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Myelodysplasie, MDS – Feintuning, aber kein Durchbruch

<p class="article-intro">Auch dieses Jahr konnte am ASH-Kongress über keinen wirklich wesentlichen Fortschritt in der Behandlung dieser stillen, aber tödlichen Erkrankungen berichtet werden. In dieser Situation versucht man nun die bisherigen Therapien durch eine klar definierte Koordination und Sequenzierung zu optimieren.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Trotz aller Fortschritte, die die Mutationsanalyse mittels Gesamtgenomsequenzierung ganzer Kohorten von MDSPatienten f&uuml;r das Verst&auml;ndnis der Biologie und Pathogenese dieser Erkrankungen bedeutet, werden somatische Mutationen gem&auml;ss der 2016 erfolgten Teilrevision der 4. WHO-Klassifikation der myelodysplastischen Syndrome nicht zu den Krankheits- definierenden Kriterien z&auml;hlen (Blood 2016; 127: 2391; R. Hasserjian, MDS Foundation Symposium, 2016). W&auml;hrend MDS-spezifische Aberrationen allein in Patienten mit einer Zytopenie gen&uuml;gen (konventionelle Zytogenetik, nicht FISH), um die Diagnose MDS zu stellen (MDS-U), gilt dies f&uuml;r die Mutationsanalytik noch nicht, auch wenn mithilfe der Mutationsanalytik eine Gruppe von Patienten mit einer &laquo;clonal cytopenia of unknown significance &raquo; (CCUS) definiert werden kann, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in ein MDS &uuml;bergehen wird (#298).<br /> Von wesentlicher klinischer Bedeutung f&uuml;r das weitere Management des Patienten, insbesondere auch im Hinblick auf eine m&ouml;gliche Stammzelltransplantation, sind jedoch die &laquo;Germline&raquo;-Mutationen, die zu einem MDS pr&auml;disponieren k&ouml;nnen (GATA2, Fanconi-An&auml;mie, Telomer- assoziierte Erkrankungen mit nicht h&auml;matologischen Manifestationen; RUNX1, ETV6 oft nur durch eine Thrombopenie manifest; #300). Diese Gruppe von Patienten wird auch in der Revision der WHO-Klassifikation 2016 eigens klassifiziert.</p> <h2>Low-Risk-MDS</h2> <p>In der Mehrzahl der F&auml;lle (89 % ) stellt eine An&auml;mie die Erstmanifestation eines MDS dar, was von grosser Bedeutung ist, da das MDS schon aufgrund seiner Pathogenese eine Alterserkrankung ist und im Alter auch leichte An&auml;mien Ursache sind f&uuml;r eine erh&ouml;hte Mortalit&auml;t und Morbidit&auml;t (V. Santini, Education Session). F&uuml;r die Behandlung der An&auml;mie in der Gruppe der Low-Risk-MDS &laquo;with isolated del(5q)&raquo; (+/&ndash; 1 weitere Chromosomenaberration, mit Ausnahme einer Monosomie 7) ist Lenalidomid (10mg/d p.o. besser als 5mg/d, 21/28d: &laquo;hematological improvement&raquo;, HI, 61 % vs. 49 % ) Therapie der Wahl. Das Vorliegen einer TP53-Mutation beeinflusst die Ansprechrate bez&uuml;glich An&auml;mie zwar nicht, wohl aber die H&auml;ufigkeit einer Progression zur AML bzw. das Gesamt&uuml;berleben (V. Santini, Education Session).