
Leitliniengerechte Vor- und Nachsorge des Zervixkarzinoms
Autorin:
Claudia Schaeffer
Oberärztin
Dysplasiesprechstunde
Departement Geburtshilfe und Gynäkologie
Kantonsspital Winterthur
E-Mail: claudia.schaeffer@ksw.ch
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Sowohl zur Vor- als auch zur Nachsorge des Zervixkarzinoms gibt es verschiedene nationale und internationale Leitlinien. Aktuell befindet sich, dank neuer Erkenntnisse zur Pathogenese, das ZervixkarzinomScreening im Umbruch. Dieser Artikel bezieht sich im Wesentlichen auf die für die Schweiz wichtigen Richtlinien, den Expertenbrief Nr. 50 der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) mit seinen Algorithmen sowie die neue S3-Leitlinie «Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom».
Keypoints
-
Das Zervixkarzinom-Screening befindet sich im Umbruch. Neben der zytologischen Vorsorge etabliert sich zunehmend das HPV-basierte Screening, welches jedoch spezieller Rahmenbedingungen bedarf.
-
Ziel des Screenings sind Detektion und Therapie schwerer Zellveränderungen und Vermeidung einer Übertherapie mit potenziell ungünstigen Auswirkungen auf eine spätere Schwangerschaft.
-
In der Nachsorge ohne Rezidivverdacht ist eine Anamnese sowie eine körperliche und gynäkologische Untersuchung mit Zytologie durchzuführen. Eine routinemässige Bestimmung von Tumormarkern oder weitere Bildgebung neben dem Ultraschall sollten nicht erfolgen.
-
Mit Gardasil 9 steht uns ein effektives und sicheres Mittel in der Primärprävention zur Verfügung, um nicht nur die Inzidenz des Zervixkarzinoms, sondern auch die anderer HPV-assoziierter Erkrankungen zu senken.
Was gibt es in der Vorsorge zu beachten?
Das Hauptziel von Krebsvorsorgeuntersuchungen ist die Reduktion der Inzidenz, Morbidität und Mortalität der jeweiligen Erkrankung. Bezogen auf das Zervixkarzinom bedeutet dies die Erkennung und Behandlung präinvasiver Läsionen (Dysplasien), sodass diese nicht zu einem Karzinom fortschreiten können. Hierbei handelt es sich also um eine Form der sekundären Prävention.
Seit Einführung des Pap-Abstrichs in den westlichen Industrieländern Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre ist die Inzidenz des Zervixkarzinoms um 60–70% gesunken.1 Gehörte es Ende der 1960er-Jahre noch zu den häufigsten Karzinomen der Frau, so steht es, bezogen auf die Anzahl an Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr, mittlerweile in der Schweiz an 24. Stelle.2 Auch die eigenen Zahlen zeigen, dass der Gebärmutterhalskrebs heute zu den selteneren Diagnosen in der gynäkologisch-onkologischen Sprechstunde gehört (Abb. 1). Trotz dieser offensichtlich effektiven Vorsorge, konnte die Inzidenz seit den 1990er-Jahren nicht weiter gesenkt werden. Dies liegt, neben der Tatsache, dass nicht alle Frauen am Screening teilnehmen, auch im Pap-Abstrich selbst begründet.
Abb. 1: Anteil von Zervixkarzinomen an gynäkologischen Karzinomen bei Patientinnen des Departments für Gynäkologie und Geburtshilfe am Kantonsspital Winterthur, Zeitraum 2016–2019
Mit der Entdeckung, dass eine persistierende Infektion mit High-Risk(hr)-Typen humaner Papillomviren (HPV) die notwendige Voraussetzung für die Entwicklung des Zervixkarzinoms ist, eröffneten sich neue Möglichkeiten in der Primärprävention, im Screening und in der Nachsorge. HP-Viren vom High-Risk-Typ sind in ca. 99,7% aller Zervixkarzinome nachweisbar.3 Der Virusnachweis ist also von hohem prognostischem Wert. Die Sensitivität des HPV-Tests in der Entdeckung von zervikalen intraepithelialen Neoplasien (CIN) Grad II+ ist mit 91% deutlich höher als die der Zytologie mit einer Sensitivität von 60%, wenn auch zulasten einer etwas geringeren Spezifität (90% vs. 96%).4 Einschränkend muss man jedoch sagen, dass glanduläre Läsionen sowie Adenokarzinome der Zervixseltener HPV-assoziiert sind.5
Wichtig im Zusammenhang mit HPV ist, sich bewusst zu sein, dass HPV-Infektionen sowie gering- und mittelgradige HPV-assoziierte anogenitale Dysplasien bei jungen Frauen (<30 Jahre) häufig und oft transient sind. In 80–90% heilen sie innerhalb von zwei Jahren aus (Abb. 2).
