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Lungenkrebs bei Nichtraucher:innen – eine eigene Krankheitsentität

Lungenkrebs bei Nichtraucher:innen ist weltweit im Ansteigen. Rezente Studien haben Luftverunreinigungen als signifikanten Risikofaktor für die Entstehung dokumentiert. Aktuelle Forschungen zu Epidemiologie, Ätiologie und Biologie können das Verständnis der Charakteristika dieser besonderen Entität verbessern und wesentlichen Einfluss auf Diagnose und Therapie haben.

Lungenkrebs ist global noch immer die häufigste krebsbedingte Todesursache. Wiewohl durch Rauchen verursachter Lungenkrebs – trotz sinkender Inzidenzzahlen – nach wie vor die Hauptdiagnose ausmacht, steigen die Raten von Lungenkrebs bei Nichtraucher:innen kontinuierlich und erreichen bereits 15–20%. Dieser „lung cancer in individuals who have never smoked“ (LCINS) wird nun weltweit als die fünfthäufigste krebsbedingte Todesursache eingestuft (WHO 2023), wobei eine Prävalenz bei jüngeren Personen, bei Frauen und asiatischer Bevölkerung liegt.

Risikofaktoren

Radon

Radon steht an zweiter Stelle der umweltbezogenen Risikofaktoren für die Entstehung von Lungenkrebs. Die gesteigerte Lungenkrebsinzidenz war zunächst in den 1980er-Jahren bei Bergwerkarbeitern im Uranabbau festgestellt und durch internationale epidemiologische Fall-Kontroll-Studien mehrfach bestätigt worden.

„Second-hand smoke“

Passivrauchen („second-hand smoke“, SHS) ist schon lange als Risikofaktor sowohl für Lungenkrebs als auch für Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen identifiziert. SHS-Exposition erhöht das Lungenkrebsrisiko bei Nichtraucher:innen um 20–25%. Neben Dauer und Intensität der Exposition gegenüber SHS können auch genetische Polymorphismen von Faktoren, die Kanzerogen-Metabolismus, DNS-Repair und Entzündungsreaktion modifizieren, das Risiko für LCINS negativ, aber auch positiv beeinflussen.

Luftverschmutzung/-verunreinigung

Luftqualität kann durch Quantifizierung von Ozon, Feinstaub und chemischen Verunreinigungen bestimmt werden. Feinstaub ist eine Kombination von kleinen flüssigen und soliden Teilchen, die aus Staub, Metallen, Erde, Säuren und organischen Chemikalien bestehen. Diese Partikel – von Fahrzeugen, Waldbränden, Kohlekraftwerken und anderen Industriequellen freigesetzt – werden inhaliert und gelangen über die zentralen in die peripheren Atemwege, in denen typischerweise Adenokarzinome der Lunge entstehen. Rezente Studien haben Luftverunreinigungen und insbesondere Feinstaub („fine particulate matter“, PM2.5) als signifikanten Risikofaktor für die Entstehung von LCINS identifiziert. PM2.5 kann oxidativen Stress und Entzündungen, genetische Veränderungen und die Aktivierung von Onkogenen (einschließlich von EGFR) hervorrufen und damit zur Entstehung und Progression von Lungenkrebs beitragen.

LCINS ist eine eigene Krankheitsentität

Gravierende Unterschiede in den histologischen Typen (vorwiegend Adenokarzinome), in somatischen Mutationen, in der Tumormutationslast und bei Chromosomenaberrationen zwischen Lungenkrebs bei Raucher:innen und Nichtraucher:innen lassen den Schluss zu, dass es sich um eine eigene Entität handelt. Differentes Therapieansprechen bei Nichtraucher:innen und Raucher:innen – wie eben auch bei Frauen und Männern mit NSCLC – unterstreichen auch bei LCINS die Existenz von speziellen biologischen Tumorcharakteristika, die Therapiestrategien beeinflussen können bzw. sollten.

Bei LCINS sind Mutationen des EGFR-Gens und auch Rearrangements des EML4-ALK-Gens vermehrt vorhanden und stehen auch mit Chemotherapieresistenz in Zusammenhang. Bei Patient:innen mit LCINS führt die Bestimmung dieser genetischen Veränderungen (molekulares Profiling) mit Identifizierung von Target-Molekülen, d.h. von „actionable driver alterations“, zur Entwicklung von individualisierten Therapiestrategien. Dies kann eine zielgerichtete Therapie, aber auch Methoden zur Überwindung bzw. Berücksichtigung der Chemotherapieresistenz betreffen; beides mit dem Ziel, das Therapie-Outcome zu verbessern.

Patient:innen mit LCINS haben – laut rezenten Studienergebnissen – einen geringeren Benefit von Immuntherapien mit Immuncheckpoint-Inhibitoren einschließlich PD-L1-Modulatoren (ICI). Mögliche Erklärungen sind: geringe Immunogenität durch niedrige Mutationslast, d.h. niedrige MANA(„mutation-associated neoantigen“)-Ladung, konstitutive PD-L1-Expression als Antwort auf Driver-Onkogene bzw. Proteinsignale, starke Expression von immunsuppressiven Faktoren durch Tumorzellen (wie etwa CD39 und TGF beta), immunologisch hemmendes Tumor-Mikroenvironment (TME), abnormaler Metabolismus von Aminosäuren und Glukose bzw. geschädigte/geschwächte Organisation von tertiären lymphoiden Strukturen.

LCINS ist eine eigene Krankheitsentität, die sich in den histologischen Typen (vorwiegend Adenokarzinome), aber besonders auch in molekularen und genetischen Charakteristika vom Lungenkrebs von Raucher:innen unterscheidet. Forschungen zur primären und sekundären Prävention (u.a. Screenings) sind dringend erforderlich. Ein molekulares Tumorprofiling hilft bei der Entwicklung von individuellen Therapiestrategien.

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