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Chirurgische Behandlung von Lungenkrebs

Minimal invasive beidseitige Lymphknotenentfernung: warum und wie?

Die Behandlung von Lungenkrebs erlebt einen dramatischen Wandel. Durch die Verfügbarkeit völlig neuer und ständig nachrückender konservativer Behandlungsformen haben heute auch Patienten mit fortgeschrittenen Erkrankungen, die noch vor wenigen Jahren als hoffnungslos angesehen werden mussten, realistische Heilungschancen. In der chirurgischen Behandlung haben sich neue, minimal invasive Behandlungsformen etabliert. Dadurch konnte die Angst vor großen Operationen weitgehend verdrängt werden. Heute dauert ein Klinikaufenthalt zur Entfernung von Lungenkrebs weniger als eine Woche.

Keypoints

  • Der Schlüssel zum Erfolg in der Behandlung von Lungenkrebs liegt in einer strategischen Kombination konservativer und chirurgischer Maßnahmen auf der Basis der jeweils neuesten Erkenntnisse.

  • In der chirurgischen Behandlung haben sich neue, minimal invasive Behandlungsformen etabliert. Dadurch konnte die Angst vor großen Operationen weitgehend verdrängt werden.

  • Die bilaterale mediastinale Lymphadenektomie (VAMLA) ist eine innovative Methode in der Thoraxchirurgie mit klaren Vorteilen aus onkologischer und auch physiologischer Sicht.

  • Die Kombination von thorakoskopischer Lobektomie und VAMLA ist die radikalste und gleichzeitig schonendste Form der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs.

Die Minimierung des operativen Traumas ist aus verschiedener Hinsicht ein zentrales Ziel in allen Sparten der Medizin. Abgesehen von den für den Patienten unmittelbar wahrgenommenen Vorteilen eines kosmetisch ansprechenderen Ergebnisses bietet der kleinere chirurgische Zugang im direkten Vergleich mit größeren den Vorteil der geringeren Gewebsschädigung mit besserer Funktionalität im Kurz- und Langzeitverlauf, die geringere Schmerzbelastung, raschere Erholung, frühere Entlassung aus dem Spital und raschere Eingliederung in den Erwerbsprozess und damit insgesamt einen positiven volkswirtschaftlichen Effekt.

Wird ein neues Verfahren implementiert, so muss zumindest seine Gleichwertigkeit, wenn nicht Überlegenheit gegenüber herkömmlichen Verfahren gesichert sein. Das betrifft im Speziellen die onkologische Chirurgie, wo minimal invasive Techniken zusätzlich zu den oben besprochenen Kriterien auch betreffend Rezidivraten und Überlebenszeiten am Standard der offenen Verfahren beurteilt werden müssen.

Onkologisch-chirurgische Grundlagen

Die anatomische Lungenresektion – anatomische Segmentresektion, Lobektomie, broncho/angioplastische Lobektomie, Pneumonektomie – in Verbindung mit einer systematischen En-bloc-Dissektion der mediastinalen Lymphknoten ist die Behandlungsform mit der größten Heilungsaussicht bei nicht kleinzelligem Bronchuskarzinom. Ab dem klinischen Stadium II wird grundsätzlich eine adjuvante oder neoadjuvante Chemotherapie empfohlen.

Zu einer anatomischen Lungenresektion gehört die selektive Präparation der hilären Strukturen, der Venen, Arterien und des Bronchus. Das Ziel jeder onkologischen thoraxchirurgischen Intervention mit kurativer Intention ist die komplette Entfernung des Primärtumors und der regionalen Lymphknoten. Damit wird das Thema mediastinale Lymphadenektomie angerissen, das auch in der offenen Thoraxchirurgie ein viel diskutiertes Thema ist.

Die Bedeutung der mediastinalen Lymphknotendissektion wird heute auf der Basis mehrerer prospektiver randomisierter Studien und derer Metaanalysen in erster Linie mit einem optimalen intraoperativen Staging begründet. Dadurch werden auch im Rahmen des Stagings nicht erkannte Metastasen entdeckt und das Risiko eines sogenannten „understaging“ minimiert. Damit führt die systematische mediastinale Lymphadenektomie in der Statistik scheinbar zu einer Lebensverlängerung. Eine Lebensverlängerung im Sinne eines therapeutischen Effektes ist nicht auszuschließen, auf der Basis der relevanten aktuellen Literatur jedoch nicht mit ausreichend Evidenz gesichert.