Abb. 2: Die Altersverteilung der HPV-Neuinfektionen bei Frauen in der Schweiz (nach Petignat etal.)11
Diese neuen Erkenntnisse haben dazu geführt, dass in vielen Ländern bereits ein HPV-basiertes Screening±Zytologie eingeführt worden ist. Ziel ist es, damit die Detektionsrate höhergradiger Dysplasien zu steigern. Voraussetzung ist ein organisiertes Screening mit Einladungssystem, um auf diese Weise die Teilnehmerinnenrate zu erhöhen und eine flächendeckende Qualitätssicherung zu erzielen. Um ein Überscreening und eine Übertherapie zu vermeiden, liegt der Screeningbeginn je nach Land bei 25 oder 30 Jahren mit einem Screeningintervall von 3–5 Jahren.1
Grundlage für die Zervixkarzinomvorsorge in der Schweiz ist der 2018 neu herausgegebene Expertenbrief Nr. 50 SGGG, welcher sich an der spezifischen Situation in der Schweiz orientiert. Die Inzidenz des Zervixkarzinoms in der Schweiz ist eine der geringsten weltweit (4/100000).8 Das Screening erfolgt opportunistisch, es ist weiterhin zytologisch basiert, alternativ kann ab 30 Jahre auch mit HPV gescreent werden, was aktuell jedoch von der Grundversicherung noch nicht übernommen wird. Screeningbeginn ist ab 21 Jahren, mit einer Wiederholung des Pap-Abstrichs alle drei Jahre im Normalkollektiv bei vorausgegangener unauffälliger Zytologie (Screeningintervall bei HPV-Test ebenfalls drei Jahre). Das Screeningende ist mit 70 Jahren vorgesehen, wenn drei Zytologien in den letzten drei Jahren unauffällig waren sowie anamnestisch keine höhergradige HPV-assoziierte anogenitale Läsion in der Vergangenheit aufgetreten ist. Auch nach Hysterektomie aus benigner Indikation, ohne auffällige Zytologie oder HPV-hr-Positivität in der Anamnese, kann das Screening gestoppt werden.
Wichtig für das Vorgehen bei der Abklärung und Therapie von auffälligen Befunden ist das Verständnis für den natürlichen Verlauf der HPV-Infektion und Dysplasien an der Zervix. Je geringgradiger die Läsion und je jünger die Patientin, desto grösser die Chance, dass sich die Dysplasie wieder zurückbildet. Auch ein CIN III hat noch eine Regressionswahrscheinlichkeit von ca. 33%. Jedoch ist das Risiko der Progression zum Karzinom mit >12% hoch (Abb. 3).6
Abb. 3: Entstehung eines Zervixkarzinoms nach Infektion mit HPV (nach Iftner et al.,12 Crow et al.13)
Zur Abklärung eines auffälligen Pap-Abstrichs stehen die Differenzialkolposkopie und der HPV-Test zur Verfügung. Letzterer wird in erster Linie zur Triage bei der Konstellation leichte Dysplasie (ASCUS [atypische Plattenepithelzellenunklarer Signifikanz]oder LSIL [niedriggradige intraepitheliale Läsion; CIN I]) und Alter ab 30 Jahren eingesetzt. ASCUS/LSIL bei der Patientin unter 30 Jahren sowie alle höhergradigen plattenepithelialen und glandulären Dysplasien müssen primär kolposkopisch mit ggf. Biopsie abgeklärt werden. Eine detaillierte Darstellung findet sich in den Algorithmen zum Expertenbrief Nr. 50 SGGG.
