
Mammakarzinom: positive Entwicklungen in therapeutischen Details
Bericht:
Ingeborg Morawetz, MA
Therapiedauer, prädiktive Algorithmen und ein neuer Wirkstoff am Horizont: Die Highlights des ESMO-Kongresses 2022 warteten mit interessanten Updates und richtungsweisenden Studiendaten auf.
Obwohl auf dem ESMO-Kongress 2022 viele spannende Präsentationen zum Thema Mammakarzinom gehalten wurden, stand diese Entität nicht im Fokus des Treffens. Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant erklärt dies damit, dass in onkologischen Studien der generelle Trend in Richtung Immuntherapie geht, die beim Mammakarzinom nur marginal relevant ist.
Seine Highlights zur Brustkrebsforschung beinhalten dementsprechend Neuigkeiten zu Kinaseinhibitoren, endokrinen Therapien, Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (ADC) und Aromatasehemmern. Wir fassen sie im Folgenden für Sie zusammen.
Fortgeschrittener Brustkrebs
Bei der Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms zeichneten sich zwei Studien zu CDK4/6-Inhibitoren und eine Studie zu Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten mit besonders positiven Ergebnissen aus.
MONARCH 3: Abemaciclib rehabilitiert CDK4/6-Inhibitoren
Zur randomisierten, doppelt verblindeten, placebokontrollierten Phase-III-Studie MONARCH 3 wurden Interimsdaten zum Gesamtüberleben (OS) bei 493 Patient*innen post Menopause mit fortgeschrittenem, HR-positivem und HER2-negativem Brustkrebs unter Abemaciclib + einem nichtsteroidalen Aromataseinhibitor (NSAI) oder Placebo in der Erstlinientherapie präsentiert.1 Bei Abemaciclib handelt es sich um einen Cyclin-abhängigen Kinaseinhibitor, und zwar den dritten in Europa zugelassenen CDK4/6-Inhibitor.
Bei den OS-Daten war nach 70,2 Monaten ein klarer Trend zu einer Verlängerung im Versuchsarm zu erkennen (67,1 Monate vs. 54,5 Monate; HR: 0,754; 95% CI: 0,584–0,974; 2-seitig, p=0,0301). Wenn auch die Differenz (noch) nicht statistisch signifikant ist, so schätzt Prof. Dr. Gnant sie doch als zukünftig klinisch relevant ein, so zum Beispiel für Patient*innen mit viszeraler Erkrankung.
In dieser Subgruppe lag das mediane OS bei 65,1 Monaten vs. 48,8 Monate (HR: 0,708; 95% CI: 0,508–0,985; 2-seitig, p=0,0392). Bei HR-positiven Patient*innen wurde zudem die Zeit bis zur Chemotherapie unter Therapie mit Abemaciclib + NSAI von 30 Monaten auf 47 Monate verlängert.
Diese vielversprechenden Ergebnisse sind auch insofern wichtig, als seit dem ASCO-Jahrestreffen 2022 die eher enttäuschenden OS-Daten der PALOMA-2-Studie die klinische Relevanz von CDK4/6-Inhibitoren in Zweifel gezogen haben.
Prof. Dr. Gnant bezeichnet die Ergebnisse als „zusätzlichen Puzzlestein“, der aufzeigt, dass Abemaciclib sehr wohl für einen endgültigen OS-Benefit wirksam sein kann. Die finale OS-Analyse wird für 2023 erwartet.
DAWNA-2: ein vierter CDK4/6-Inhibitor
Für den europäischen Markt noch nicht relevant, in China bereits optimistisch gehandelt: Dalpiciclib wurde in der Phase-III-Studie DAWNA-2 mit endokriner Therapie in der Erstlinie getestet.
Der CDK4/6-Inhibitor wurde bei Patient*innen mit HR-positivem, HER2-negativem lokal rezidiviertem oder metastasiertem Brustkrebs in Kombination mit Letrozol oder Anastrozol (n=303) eingesetzt. Getestet wurde gegen Placebo in Kombination mit Letrozol oder Anastrozol (n=153).
Die PFS-Ergebnisse gleichen jenen der drei bereits zugelassenen CDK4/6-Inhibitoren. Das mediane PFS lag für den Dalpiciclib-Arm bei 30,6 Monaten (95% CI: 30,6–NR) vs. 18,2 Monate im Placebo-Arm (95% CI: 16,5–22,5; HR: 0,51 [95% CI: 0,38–0,69]; 1-seitig, p <0,0001).
Die Ergebnisse waren unabhängig vom menopausalen Status. Auch Gesamtansprechrate (ORR) und Dauer des Ansprechens (DoR) zeigten einen Vorteil für Dalpiciclib. Alle Resultate der DAWNA-2-Studie sind der Tabelle 1 zu entnehmen.
