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Myeloproliferative Neoplasien

Molekulargenetik und deren Therapiekonsequenzen

<p class="article-intro">Myeloproliferative Neoplasien (MPN) zählen neben den akuten Leukämien (AML), den myelodysplastischen Syndromen (MDS), den myelodysplastischen/myeloproliferativen Neoplasien (MDS/MPN) und den myeloischen/lymphatischen Neoplasien mit Eosinophilie (MLN-eo) zu der großen Gruppe der myeloischen Neoplasien (MN). Seit der entsprechenden Einteilung der WHO 2008 gab es eine Vielzahl neuer Erkenntnisse mit neuen diagnostischen Kriterien und daraus resultierender prognostischer Relevanz. Die neue WHO-Klassifikation der MN wurde 2016 publiziert.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>William Dameshek beschrieb im Jahr 1951 die Trias Thrombose, H&auml;morrhagie und leuk&auml;mische Transformation und leitete daraus die Diagnosen essentielle Thrombozytose (ET), Polycythaemia vera (PV) und Myelofibrose (PMF) ab. &Uuml;ber 30 Jahre sp&auml;ter wurde die Translokation t(9;22) mit dem Fusionsprotein BCR-ABL identifiziert und die chronische myeloische Leuk&auml;mie (CML) als eigene Krankheit genetisch klassifiziert. Bis 2008 wurden weitere molekulare Marker identifiziert (JAK2, MPL, TET2, FIP1L1-PDGFRA etc.), die besser eingrenzbare Diagnosen schufen.<br /> Die im Mai 2016 publizierte neue WHO-Klassifikation hat sich gegen&uuml;ber 2008 nicht signifikant ver&auml;ndert, aber die Entdeckung neuer Mutationen und klinische Erkenntnisse f&uuml;hren zu einigen Umgruppierungen (Abb. 1). In der Gruppe der MDS/MPN konnten die F&auml;lle der BCRABL- negativen CML (aCML) exakter herausgearbeitet werden, insbesondere k&ouml;nnen sie leichter von der chronischen Neutrophilen- Leuk&auml;mie (CNL) unterschieden werden. Die f&uuml;r die CNL typische Mutation CSF3R findet sich ausgesprochen selten in F&auml;llen der aCML, daf&uuml;r sind in mehr als der H&auml;lfte der F&auml;lle SETBP1- bzw. ETNK1-Mutationen vorhanden. Die typischen Driver-Mutationen der MPN (JAK2, CALR, MPL) liegen bei einer aCML nicht vor. Die diagnostische Charakteristik der CNL und die Bedeutung der CSF3R-Mutation sind in Tabelle 1 abgebildet.<br /> Neu aufgenommen in die Gruppe der MDS/MPN wurde die Kategorie der myelodysplastischen/myeloproliferativen Neoplasie mit Ringsideroblasten und Thrombozytose (MDS/MPN+RS+T), morphologisch charakterisiert durch die typischen MDS-Kriterien im Sinne einer refrakt&auml;ren An&auml;mie, Dyserythropoese und Ringsideroblasten, kombiniert mit einer Megakaryozytopoese, die f&uuml;r eine MPN typisch ist. Sehr h&auml;ufig ist diese Morphologie mit einer Mutation im Spliceosom SF3B1 vergesellschaftet (oft sichtbar beim Vorliegen von Ringsideroblasten), in Kombination mit JAK2, MPL, und CALR.<br /> Die Mastozytose (MC) z&auml;hlt nicht mehr zu der Gruppe der MPN, sondern stellt eine eigene Entit&auml;t im Rahmen der MN dar. Diese &Auml;nderung wurde erforderlich aufgrund der Varianz von einer indolenten Hauterkrankung bis zu einer aggressiven Systemerkrankung (kutane, systemische Mastozytose, Mastzellleuk&auml;mie, Mastzellsarkom).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s40_abb1.jpg" alt="" width="1454" height="1020" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s40_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1118" /></p> <h2>CML</h2> <p>Verfolgt man die Lebenserwartung von Patienten mit CML, offenbart sich eine Erfolgsgeschichte in der H&auml;matologie. Lag 1983 die 10-Jahres-&Uuml;berlebenswahrscheinlichkeit (SVR) mit Hydroxyurea und Busulfan unter 10 % , konnte sie durch den Einsatz von Interferon und Stammzelltransplantation bis zum Jahrtausendwechsel auf 60 % gehoben werden. Mit der Einf&uuml;hrung der Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) stieg die SVR auf 90 % (CML-IVStudie) und Daniel Arber spricht 2016 von einer &bdquo;fast normalen Lebenserwartung&ldquo;. Die laufende Therapie der CML wird durch ein exaktes Monitoring der BCRABL- Transkripte begleitet, um einen Wirkungsverlust der TKI fr&uuml;hzeitig zu erkennen. Dadurch gelingt es, die H&auml;ufigkeit des Auftretens einer Akzelerationsphase zu vermindern. Diese wurde ebenfalls neu definiert (Tab. 2). Vor allem die Entwicklung einer Resistenz gegen TKI-Therapie und die zus&auml;tzlichen klonalen &Auml;nderungen in Ph+-Zellen werden neben den bekannten h&auml;matologischen und morphologischen Parametern miteinbezogen.