Die Therapie von Dysplasien der Zervix erfolgt in der Regel mittels Schlingen- oder Laserkonisation. Hierbei ist zu beachten, dass das Frühgeburtsrisiko in Abhängigkeit von der Konustiefe steigt.7 Angestrebt wird daher eine risikoadaptierte Therapie in Abhängigkeit von Alter und Läsionsgrad. Insbesondere bei der jungen Frau mit offener Familienplanung stellen lediglich CIN III und AIS (Adenocarcinoma in situ) eine Indikation zur direkten Konisation dar. Mittelschwere Veränderungen können aufgrund eines Regressionspotenzials von ca. 40%6 bei jungen Frauen über zwei Jahre kolposkopisch und zytologisch kontrolliert werden. Die Nachsorge nach Konisation erfolgt als Ko-Testung mit Zytologie und HPV-Test 6, 12 und 24 Monate nach Therapie. Ist mindestens ein Testverfahren positiv, sollte eine Differenzialkolposkopie durchgeführt werden.8
Welche Aspekte sind wichtig in der Nachsorge nach Zervixkarzinom?
Grundlage für die folgenden Ausführungen ist die überarbeitete S3-Leitlinie «Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom» von 3/2021.
Die Nachsorge beginnt nach abgeschlossener Primärtherapie. Ihre Ziele sind die Qualitätssicherung, das zeitnahe Erkennen von Rezidiven und die Betreuung und Begleitung der Patientin, resp. des Paars.
Das Nachsorgeschema bei der Patientin ohne Rezidivverdacht sieht in den ersten fünf Jahren, unabhängig von Tumorstadium und Primärtherapie, ein Nachsorgeintervall von 3 Monaten im Jahr 1–3 und von 6 Monaten im Jahr 4–5 vor. Obligat sollte hierbei eine Anamnese, eine körperliche sowie rektovaginale Untersuchung, eine Speculumeinstellung und eine Zytologie durchgeführt werden. Fakultativ kann eine Kolposkopie (in der Schweiz Standard), eine HPV-Testung, eine Vaginalsonografie des kleinen Beckens sowie eine Nierensonografie erfolgen. Der HPV-Test bietet sich bei besonderen Fragestellungen an, z.B. bei St.n. Trachelektomie oder St.n. Radio-Chemotherapie, da hier die Aussagekraft der Zytologie eingeschränkt ist. Die Kolposkopie ist zielführend zur Abklärung bei Verdacht auf ein zentrales Rezidiv oder eine erneute Dysplasie und zur Beurteilung von Portio und Vagina bei St.n. organerhaltender Chirurgie oder Radiatio. Mittels Sonografie können Raumforderungen im kleinen Becken, Aszites oder Blasenentleerungstörungen erkannt werden. Eine weitere Bildgebung bei asymptomatischer Patientin oder die routinemässige Bestimmung von Tumormarkern sollte nicht erfolgen, da sie nicht mit einer Verlängerung des Gesamtüberlebens korreliert. Die Datenlage zum Stellenwert des PET-CTs im Rahmen der Nachsorge ist eingeschränkt.9
Bei Verdacht auf ein Rezidiv sollte eine erweiterte Diagnostik erfolgen. Hierzu gehören die histologische Sicherung bei Verdacht auf ein lokoregionäres Rezidiv, die vaginale Sonografie und der Nierenultraschall sowie bei Verdacht auf Infiltration die Zysto- und Rektoskopie. Standardbildgebung zur Klärung der pelvinen Situation ist eine MRT des Beckens mit Kontrastmittel. Die CT von Thorax und Abdomen mit Kontrastmittelgabe dient der Untersuchung auf Fernmetastasen. Im Gegensatz hierzu empfiehlt die NCCN(National Comprehensive Cancer Network)-Leitlinie von 2020 eine PET-CT primär bei Verdacht auf ein Rezidiv. In der S3-Leitlinie wird deren Einsatz bisher jedoch nur in der Rezidivsituation vor Exenteration oder Radio-Chemotherapie diskutiert.