TROPiCS-02: weiterer Erfolg für ADC
In der TROPiCS-02-Studie wurden 543 Patient*innen mit HR-positivem, HER2-negativem metastasiertem Brustkrebs und drei vorhergehenden Chemotherapien auf zwei Arme randomisiert. Sie wurden entweder mit dem ADC Sacituzumab Govitecan oder mit einer Therapie nach „physician’s choice“ behandelt.2
TROPiCS-02 ähnelt stark der DESTINY-Breast04-Studie, die mit einer HR-positiven HER2-low-Population durchgeführt wurde. Da Sacituzumab Govitecan bisher eher bei tripelnegativem Brustkrebs eingesetzt wurde, kann die Studie auch als Machbarkeitsnachweis gesehen werden.
Die Ergebnisse zeigen vor allem, dass Antikörper nicht mehr nur dazu verwendet werden können, Tumorzellen gezielt anzugreifen, sondern auch als Transportweg bei Krebserkrankungen, bei denen HER2 nicht überexprimiert wird. Ein ADC kann ein toxisches Medikament an den gewünschten Wirkort bringen.
Der primäre Endpunkt der TROPiCS-02-Studie war das progressionsfreie Überleben (PFS), der sekundäre Endpunkt das OS. Im Sacituzumab-Govitecan-Arm war das OS statistisch signifikant verlängert (14,4 Monate vs. 11,2 Monate; HR: 0,79; p=0,020). Für ORR, Lebensqualität (QoL) und Fatigue waren die Ergebnisse ebenfalls signifikant (Tab. 2).
Tab. 2: Ergebnisse der Interimsanalyse der TROPiCS-02-Studie. Modifiziert nach Rugo HS et al. ESMO 20223
Für Brustkrebs in frühen Stadien haben diese Ergebnisse noch keine Aussagekraft, aber sie beweisen, dass das Prinzip eines ADC, das, so Prof. Gnant, „beim ASCO alle mit großem Erstaunen, aber auch Begeisterung aufgenommen haben“, auch bei anderen Medikamenten grundsätzlich wirken kann.
Frühes Mammakarzinom
Prof. Gnant macht beim Mammakarzinom im Frühstadium vor allem im neoadjuvanten Bereich einige interessante Studien aus. Unter anderem gab es auf dem ESMO-Kongress Präsentationen zu der sich gerade in Diskussion befindlichen neuen Substanzgruppe der selektiven Östrogenrezeptorherunterregulatoren (SERD).
Bisher war unter den SERD nur Fulvestrant verfügbar, das parenteral verabreicht wird. Inzwischen gibt es auch Wirkstoffe zur oralen Therapie.
CoopERA: SERD und der Ki-67-Wert
In einer Interimsanalyse zur randomisierten Phase-II-Studie CoopERA wurden Ergebnisse zur Veränderung des Ki-67-Wertes unter neoadjuvanter Therapie mit dem SERD Giredestrant + Palbociclib vorgestellt.4 Die Wirkstoffkombination wurde Patient*innen mit ER-positivem, HER2-negativem Brustkrebs mit einem Ki-67-Wert von ≥5% verabreicht und mit einer Therapie mit Anastrozol + Palbociclib verglichen.
Zum ESMO-Kongress 2022 lagen die Ergebnisse für 83 von 202 vorgesehenen Patient*innen vor. Innerhalb von zwei Wochen kam es bei diesen zu einer Reduktion des Ki-67-Wertes um 80% (95% CI: 72%–85%) im Giredestrant-Arm vs. 67% im Anastrozol-Arm (95% CI: 56%–75%; p=0,0222).
Patient*innen mit einem Ki-67-Ausgangswert von ≥20% wiesen eine Reduktion von 83% auf (vs. 71% im Anastrozol-Arm), jene mit einem Ki-67-Ausgangswert von <20% eine Reduktion von 65% (vs. 24% im Anastrozol-Arm). In der Giredestrant-Gruppe kam es außerdem zu weniger unerwünschten Ereignissen.
Laut Prof. Gnant sind diese Ergebnisse vor allem unter dem Blickwinkel zu betrachten, dass SERD auch sehr stark in große Studien zu adjuvanter Therapie drängen.
In neodadjuvanten Studien hat sich bereits gezeigt, dass eine Selektion von Patient*innen mit höherem Risiko, also mit Lymphknotenpositivität oder auch mit positiven Progesteronrezeptoren, ein höheres Ansprechen auf SERD zeigt als andere Subgruppen. Bei der Planung von Studien zum adjuvanten Einsatz sollte diese Erkenntnis berücksichtigt werden.
Von Interesse ist demnach auch die Frage, ob und wie das luminale Mammakarzinom biologisch weiter differenziert werden kann. Mit diesem Thema beschäftigt sich unter anderem eine gemeinsame Auswertung von zwei ADAPT-Studien, die das endokrine Ansprechen bei Patient*innen in Abhängigkeit von Alter, multigenomischem Risikoscore und Ki-67 untersuchte.