<br /> Die Behandlung der del(5q)-negativen Patienten sollte zun&auml;chst mit einem &laquo;erythropoiesis- stimulating agent&raquo; (ESA) beginnen. Inzwischen liegen auch prospektive Studien vor, welche die Wirksamkeit dieser Therapie in Abh&auml;ngigkeit vom Erythropoetin-Spiegel belegen und die damit die Zulassung in Europa und den USA erm&ouml;glichen sollten (Erythropoetin, Haematologica 2016; 101: S1, abs 248; Darbepoetin, Haematologica 2016; 101: S1, abs 128). Der Ziel-Hb sollte bei 120g/L liegen, bessere Ergebnisse werden erzielt, wenn man mit der Therapie beginnt, bevor der Patient transfusionsabh&auml;ngig wird. Bei einem sekund&auml;ren Therapieversagen, mit dem nach ca. 20&ndash;24 Monaten zu rechnen ist, sollten vor dem Beginn einer neuen Therapie (s.u.) eine sekund&auml;r aufgetretene andere Ursache f&uuml;r eine An&auml;mie, insbesondere ein Substratmangel, und eine Progression (Knochenmarkspunktion!) ausgeschlossen werden (V. Santini, Education Session).<br /> In zweiter Linie kommt dann auch f&uuml;r die del(q5)-negativen Low-Risk-MDS-Patienten Lenalidomid (10mg/d p.o., 21/28d) zum Zuge (HI-Hb 33 % ; #224). Inzwischen ist zudem klar, dass 5-Azacytidine (75mg/m2 s.c., 7/28d oder auch 5/28d) bzw. Decitabine (20mg/m2 i.v., 5d/28d) auch bei Low-Risk-MDS-Patienten &ndash; und nicht nur bei High-Risk-MDS-Patienten &ndash; wirksam sind und daher in den USA im Gegensatz zur Schweiz in dieser Indikation auch zugelassen sind (5-Azacytidine HI-Hb 39,4 % ; V. Santini, Education Session). Dem Alltag besser angepasste verk&uuml;rzte Behandlungsschemata scheinen hier auch noch erfolgreich zu sein (5-Azacytidine 75mg/m2 s.c., 3d/28d, Decitabine 20mg/m2 i.v., 3d/28d: CR 38 % vs. 29 % ; #226). Daten zum &laquo;overall survival&raquo; (OS), vor allem im Vergleich zu nach &laquo;best supportive care&raquo; behandelten Patienten, liegen leider noch nicht vor, entsprechende Studien rekrutieren schon.<br /> Nach einem Therapieversagen der &laquo;hypomethylating agents&raquo; (HMA) ist die Prognose jedoch &auml;hnlich, wenn auch nicht ganz so ausgepr&auml;gt, wie bei den High- Risk-MDS-Patienten auch bei den Low- Risk-MDS-Patienten schlecht (OS 17 Monate; V. Santini, Education Session).<br /> Bei einem Therapieversagen k&ouml;nnen sowohl Lenalidomid als auch 5-Azacytidine/ Decitabine mit ESA erfolgreich kombiniert werden (HI-Hb 35,1 % bzw. 34,7 % ; V. Santini, Education Session, #223), was von grosser praktischer Bedeutung sein kann. Die Kombination mit anderen epigenetischen Therapien (HDAC), Immunmodulatoren (Lenalidomid) oder Kinaseinhibitoren (Rigosertib) hingegen hat bisher vor allem zu mehr Toxizit&auml;t, nicht aber zu mehr Wirksamkeit gef&uuml;hrt (H. Carraway, Education Session).<br /> Neue Ziele der Therapie k&ouml;nnte die Stammzellnische des Knochenmarks sein (Abexinostat, Oxi4503) oder eine Immunmodulation durch Checkpoint-Inhibitoren (Pembrolizumab, Nivolumab, Ipilimumab), u.U. in Kombination mit HMA, da im MDS PD-L1 und PD-L2 aufreguliert sind (H. Carraway, Education Session).