Ein wichtiger Aspekt in der Nachsorge ist das Gespräch, in welchem die kurz- und langfristigen Auswirkungen von Erkrankung und Therapie angesprochen und mögliche Hilfsangebote, wie Selbsthilfegruppen, Krebsberatungsstellen, aber auch physiotherapeutische und psychoonkologische Behandlungsmöglichkeiten, aufgezeigt werden sollten. Nicht zu vernachlässigen ist die Beratung zu Sexualität und Partnerschaft. Hierzu gehören je nach Situation Antikonzeption, Hormonersatztherapie oder auch die Beratung bei Kinderwunsch.
Ein besonderes Augenmerk sollten wir auf die Primärprävention legen. Gardasil 9 bietet bei Impfung vor dem ersten Geschlechtsverkehr einen Schutz von bis zu 90% vor Zervix- und HPV-assoziierten Vulva- und Vaginalkarzinomen, vor 70–85% der hochgradigen zervikalen Dysplasien und 90% der HPV-assoziierten Analkarzinome und Kondylome bei Frauen und Männern weltweit.10 Bei einer ausreichend hohen Herdenimmunität könnte so die Inzidenz HPV-assoziierter Erkrankungen in Zukunft deutlich reduziert werden.
Literatur:
1 Lenzen-Schulte M: Zervixkarzinom-Screening. Absehbar längere Intervalle. Dtsch Arztebl 2019; 116(3): A84-87 2 Krebsliga Schweiz: Anzahl Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr in der Schweiz (Inzidenz) Periode 2013–2017. Online unter: https://www.krebsliga.ch/fileadmin/downloads/sheets/zahlen-krebs-in-der-schweiz.pdf 3 Walboomers JM et al.: Human papillomavirus is a necessary cause of invasive cervical cancer worldwide. J Pathol 1999; 189(1): 12-9 4 Nocon M et al.: Human Papilloma Virus (HPV) testing for cervical carcinoma. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen 2010; 104(2): 138-42 5 The Cancer Genome Atlas Research Network et al.: Integrated genomic and molecular characterization of cervical cancer. Nature 2017; 543(7645): 378-84 6 Ostor AG: Natural history of cervical intraepithelial neoplasia: acritical review. Int J Gynecol Pathol 1993; 12(2): 186-92 7 Simoens C et al.: Adverse obstetrical outcomes after treatment of precancerous cervical lesions : a Belgian multicentre study. BJOG 2012; 119(10): 1247-55 8 SGGG: Expertenbrief Nr. 50 Empfehlungen für die Gebärmutterhalskrebsvorsorge. 2018. Online unter: https://www.sggg.ch/fileadmin/user_upload/Formulardaten/akt_50_D_Gebaermutterhalskrebsvorsorge_01.03.18.pdf 9 Leitlinien-programm Onkologie: S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom, AWMF-Registernummer 032-033OL. 2021. Online unter: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-033OLl_S3_Diagnostik_Therapie_Nachsorge_Zervixkarzinom_2021-03.pdf 10 Infovac: HPV. Humane Papillomviren. Online unter: https://www.infovac.ch/de/impfunge/nach-krankheiten-geordnet/hpv#dp-hpv 11 Petignat P et al.: Age-related performance of human papillomavirus testing used as an adjunct to cytology for cervical carcinoma screening in a population with a low incidence of cervical carcinoma. Cancer 2005; 105(3): 126-32 12 Iftner T: HPV und Zervixkarzinom – Diagnostik und Prophylaxe. Uni-Med 2008 13 Crow JM: HPV: The global burden. Nature 2012; 488(7413): S2-3
Das könnte Sie auch interessieren:
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
ASH 2020 – Highlights zu den aggressiven Lymphomen
Highlight-Themen der virtuellen ASH-Jahrestagung im Dezember 2020 waren an erster Stelle die Immunonkologika in all ihren Variationen, aber auch Beispiele für innovative Sequenztherapien ...
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...