HER2DX: Voraussage der Remission
Zertifikat „sehr spannend“: In einer korrelativen Analyse zur Phase-II-Studie PerELISA wurde über einen HER2DX-Algorithmus versucht, die pathologische Komplettremission (pCR) bei dualer Antikörperblockade und HER2-Überexpression ohne Chemotherapie bei bestimmten Patient*innen vorherzusagen.5
Bei HER2DX handelt es sich um einen prognostischen und prädiktiven Assay für frühen HER2-positiven Brustkrebs, der auf klinischen Daten und der Expression von vier Gensignaturen basiert. Die PerELISA-Studie, die die Daten lieferte, befasste sich mit Patient*innen nach der Menopause mit operablem HER2- und HR-positivem Brustkrebs. Sie wurden zunächst mit Letrozol und bei endokriner Sensitivität weiter mit neoadjuvantem Trastumzumab + Pertuzumab therapiert.
Es konnte festgestellt werden, dass der HER2DX-Score signifikant mit der pCR assoziiert ist. Die pCR-Rate bei niedrigem, intermediärem und hohem Score lag bei 8%, 43% und 100%. Die Rate endokrinen Ansprechens in diesen Score-Gruppen betrug 89,3%, 66,7% und 16,7%.
Diese vielversprechenden Ergebnisse zeigen, dass HER2DX die endokrine Sensitivität und die pCR in der Population der PerELISA-Studie voraussagen kann.
DATA: sieben Jahre Aromatasehemmer
In der finalen Analyse der Phase-III-Studie DATA wurden Daten zum adaptierten krankheitsfreien Überleben (aDFS) und zum adaptierten Gesamtüberleben (aOS) nach zehn Jahren präsentiert. In der Studie wurden 1660 Patient*innen mit HR-positivem Brustkrebs, die nach zwei bis drei Jahren Therapie mit Tamoxifen krankheitsfrei waren, auf drei und sechs Jahre Anastrozol-Gabe randomisiert.6
Das aDFS nach zehn Jahren lag bei 69% (95% CI: 66%–72%) in der 6-Jahres-Gruppe und bei 66% (95% CI: 63%–69%) in der 3-Jahres-Gruppe (HR: 0,86; 95% CI: 0,72–1,01; p=0,073). Beim aOS konnten keine Unterschiede festgestellt werden.
Die Daten bilden einen weiteren Baustein im Wissen über die nötige Dauer der verlängerten adjuvanten Aromatasehemmer-Therapie. Laut Prof. Gnant kann abgeleitet werden, dass optimalerweise über sieben bis acht Jahre behandelt werden sollte. Dies wurde vor allem bei Patient*innen mit höherem Risiko, die nodal-positiv waren oder größere Tumoren hatten, aber auch bei solchen mit besonders klarer Rezeptorexpression deutlich.
Die finale Analyse der DATA-Studie fügt sich gut in das Bild ein, das die Daten der österreichischen Studie ABCSG-16 zeichnen. In dieser wurden sieben Jahre als eine geeignete Therapiedauer für Aromatasehemmer ermittelt.
Quelle:
ESMO-Updates zum Mammakarzinom: Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant erläutert im Video die Mammakarzinom-Updates vom ESMO Congress 2022. Online unter https://www.universimed.com/at/article/onkologie/esmo-2022-updates-mammakarzinom-190365 . Abgerufen am 20.10.2022
Literatur:
1 Goetz MP et al.: MONARCH 3: Interim overall survival (OS) results of abemaciclib plus a nonsteroidal aromatase inhibitor (NSAI) in patients (pts) with HR+, HER2- advanced breast cancer (ABC). ESMO 2022; Abstr. #LBA15 2 Xu B et al.: Dalpiciclib plus letrozole or anastrozole as first-line treatment for HR+/HER2- advanced breast cancer (DAWNA-2): A phase III trial. ESMO 2022; Abstr. #LBA16 3 Rugo HS et al.: Overall survival (OS) results from the phase III TROPiCS-02 study of sacituzumab govitecan (SG) vs treatment of physician‘s choice (TPC) in patients (pts) with HR+/HER2- metastatic breast cancer (mBC). ESMO 2022; Abstr. #LBA76 4 Hurvitz SA et al.: Neoadjuvant giredestrant (GDC-9545) + palbociclib (palbo) vs anastrozole (A) + palbo in post-menopausal women with oestrogen receptor-positive, HER2-negative, untreated early breast cancer (ER+/HER2– eBC): Interim analysis of the randomised, open-label, phase II coopERA BC study. ESMO 2022; Abstr. #LBA14 5 Guarneri V et al.: HER2DX genomic test in HER2-positive/hormone receptor-positive (HER2+/HR+) breast cancer (BC) treated with neoadjuvant trastuzumab (T) and pertuzumab (P): a correlative analysis from the PerELISA trial. ESMO 2022; Abstr. #140MO 6 Tjan-Heijnen VCG et al.: Extended adjuvant aromatase inhibition after sequential endocrine therapy: Final results of the phase III DATA trial. ESMO 2022; Abstr. #1330
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