Gewöhnlich werden größere anatomische Resektionen über eine Thorakotomie durchgeführt. Der traditionelle große posterolaterale Zugang mit Durchtrennung des großen Rückenmuskels (Musculus latissimus dorsi) ist durch die Verfügbarkeit einer seitengetrennten Beatmung (Doppellumentubus) international vielfach durch eine muskelsparende kleine anterolaterale Thorakotomie ersetzt. In beiden Fällen ist es zur Erzielung einer ausreichenden Übersichtlichkeit des Operationsgebietes erforderlich, den Intercostalraum nach dessen Eröffnung mit einem Rippenspreizer zu erweitern. Dieses Manöver führt einerseits zur Irritation des Interkostalnervens und des Periosts, andererseits zu einer Überdehnung und manchmal Subluxation der Costovertebralgelenke sowie der Sternocostalgelenke. Als Folge wird von vielen Patienten ein über mehrere Monate dauerndes sogenanntes „Post-Thorakotomie-Syndrom“ berichtet, das langfristige schmerztherapeutische Maßnahmen erforderlich macht.

Technische Unterschiede zwischen Lobektomie über VATS und Thorakotomie

Bevor man sich auf einen Verfahrensvergleich zwischen VATS(„video assisted thoracic surgery“)-Lobektomie und Standard-Lobektomie über Thorakotomie einlässt, müssen die jeweiligen Begriffe klar definiert werden. Betreffend die VATS-Lobektomie vermisst man in der Literatur einen einheitlichen Standard. Manche Autoren beschreiben die Verwendung einer axillären Mini-Thorakotomie, die Mehrheit verwendet eine sogenannte „utility incision“ mit etwa 4cm Länge, über die primär operiert und durch die das Präparat geborgen wird. Dazu werden endoskopische Ports in unterschiedlicher Anzahl verwendet. In Abhängigkeit von der Anzahl der Inzisionen sind Bezeichnungen wie „uniportal VATS“, „two portal VATS“ und „three portal VATS“ gebräuchlich.

Das verbindende Element echter thorakoskopischer Eingriffe ist der Verzicht auf jegliche Rippenspreizung, wobei sehr pragmatische Kollegen nur von VATS-Lobektomie sprechen, wenn die Hilfsinzision zur Bergung des Präparates erst am Ende der Operation gesetzt und die gesamte Operation ausschließlich über Thorakoskopie-Ports durchgeführt wird. Derlei Purismus hat in der Praxis jedoch wenig Bedeutung, da das Ziel des endoskopischen Eingriffes die geringste Belastung für den Patienten bei bestmöglicher lokoregionaler Tumorkontrolle ist.

Die Technik der thorakoskopischen Lobektomie ist weitgehend identisch mit dem offenen Verfahren. Chirurgen, die mit der Anatomie der Lunge über eine kleine anterolaterale Thorakotomie vertraut sind, können ihr technisches Vorgehen beim Umstieg auf den thorakoskopischen Zugang zur Lobektomie weitgehend beibehalten. Zur Vermeidung von postoperativen Parenchymfisteln kann auf die Dissektion des Lappenspaltes verzichtet und die Parenchymbrücke ohne Eröffnung der viszeralen Pleura mit dem Klammernahtgerät unter Sicht abgesetzt werden. Die Eingriffe werden ausschließlich über einen hochauflösenden Videomonitor visuell begleitet und der anatomisch resezierte Lappen über einen großen reißfesten Bergesack über eine 4cm lange Inzision geborgen. Dieses Verfahren erfordert keine Zerkleinerung des Lappens intrathorakal und vermeidet die Dissemination von Tumorzellen im Pleuraraum.

Onkologische Gesichtspunkte

Historische, onkologisch begründete Argumente gegen die thorakoskopische Lobektomie sind heute weitgehend überholt. Eine Tumorzelldissemination bzw. -implantation in die Thoraxwand im Zuge von VATS-Lobektomien wurde 1996 von R.J.Downey1 berichtet. Der Wegfall der manuellen Palpation der Lunge erfüllt allein bereits eine Forderung der onkologischen Chirurgie im Sinne einer „no-touch technique“ und minimiert damit das Risiko für eine Ausschwemmung von Tumorzellen in die Blutbahn. Die Entfernung des resezierten Lungenanteils durch die Thoraxwand mittels reißfester Bergesäcke verhindert heute das Entstehen von sogenannten Implantationsmetastasen weitestgehend.

