
Wie Liquid Biopsy und Biomarker Diagnostik und Therapie verbessern können
Unser Gesprächspartner:
Prof. DDr. Johannes Gojo
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde, MedUni Wien/AKH Wien
Leitung Cancer School CCC Vienna
E-Mail: johannes.gojo@meduniwien.ac.at
Das Interview führte Dr. Corina Ringsell
Prof. DDr. Johannes Gojo und sein Team forschen unter anderem anBiomarkern und dem Einsatz der Liquid Biopsy aus dem Liquor cerebrospinalis und dem Blut, um Diagnostik und Therapie von Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen zu verbessern. Aktuelle Resultate wurden vor Kurzem im Fachjournal Acta Neuropathologica veröffentlicht.1
Gliome sind die häufigsten Hirntumoren bei Kindern und Jugendlichen. In den meisten Fällen ist man bislang auf Tumorbiopsien oder Teilresektionen angewiesen, um die Molekularbiologie des Tumors und potenzielle Behandlungsstrategien zu ermitteln. Bei einem Krankheitsprogress können jedoch wegen der Tumorlokalisation die Biopsien nicht routinemäßig wiederholt werden. Dies verhindert, dass die molekulare Entwicklung im Krankheitsverlauf und das molekulare Ansprechen auf die Therapie untersucht werden.1 Die Liquid Biopsy aus der Gehirnflüssigkeit könnte ein Weg sein, um dies in Zukunft zu verbessern.
Wie kann die Liquid Biopsy die Diagnostik und das Monitoring verbessern?
J. Gojo: Sie kann zu verschiedenen Zeitpunkten im Behandlungsablauf eingesetzt werden und dient dann unterschiedlichen Zwecken. In der Primärdiagnostik kann es sein, dass man mit den derzeitigen Methoden der Bildgebung, also der MRT, nicht eindeutig zwischen einem Hirntumor und einer entzündlichen Erkrankung unterscheiden kann. Hier gehen wir davon aus, dass Liquid-Biopsy-Analysen dazu führen können, die Diagnose schneller zu stellen und somit auch rascher mit der adäquaten Therapie zu beginnen.
In der Zukunft könnte auch die Operationsplanung schon anhand des Tumortyps festgelegt werden. Bei Tumortypen, von denen man weiß, dass sie besser auf Chemotherapie ansprechen, wird auch heute schon nicht mehr so radikal operiert wie bei anderen Tumortypen, bei denen es für das Outcome sehr wichtig ist, dass der Tumor komplett entfernt wurde. Wenn der Tumortyp schon präoperativ bekannt wäre, dann könnte man die Operationen entsprechend planen.
Eine andere Situation ist das Therapiemonitoring. Mit den aktuellen Verfahren können wir manchmal nicht sicher erkennen, wie gut der Tumor angesprochen hat und ob in der Bildgebung identifizierte Veränderungen therapieassoziiert sind oder es sich zum Beispiel um ein Rezidiv handelt. Liquid Biopsy vom Liquor kann gemeinsam mit den anderen Parametern dabei helfen, Klarheit zu schaffen.
Der nächste Anwendungsbereich ist der innovativste. Bildgebende Verfahren geben uns keine Informationen, um welche molekularen Veränderungen es sich handelt, wenn ein Tumor rezidiviert oder wenn unterschiedliche Tumoranteile auf die Therapie ansprechen. Mit Liquid Biopsy erhoffen wir uns, besser zu verstehen, wie Tumoren resistent werden, wann sie resistent werden und wie weit ein Tumor zurückgedrängt werden konnte, um dann die Therapie entsprechend zu adaptieren, so wie es bei anderen Tumorentitäten schon der Fall ist.
Welche Vorteile hat die Liquid Biopsy gegenüber den derzeitigen Methoden?
J. Gojo: Im Vergleich zu einer Operation ist es einerseits die geringere Invasivität, andererseits die höhere Frequenz, mit der man Liquor gewinnen kann. Und dann natürlich die Möglichkeit, molekulare Veränderungen zu untersuchen. Im Moment ist unsere Forschung auf Liquor beschränkt, der im Rahmen von therapeutischen Interventionen gewonnen wird, etwa wenn eine intraventrikuläre Chemotherapie über ein Reservoir gegeben wird. Dabei entsteht keine zusätzliche Belastung für unsere Patient:innen.
Welche Biomarker liefern relevante Resultate?
J. Gojo: Das ist ein komplexes Feld und es gibt unterschiedliche Forschungsinitiativen. In der Routineversorgung ist es noch nicht angekommen, aber manches fließt auch heute schon in die Entscheidungsfindung ein. Dazu gehören die Tumorklassifikation aufgrund von epigenetischen Profilen und die Detektion von spezifischen Mutationen mit hochsensitiven Methoden. Dies kann entweder diagnostisch relevant sein, um den Tumortyp festzustellen, oder therapeutische Relevanz haben, weil für einige Mutation zielgerichtete Therapien zur Verfügung stehen.