</p> <p>&nbsp;<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s40_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="606" /></p> <h2>PV, ET und PMF</h2> <p>Klinisch k&ouml;nnen diese drei Krankheitsbilder mit dem Auftreten in der zweiten Lebensh&auml;lfte und thromboembolischen Komplikationen charakterisiert werden. Sie unterscheiden sich jedoch deutlich in der Lebenserwartung. W&auml;hrend die ET praktisch nie in eine sekund&auml;re AML transformiert, tritt dies bei der PV gar nicht selten auf und endet bei der PMF mit dem terminalen Blastenschub. Die mediane Lebenserwartung betr&auml;gt knapp 1,3 Jahre bis zu einer &bdquo;fast normalen&ldquo; Lebensspanne (Tab. 3). Diagnostisch ist bei allen drei Entit&auml;ten eine Beckenkammpunktion zur Abgrenzung eines pr&auml;fibrotischen Stadiums einer PMF durchzuf&uuml;hren.<br /> Die WHO-Kriterien f&uuml;r das Vorliegen einer ET umfassen neben den bekannten morphologischen Charakteristika vor allem den Nachweis einer JAK2- (bei 50&ndash; 60 % der Patienten), CALR- (30&ndash;35 % ) oder MPL-Mutation (3 % ). Derzeit werden 10&ndash; 12 % der Patienten als &bdquo;tripelnegativ&ldquo; gewertet. Die Therapieindikation richtet sich nach dem Vorliegen von Risikofaktoren. Dazu z&auml;hlen thromboembolische Komplikationen, Alter &uuml;ber 65 und eine Thrombozytenzahl &gt;1,5 Millionen. Bei niedrigem Risiko ist nur &bdquo;watch and wait&ldquo; angezeigt, w&auml;hrend bei einem rein vaskul&auml;ren Risiko eine Aspirinprophylaxe indiziert ist. Erst beim Erreichen einer Hochrisikosituation ist die Therapie mit Hydroxyurea, IFN, Anagrelid oder einem JAK2-Inhibitor (Ruxolitinib) angezeigt. F&uuml;r den Therapieverlauf ist anzumerken, dass Thrombozytenzahlen unter 1,5 Millionen zu Thrombosen und Mikrozirkulationsst&ouml;rungen f&uuml;hren, bei dar&uuml;ber liegenden Werten jedoch die Blutungsneigung zunimmt.<br /> Die PV ist charakterisiert durch H&auml;moglobin &gt;16g/dl, einen H&auml;matokrit &gt;48 % , mit einer im Knochenmark trilinearen Hyperzellularit&auml;t mit pleomorphen Megakaryozyten. Molekularbiologisch kann die PV fast zu 100 % nachgewiesen werden. 95 % der Patienten weisen eine JAK2<sup>V617F</sup>-Mutation auf und weitere 3 % eine JAK2- Mutation im Exon12. Tritt im Verlauf der Krankheit eine Leukozytose auf, ist dies, aufgrund des Risikos der leuk&auml;mischen Transformation, mit einer schlechteren Prognose verbunden. Kurativ kann die PV nur durch eine allogene Stammzelltransplantation behandelt werden. Die Prim&auml;rtherapie besteht aus regelm&auml;&szlig;igen Aderl&auml;ssen und Acetylsalicyls&auml;ure, bei Progression bietet sich Hydroxyurea und Interferon an. Treten Resistenzen auf, sind auch bei der PV JAK2-Inhibitoren zugelassen.<br /> Die prim&auml;re Myelofibrose wird seit letztem Jahr in pr&auml;fibrotisch (prePMF) und klassisch (overtPMF) unterteilt, die sich im Wesentlichen im Grad der Retikulinfibrose (0 oder 1 beziehungsweise 2 oder 3) unterscheiden. Die weiteren Hauptkriterien umfassen in beiden Gruppen die bekannten morphologischen Kriterien und auf molekularer Ebene das Vorliegen von JAK2, CALR oder MPL oder bei deren Fehlen andere klonale Marker, z.B. ASXL1, EZH2, TET2, IDH1/IDH2, SRSF2, SF3B1. Die therapeutischen Optionen sind je nach Risikoscore zu steuern und reichen von &bdquo;watch and wait&ldquo; &uuml;ber supportive Therapie (Epo-Gabe, Erythrozytenkonzentrate), Hydroxyurea oder eventuell Interferon bis zur Behandlung mit JAK2-Inhibitoren.<br /> Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die neue Klassifikation sowohl in diagnostischer als auch therapeutischer Hinsicht den Kliniker im Alltag unterst&uuml;tzt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1702_Weblinks_s40_tab3.jpg" alt="" width="1419" height="757" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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