Die Unmöglichkeit einer direkten Palpation des Lungengewebes bei der VATS-Lobektomie veranlasste Robert Cerfolio 20072 zu einem Bericht über 166 Patienten, bei denen sich in 14 Fällen trotz präoperativen Stagings mittels Thorax-Computertomografie (CT) in 5-mm-Schichten am 64-Zeiler mit Kontrastmittel und Positronenemissionstomografie(PET)-CT intraoperativ zusätzlich zu dem bekannten nichtkleinzelligen Lungenkarzinom kleinste maligne Formationen fanden, die postoperativ zu einer Stadienmigration der Erkrankung nach oben („upstaging“) führten. Solche kleinste Herde entziehen sich naturgemäß einer Entdeckung im Rahmen eines thorakoskopischen Eingriffes, werden jedoch bei einer Größe von unter 3mm sehr wahrscheinlich auch bei offenem Verfahren leicht übersehen. Abgesehen von diesem Argument zählt Robert Cerfolio heute zu einem der eifrigsten Verfechter der thorakoskopischen Lobektomie (speziell mit Roboter-Unterstützung) zur Behandlung des Lungenkrebses.

Ein früher häufig verwendetes Argument gegen die VATS-Lobektomie betrifft die Qualität der mediastinalen Lymphadenektomie, die noch vor wenigen Jahren von einigen Autoren als onkologisch unzureichend klassifiziert wurde.

Die internationalen Richtlinien schreiben eine systematische Entfernung der mediastinalen Lymphknoten im Zuge jeder radikalen Operation von Lungenkrebs vor.3 Die Beobachtung, dass selbst bei cT1-Tumoren in zumindest 10% ein Befall der mediastinalen Lymphknotenstationen angetroffen wird, unterstreicht die Bedeutung einer systematischen Blockdissektion der N2-Stationen auch im Frühstadium.

Dadurch sollte die Quelle von Tumorzellen entfernt und gleichzeitig das Ausmaß einer eventuellen Streuung der Erkrankung bestimmt werden. Diese Forderung stößt in ihrer konsequenten Umsetzung an technische und anatomische Grenzen. Der Lymphabstrom besonders der linken Lunge und der Unterlappen kreuzt physiologisch zu einem erheblichen Teil auf die andere Seite und potenzielle mikroskopisch befallene Lymphknoten können bei der einseitigen Operation nicht entfernt werden.

Obwohl eine systematische mediastinale Lymphadenektomie über thorakoskopischen Zugang nachweislich technisch in hoher Qualität durchgeführt werden kann, erfordert sie jedoch einen erhöhten Zeitaufwand im Vergleich zum offenen Verfahren. Thoraxchirurgische Eingriffe, insbesondere auf minimalinvasivem Weg, erfordern eine einseitige Beatmung der Lunge, um eine Traumatisierung der Lunge durch die intraoperative Manipulation weitgehend zu vermeiden. Dies bedeutet jedoch eine vermehrte Druckbelastung und erhöhte Sauerstoffkonzentrationen für die zweite, nicht operierte Lunge sowie eine reflektorische Minderdurchblutung der operierten Lunge. Letzterer Umstand führt zu einer funktionellen Verringerung des Gesamtquerschnitts der Gefäßstrombahn der Lunge und damit zu einer erhöhten Druckbelastung des rechten Herzens. Dies kann bei bereits erhöhtem pulmonal-arteriellem Druck oder bei vorgeschädigtem Herzen zu kritischen Situationen führen.

Minimal invasive beidseitige Lymphknotenentfernung

In diesem Zusammenhang bietet sich eine Kombination zweier Verfahren an. Die zervikale Mediastinoskopie (Abb. 1 und 2) als Goldstandard des chirurgischen Stagings des Mediastinums kann mit geringer Abänderung der Technik zu einem diagnostischen/therapeutischen Verfahren erweitert werden. Die sogenannte „video-assisted mediastinal lymphadenectomy“ (VAMLA) erlaubt die bimanuelle bilaterale Dissektion des Mediastinums bis zum Zwerchfell und erfordert keine einseitige Beatmung der Lunge und ist gerade für ältere Patienten schonender.

