
Krankheitsprogression vorbeugen
Bericht:
Dr. Corina Ringsell
Revidiert:
Ap. Prof. PD DDr. Mattias Mandorfer
Klinische Abteilung für Gastroenterologie
und Hepatologie
Universitätsklinik für Innere Medizin III
MedUni Wien/AKH Wien
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Tumoren der Leber wie das hepatozelluläre Karzinom (HCC) entwickeln sich häufig auf der Basis einer chronischen Leberkrankheit. Daher ist es wichtig, Personen mit einem hohen Risiko, etwa einer fortgeschrittenen Fibrose/Zirrhose, rechtzeitig zu identifizieren, um Komplikationen zu verhindern. Der folgende Fall zeigt, wie eine nichtinvasive Risikostratifizierung erfolgreich eingesetzt werden kann.
Der Patient
Ein 55-jähriger Mann, der sich wegen eines Alkoholentzugs in einer anderen Abteilung des AKH Wien/MedUni Wien befand, wurde an die Klinische Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie des AKH Wien überwiesen.
Er hatte einen Alkoholkonsum von etwa 80g Alkohol/Tag, einen BMI von 25,4 und einen Diabetes Typ2. Seine Transaminasenwerte waren erhöht (AST: 80U/l, ALT: 53U/l) und seine Thrombozytenzahl war grenzwertig niedrig (152G/l). Letzteres ist ein Surrogatparameter für eine portale Hypertonie, die auf eine fortgeschrittene Leberfibrose oder -zirrhose hinweist. Es bestand daher der Verdacht auf eine fortgeschrittene Alkohol-assoziierte Leberkrankheit (ALD).
Weitere Diagnostik
Da erhöhte Leberwerte verschiedene Ursachen haben können, müssen andere Leberkrankheiten ausgeschlossen werden. Dazu zählen zum Beispiel Virushepatitiden (HCV, HBV), Autoimmunkrankheiten (primär biliäre und sklerosierende Cholangitis sowie Autoimmunhepatitis) und genetisch bedingte Krankheiten wie die Hämochromatose, Alpha-1-Antitrypsin-Mangel oder Morbus Wilson. Sämtliche Differenzialdiagnosen erscheinen beim vorgestellten Patienten unwahrscheinlich, weshalb von einer ALD ausgegangen wurde.
Unabhängig von der Ätiologie sollte die Fibrose mithilfe des FIB-4-Tests abgeschätzt werden. In diesen fließen Alter, Thrombozytenzahl, AST- und ALT-Werte ein. Ist der Wert <1,3, ist selbst bei erhöhten Transaminasen eine fortgeschrittene Leberkrankheit unwahrscheinlich; ist er >1,3, so muss eine weitere Abklärung erfolgen. Im vorliegenden Fall ergab sich ein Wert von 3,98.
Daraufhin wurde eine Lebersteifigkeitsmessung (transiente Elastografie, „Fibroscan“) vorgenommen. Diese ergab einen Wert von 24,6kPa; bei einer gesunden Leber liegt er bei etwa 5kPa. Mit steigenden Werten nimmt auch das Risiko für eine hepatische Dekompensation und das HCC zu. Ab Werten >15kPa ist eine Zirrhose anzunehmen und – wie beim konkreten Patienten – eine HCC-Surveillance mittels Ultraschalluntersuchungen und Bestimmung des Alpha-Fetoproteins (AFP) alle sechs Monate angeraten. Ab 25kPa kann man von einer klinisch signifikanten portalen Hypertonie (CSPH) ausgehen. Diese Patient:innen sollten prophylaktisch Carvedilol erhalten, um sie vor Komplikationen der portalen Hypertonie zu schützen.
Therapeutisches Vorgehen
Neben der HCC-Surveillance ist es wichtig, einer Leberdekompensation vorzubeugen. Denn: Patient:innen mit kompensierter Leberzirrhose haben ein vergleichbares Überleben wie die altersentsprechende Allgemeinbevölkerung, sofern es zu keinem Dekompensationsereignis kommt.
Eine Dekompensation ist gekennzeichnet durch klinisch evidenten Aszites, eine Varizenblutung oder (bisher vergleichsweise selten) die hepatische Enzephalopathie. Die Risikoschwelle ist eine CSPH mit einem minimalinvasiv gemessenen Druckgradienten von ≥10mmHg. Inzwischen stehen auch nichtinvasive Modelle wie das „Non-Invasive CSPH Estimated Risk“(NICER)-Modell zur Verfügung, sodass die minimalinvasive Messung zunehmend vermieden werden kann. In das NICER-Modell fließt zusätzlich noch die Messung der Milzsteifigkeit (SSM) ein, die im vorliegenden Fall bei 82,3kPa lag.
Nach dem NICER-Modell hatte der vorgestellte Patient eine 90%ige Wahrscheinlichkeit für eine CSPH und wurde daraufhin mit Carvedilol behandelt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Patient mit Leberzirrhose eine komplett nichtinvasive Risikostratifizierung durchlaufen hat und die Zirrhose mit relativ wenigen Interventionen – Alkoholentzug, HCC-Surveillance alle sechs Monate und Carvedilol-Gabe – gut betreut ist.
Quelle:
CCC Vienna Cancer Update „Hepatobiliäre Tumoren“, 8. April 2025, hybrid
Literatur:
bei Ap. Prof. PD DDr. Mattias Mandorfer
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