aus meiner Sicht sehr gute Definition der Krankheitsmodifikation formuliert (Tab. 1).2
Tab. 1:Definition einer krankheitsmodifizierenden Therapie bei Myelofibrose. Modifiziert nach Pemmaraju N et al.2
Für die Beurteilung einer Therapie bezüglich der krankheitsmodifizierenden Aktivität ist es deshalb von Bedeutung, auch die Endpunkte der klinischen Studien anzupassen. Bedeutende Endpunkte sind Gesamtüberleben, Knochenmarksfibrose, molekulares Ansprechen und inflammatorische Zytokine. Zukünftig wird es auch wichtig sein, diese Endpunkte klar zu definieren.
Angriffspunkte der Krankheitsmodifikation
Der JAK/STAT-Signalweg bleibt trotz der begrenzten krankheitsmodifizierenden Wirkung von JAK-Inhibitoren (JAKi) das zentrale Element der Pathologie der Myelofibrose. Es ist deswegen sehr unwahrscheinlich, dass die JAK-Inhibitoren aus der Behandlung der Myelofibrose verschwinden. Im Gegenteil, eine Synergie zwischen JAKi und Nicht-JAK-Targets kann die Krankheitsmodifikation positiv beeinflussen.
BET-Inhibitoren
BET-Inhibitoren sind Substanzen, die den NF-kB-Signalweg hemmen. Dadurch wird die erythroide Differenzierung gefördert und auch die Megakaryozytendifferenzierung wiederhergestellt.
Pelabresib ist ein Vertreter dieser Gruppe. Die Substanz wurde in einer Phase-II-Studie als Monotherapie bei mit JAKi vortherapierten Patient*innen, als Zusatz zu Ruxolitinib bei Patient*innen mit inadäquatem Ansprechen unter Ruxolitinib-Monotherapie und als Kombination mit Ruxolitinib bei therapienaiven Patient*innen untersucht.
Es konnte hier bei 33% der Patient*innen über alle drei Behandlungsgruppen eine Verbesserung des Fibrosegrades im Knochenmark um ein Grad oder mehr erreicht werden. Der primäre Endpunkt der Studie war, wie bei fast allen Myelofibrosestudien, das Milzansprechen. Dieses zeigte sich in der nicht vorbehandelten Gruppe mit der Kombination aus Pelabresib und Ruxolitinib als am höchsten (>35% SVR bei 67%). Der krankheitsmodifizierende Effekt scheint unabhängig von der Vortherapie zu sein, nicht aber das Milzansprechen.3 Die Phase-III-Studie läuft.
LSD-1-Inhibitoren
Bomedestat ist ein Vertreter der LSD-1-Inhibitoren. LSD-1 spielt eine spezifische Rolle in der Reifung der Megakaryozyten. In einer Phase-II-Studie bei Patient*innen mit fortgeschrittener Myelofibrose konnte sowohl eine Verbesserung des Fibrosegrads (≥1 Grad bei 17%) als auch ein molekulares Ansprechen berichtet werden. Weitere Daten und Analysen sind hier abzuwarten.4
BCL-XL/BCL-2-Inhibitoren
Navitoclax, ein „First in class“-BCL-XL/BCL-2 Inhibitor, wird in Kombination mit Ruxolitinib bei der Myelofibrose getestet. In der Phase-II-Studie REFINE zeigte sich in unterschiedlichen Kohorten eine Wirksamkeit mit einer Verbesserung des Fibrosegrads um zumindest ein Grad bei 33% der Patient*innen und eine >10%ige Reduktion der Allelfrequenz der Treibermutationen bei 46% der Patient*innen. In Verlängerung des Gesamtüberlebens bei den Patient*innen nachgewiesen werden, die eine Reduktion der Knochenmarksfibrose erreichen konnten (allerdings handelt es sich noch um eine kleine Patient*innenzahl), ein wichtiges Signal hinsichtlich der Krankheitsmodifikation.5
Telomeraseinhibitoren, MDM2-Inhibitoren
Weitere vielversprechende Substanzen sind der Telomeraseinhibitor Imetelstat sowie der MDM2-Inhibitor Navtemadlin. Bei beiden Substanzen liegen Phase-II-Daten mit Verbesserung der Knochenmarksfibrose und mit molekularem Ansprechen vor. Bei Imetelstat konnte eine Korrelation beider Parameter mit einem verlängerten medianen Gesamtüberleben, nicht aber mit dem Milzansprechen gezeigt werden. Im Gegensatz dazu korrelierte bei Navtemadlin eine Verbesserung der Fibrose sowie der Allellast mit dem Milzansprechen. Phase-III-Daten werden mit Spannung erwartet.6,7
Ruxolitinib plus Azacitidin
Der Einsatz von Ruxolitinib in Kombination mit Azacitidin bei fortgeschrittener Myelofibrose hat im Vergleich zur Ruxolitinib-Monotherapie nach 24 Monaten hohe Ansprechraten (ORR 64%) und eine Verbesserung der Knochenmarksmorphologie bei 61% der Patient*innen gezeigt. Der tatsächliche Benefit muss noch bestimmt werden.8
CD123-gerichteten Zytotoxin
Eine mögliche krankheitsmodifizierende Aktivität mit einem Milzansprechen von 45% und einem medianen Gesamtüberleben von 31 Monaten lassen die Interimsdaten der Phase-II-Studie mit Tagraxofusp, einem CD123-gerichteten Zytotoxin, vermuten.9
Literatur:
1 Sliwa T et al.: Austrian recommendations for the management of primary myelofibrosis, post-polycythemia vera myelofibrosis and post-essential thrombocythemia myelofibrosis: an expert statement. Wien Klin Wochenschr 2017; 129(9-10): 293-302 2 Pemmaraju N et al.: Defining disease modification in myelofibrosis in the era of targeted therapy. Cancer 2022; 128: 2420-32 3 Keller P et al.: BET inhibitor pelabresib decreases inflammatory cytokines, improves bone marrow fibrosis and function, and demonstrates clinical response irrespective of mutation status in myelofibrosis patients. Paper presented at: EHA2021 Virtual Congress; June 4-17, 2021 4 Gill H et al.: A phase 2 study of the LSD1 inhibitor Img-7289 (bomedemstat) for the treatment of advanced myelofibrosis. Blood 2021; 138(suppl 1): 139 5 Harrison C et al.: Navitoclax and ruxolitinib for patients with myelofibrosis and JAK inhibitor experience: response duration in phase 2 study. Paper presented at: EHA2021 Virtual Congress; June 4-17, 2021 6 Mascarenhas J et al.: Potential disease- modifying activity of imetelstat demonstrated by reduction in cytogenetically abnormal clones and mutation burden leads to clinical benefits in relapsed/refractory myelofibrosis patients. Blood 2020; 136(suppl 1): 39-40 7 Mascarenhas J et al.: An open-label, global, multicenter, phase 1b/2 study of KRT-232, a first-in-class, oral small- molecule inhibitor of murine double minute 2 (MDM2), combined with ruxolitinib in patients who have myelofibrosis and a suboptimal response to ruxolitinib. Blood 2020; 136: 44-5 8 Masarova L et al.: Phase 2 study of ruxolitinib (RUX) in combination with 5-azacitidine (AZA) in patients (pts) with myelofibrosis. Blood 2019; 134: 1656 9 Pemmaraju N et al.: A multicenter phase 1/2 clinical trial of tagraxofusp, a CD123-targeted therapy, in patients with poor-risk primary and secondary myelofibrosis. Blood 2020; 136(suppl 1): 39-40
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