<br /> Es ist wahrscheinlich, dass neue, Stoffwechsel- spezifische Inhibitoren, deren Ziele durch im NGS identifizierte Mutationen vorgegeben werden (TET2 -&gt; HMA; IDH1/2 -&gt; AG-120, AG-221/Enasidenib; #343) oder BCL-2 Inhibitoren (EVI1 -&gt; BET-Inhibitoren), nur dann erfolgreich sein werden, wenn sie zum einen kombiniert verabreicht werden und man zum anderen die klonale Architektur versteht und damit auf die eigentlichen Driver- Mutationen zielen kann.<br /> Mit der Inhibition der TGF-a-Aktivation durch Luspatercept (modifizierter Activin- Rezeptor IIb = Inhibition von SMD2/3 via GDF11; Transfusions-Unabh&auml;ngigkeit 43 % , HI-Hb 76/81 % ; V. Santini, Education Session; 1,0/1,75mg/kg s.c., 1/21d, 5x; #5551; #3168; #1990) bzw. Galunisertib (&laquo;Activin-like kinase&raquo;-Inhibitor; HI-Hb 26 % ; V. Santini, Education Session) begeht man einen ganz neuen Weg in der Behandlung der MDS-assoziierten An&auml;mie. In eine &auml;hnliche Richtung zielt die Behandlung mit OPN-305 (5/10mg/kg i.v., 1/28d, 9x), einem humanisierten &laquo;Toll-like receptor 2&raquo;-IgG4-Antik&ouml;rper (HI-Hb 50 % ; #227).<br /> APG101 (100mg i.v./Wo., 12 Wo.), ein CD95-Fc-Fusionsprotein und CD95-Ligandeninhibitor, wirkt andererseits dem proapoptotischen Zellstoffwechsel der Low- Risk-MDS-Patienten entgegen (HI-Hb 33 % ; #228).<br /> &Auml;hnlich den ESA in der An&auml;mie sind die Thrombopoetin(TPO)-Agonisten Romiplostim (500/750&micro;g/Wo. s.c.) und Eltrombopag (50&ndash;300mg/d p.o.) in der Behandlung der MDS-Thrombopenie abh&auml;ngig vom TPO-Spiegel bzw. der Thrombozyten- Transfusionsbed&uuml;rftigkeit wirksam, wobei man auch heute noch eine gewisse Vorsicht in der Behandlung von High-Risk- MDS-Patienten walten lassen sollte (Gefahr einer m&ouml;glichen Akzeleration).</p> <h2>High-Risk-MDS</h2> <p>Diese Gruppe von Patienten wird in der Schweiz klassischerweise mit 5-Azacytidine therapiert und, wenn m&ouml;glich, transplantiert. Auf dem diesj&auml;hrigen ASH-Kongress wurde eine Phase-II-Studie aus dem MD Anderson Cancer Center vorgestellt, in der Guadecitabine (SGI-110, Dinukleotid Decitabine-Deoxyguanosine, 60mg/m<sup>2</sup> s.c., 5d/28d, min. 6x) auch bei Patienten mit schlechtem Risikoprofil (komplexer Karyotyp, TP53-Mutation, t-MDS) zu einem &uuml;berraschend guten Ansprechen f&uuml;hrte (ORR 61 % , Cri 23 % , OS 15,2 Monate; #346). Eine ebenfalls am ASH-Kongress gezeigte multizentrische Phase-IIStudie kam leider zu ganz anderen Ergebnissen (ORR 16 % , CR 5 % , OS 6,7 Monate).</p> <h2>HMA-Therapieversagen</h2> <p>Die Prognose f&uuml;r MDS-Patienten nach einem Versagen einer HMA- oder Lenalidomid- Therapie ist schlecht (Low-Risk- MDS: 17 Monate; High-Risk-MDS: 5,6 Monate; H. Carraway, Education Session). Kommt eine Stammzelltransplantation nicht infrage (s.u.), so haben in dieser Situation Patienten, die in eine Studie eingeschlossen werden, die beste Prognose. Eine Therapie mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab zeigte eine ORR von nur 4 % (#345), der CTLA-4-Inhibitor Ipilimumab immerhin eine ORR von 22 % (#344).