Abb. 1: Eröffnen der prätrachealen Faszie vor Einbringen des Mediastinoskops

Abb. 2: Links: Trachea und große thorakale Gefäße schematisch aus zervikaler Blickrichtung.
Rechts: Trachea und große thorakale Gefäße schematisch aus zervikaler Blickrichtung nach Einführen des Mediastinoskops

Die Technik der VAMLA wurde 2002 von Hürtgen4 in Deutschland entwickelt und primär als erweiterte diagnostische Mediastinoskopie eingesetzt. Als therapeutisches Verfahren zur beidseitigen mediastinalen Lymphadenektomie in Kombination mit einer anatomischen Resektion des Primärtumores wird die VAMLA derzeit ausschließlich an unserer Abteilung in Wien eingesetzt.

Besonders die per VATS schwieriger zugängliche infrakarinale Region kann mit der VAMLA ohne großen Aufwand disseziert werden. Die Anzahl der entfernten mediastinalen Lymphknoten ist signifikant höher. Der Eingriff dauert nicht länger als der rein unilaterale Eingriff per VATS. Die Kombination einer VATS-Lobektomie mit VAMLA bietet damit durch die bilaterale mediastinale Lymphadenektomie diagnostische Vorteile und bessere lokale Kontrolle bei gleicher Operationszeit.

In einer Analyse eigener Daten wurden 367 Patienten im klinischen Stadium I nach thorakoskopischer Lobektomie und einseitiger, respektive beidseitiger mediastinaler Lymphadenektomie verglichen. Die Patientengruppen waren betreffend Demografie, Nebenerkrankungen, TNM-Stadium und Histologie vergleichbar („propensity-score matching“). Die Mehrzahl der Patienten hatten Tumoren im pathologischen Stadium I (61,9%). 9,2% und 2,2% der Patienten waren im Stadium N2 und N3. Die bilaterale Lymphadenektomie führte zu einer signifikanten Vermehrung der Anzahl entfernter Lymphknoten, wobei ein Upstaging zu N2 mit 5,26% respektive 8,84% nicht signifikant unterschiedlich war. Die Kaplan-Meier-Analyse zeigte ein signifikant besseres 5-Jahres-Überleben nach bilateraler Lymphadenektomie bei Tumoren des linken Unterlappens in allen Stadien (Abb. 3).

Abb. 3: Kaplan-Meier-Überlebenskurve. (A) Linker unterer Lappen, alle Stadien. (B) Linker unterer Lappen, Stadium 1

Zusammenfassung

Die rasante Entwicklung und Akzeptanz der VATS-Lobektomie in den letzten Jahren wird in allererster Linie durch die Verfügbarkeit wesentlich besserer visueller Medien und neuer Klammernahtgeräte ermöglicht. Wenn vor wenigen Jahren noch spezielle Indikationen für die VATS-Lobektomie definiert wurden, so sucht man heute bereits die Kontraindikationen.

Die Vorteile einer Lobektomie über thorakoskopischen Zugang im Vergleich zur offenen Lobektomie betreffen zunächst das geringere Trauma. Die transzervikale Lymphadenektomie erfordert keine einseitige Beatmung der Lunge und ist daher ebenfalls besonders für ältere Patienten schonender. Die Kombination von VATS-Lobektomie und VAMLA ist die radikalste, aber auch gleichzeitig schonendste Form der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs.

1 Downey RJ et al.: Dissemination of malignant tumors after video-assisted thoracic surgery: a report of twenty-one cases. J Thorac Cardiovasc Surg 1996; 111(5): 954-60 2 Cerfolio RJ, Bryant AS: Is palpation of the nonresected pulmonary lobe(s) required for patients with non-small cell lung cancer? J Thorac Cardiovasc Surg 2008; 135(2): 261-8 3 Lardinois D et al.: ESTS guidelines for intraoperative lymph node staging in non-small cell lung cancer. Eur J Cardiothorac Surg 2006; 30(5): 787-92 4 Hürtgen M et al.: Radical video-assisted mediastinoscopic lymphadenectomy (VAMLA)--technique and first results. Eur J Cardiothorac Surg 2002; 21(2): 348-51

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