Sie und Ihr Team haben vor Kurzem eine Studie zum Thema veröffentlicht. Worum ging es dabei konkret?
J. Gojo: Wir haben in dieser Studie eine sehr sensitive Methode, die „droplet digital PCR“, angewendet. Damit können ungefähr 100000 PCR-Reaktionen parallel gefahren werden. Dies ermöglicht, Mutationen, die in dieser PCR-Reaktion erkannt werden, in einer sehr großen Verdünnung festzustellen. Dadurch kann man sehr sensitiv tumorspezifische Mutationen detektieren und quantitativ verfolgen. Wir haben das im Liquor bei Gliomen untersucht und konnten sehen, dass man damit den Therapieverlauf verfolgen kann. Wir konnten sogar studieren, wie sich der Tumor auf zielgerichtete Therapien einstellt, die eine bestimmte Mutation angreifen. Wesentlich war auch, und das wurde das erste Mal in dieser Studie gemacht: Wir haben unterschiedliche Lokalisationen der Liquorentnahme – ventrikuläre Entnahme mittels Katheter, intraoperative Entnahme und Lumbalpunktion – verglichen und zur Lokalisation des Tumors korreliert. Dabei haben wir Unterschiede gesehen – was wichtig ist, wenn man in Zukunft Studien plant. Man sollte wissen, wie man am besten den Liquor gewinnt, was auch mit der unterschiedlichen Invasivität verknüpft ist.
Wie werden sich die Erkenntnisse auf die klinische Praxis auswirken?
J. Gojo: Histonmutation, die wir vor allem untersucht haben, ist diagnostisch für diffuse Mittelliniengliome, einen bestimmten Tumortyp mit sehr schlechter Prognose. Wenn wir in größeren Kollektiven beweisen können, wie verlässlich die Methode ist, könnte man damit Vordiagnostik betreiben, zum Beispiel zur Frage Tumor versus entzündliche Erkrankung.
Die zweite Möglichkeit ist das Monitoring. So konnten wir zum Beispiel BRAFV600E-Mutationen – Mutationen, für die eine zielgerichtete Therapie existiert, – auch im Plasma gut detektieren. Daher kann in Zukunft möglicherweise ein Bluttest für das Monitoring zusätzliche Informationen liefern. Beim Vorliegen dieser Mutation wird zielgerichtet mit BRAF- und MEK-Inhibitoren behandelt. In der Klinik zeigt sich aber oft, dass die Patient:innen nach Absetzen der Therapie rasch wieder progredient werden. Möglicherweise könnte man das begleitend zur Bildgebung molekular verfolgen und dann die Therapie zusätzlich steuern.
Wie geht es weiter? Was ist der nächste Schritt Ihrer Forschung?
J. Gojo: Bezogen auf diese Studie werden die nächsten Schritte sein, in größeren homogenen Studienkollektiven zu untersuchen, wie verlässlich die Parameter sind. Das ist der nächste Schritt für eine klinische Anwendung. Hier sind wir bereits in Austausch mit internationalen Kollegen.
Allgemein ist es so, dass wir in einem großen internationalen Konsortium, das jetzt gefördert wurde, die unterschiedlichen Methoden von Liquid Biopsy in der Anwendung in der Primärdiagnostik, zum Therapiemonitoring und beim Detektieren von Veränderungen im Tumor evaluieren. Erst dann können wir konkret sagen, welche Methoden auf welchem Gebiet zur Anwendung kommen können und einen Vorteil für die Patient:innen bieten.
Könnten diese Erkenntnisse später auch für Erwachsene relevant werden?
J. Gojo: In den Tumorentitäten, die auch bei jungen Erwachsenen auftreten und welche die von uns untersuchten Histonmutationen aufweisen, kann es relevant sein. Das Kollektiv der Studie ging bis ins junge Erwachsenenalter und wir haben auch mit Erwachsenen-Onkolog:innen zusammengearbeitet. Wir haben bereits Anfragen aus dem Erwachsenenbereich, denn diese Mutation ist wichtig für einen Studieneinschluss. Wenn man sie so gut in der Gehirnflüssigkeit feststellen kann, stellt sich manchmal die Frage, ob das nicht ausreichend wäre für einen Studieneinschluss. Das ist allerdings nicht der Zugang, den wir propagieren, weil oft weitere Mutationen vorliegen, die in einem präzisionsmedizinischen Ansatz wichtig sind. Nur auf die Liquid Biopsy zu schauen, ist aktuell zu eng gefasst, aber es könnte sich durchaus in diese Richtung entwickeln.
Literatur:
1 Gojo J et al.: Detection of H3F3A K27M or BRAF V600E in liquid biopsies of brain tumor patients as diagnostic and monitoring biomarker: impact of tumor localization and sampling method. Acta Neuropathologica 2025; 149(1): 5
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