<br /> F&uuml;r High-Risk-MDS-Patienten, die f&uuml;r eine Transplantation infrage kommen, bietet sich allenfalls eine intensive Chemotherapie als &Uuml;berbr&uuml;ckungsmassnahme an, insbesondere wenn kein prognostisch schlechter Karyotyp vorliegt und die Patienten bisher noch keine intensive Chemotherapie erhalten haben (#348).<br /> Bis heute bleibt die Stammzelltransplantation der einzige Weg zur Heilung. Mit den heutigen M&ouml;glichkeiten (HLAidentische Verwandtenspende, HLA-matched Fremdspender, haploidentische Spende [h&ouml;here TRM], Nabelschnurspende [h&ouml;here Rezidivrate]) steht diese Therapie heute prinzipiell fast allen Patienten zur Verf&uuml;gung, die fit genug sind. Das Alter selbst stellt dabei keine Kontraindikation dar (CIBMTR; M. Horowitz, Education Session), wohl aber Komorbidit&auml;ten (HCT-CI/Sorror Score) und der Allgemeinzustand des Patienten (Performance- Status; &laquo;Lawton&rsquo;s instrumental activities of daily living&raquo;, IADL; Geriatrie-Score (?), CIBMTR; M. Horowitz, Education Session).<br /> Nichtsdestotrotz bleiben die TRM (ca. 30 % ) und die Rezidivrate (ca. 30 % ) relativ hoch, was in einem 3-Jahres-OS von ca. 40 % resultiert. Um die individuelle Prognose nach einer Transplantation besser absch&auml;tzen zu k&ouml;nnen, wurden TPLScores entwickelt: CIBMTR: Alter (18&ndash; 29=0; 30&ndash;49=1; &gt;50=2), Karnofsky PS (90&ndash;100 % =0; &lt;90 % =1), Karyotyp (sehr gut/gut/&laquo;intermediate&raquo; = 0; schlecht/sehr schlecht = 1; Monosomie = 2), Blastenanteil (=3 % =0; &gt;3 % =1), Thrombozyten (&gt;50G/L=0; &lt;/=50=1); &laquo;low&raquo; 0&ndash;1; &laquo;intermediate &raquo; 2&ndash;3; &laquo;high&raquo; 4&ndash;5; &laquo;very high&raquo; 6&ndash;7. Dieser Score differenziert die 4 verschiedenen Risikogruppen gut (HR: &laquo;low&raquo; 1; &laquo;intermediate&raquo; 1,76; &laquo;high&raquo; 2,87; &laquo;very high&raquo; 7,03; 3y-OS &laquo;low&raquo; ca. 70 % , &laquo;very high&raquo; ca. 20 % ; M. Horowitz, Education Session). Andere integrierten die Ergebnisse der Mutationsanalytik nach NGS in ihre Scores (#53).<br /> Die Indikation zur Transplantation f&uuml;r High-Risk-MDS-Patienten bei Diagnose ergibt sich dann aus der Prognose aufgrund des IPSS-R ohne Transplantation und der Prognose des Patienten nach einem Transplantations-Score, wie z.B. dem CIBMTR-Score, mit Transplantation (weitere Risikofaktoren jenseits des IPSS-R: Knochenmarkfibrose, Transfusionsbedarf, Ferritin, t-MDS, Mutationen &ndash; TP53, EZH2, ETV6, RUNX1, ASXL1).<br /> Schwieriger ist es f&uuml;r den behandelnden Arzt, im Verlauf der Behandlung eines Low-Risk-MDS den richtigen Zeitpunkt f&uuml;r eine Transplantation abzusch&auml;tzen, bevor es zur eigentlichen Akzeleration bzw. der Entwicklung einer AML kommt. Der IPSSR ist hier nur von bedingtem Nutzen, da es sich nicht um einen dynamischen Score handelt (M. Horowitz, Education Session). Hier k&ouml;nnte neben der klinischen Beurteilung durch den Arzt in Zukunft der Nachweis neu akquirierter Mutationen helfen, die Patienten zu identifizieren, die von einer Transplantation profitieren w&uuml;rden (#297).</p></p>
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