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Innovative Prophylaxestrategien dringend erforderlich
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Hildegard T. Greinix
Klinische Abteilung für Hämatologie<br/> Medizinische Universität Graz<br/> E-Mail: hildegard.greinix@medunigraz.at<br/> Quelle: 20. Kongress der EHA (European Hematology Association), 11.–14. Juni 2015, Wien
30
Min. Lesezeit
24.09.2015
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<p class="article-intro">Die Graft-versus-Host-Erkrankung (GvHD) stellt eine schwere, vital bedrohliche Komplikation der allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation dar. Zu den bei der akuten GvHD betroffenen Organen zählen Haut, Leber und Gastrointestinaltrakt. Hingegen sind bei chronischer GvHD alle Organe, hauptsächlich aber Haut, Mundschleimhäute, Augen und Leber, befallen. Es gibt international anerkannte Kriterien für die Beurteilung der GvHD in Hinblick auf die Organbeteiligung und deren Schweregrad.<sup>1</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Die GvHD stellt nach wie vor eine schwere Komplikation der allogenen HSZT dar.</li> <li>Die Therapie der Steroid-refraktären akuten und chronischen GvHD ist immer noch unbefriedigend.</li> <li>Vermehrte Bestrebungen zur Etablierung von prädiktiven und prognostischen Biomarkern sind wünschenswert.</li> </ul> </div> <h2>Immunmodulierende Wirkung von Vitamin D</h2> <p>Bei der diesjährigen Tagung der EHA in Wien präsentierte Dr. José Antonio Pérez-Simón, Universität Sevilla, als Vertreter einer spanischen Gruppe von Stammzelltransplanteuren die spanischen Ergebnisse einer multizentrischen, prospektiven Phase-I/II-Studie. Die Teilnehmer waren im 1:1:1-Design aufgeteilt worden auf drei Kohorten zu je 50 Patienten, die entweder kein Vitamin D, 1.000IU oder 5.000IU Vitamin D pro vom Tag –5 bis zum Tag +100 nach einer allogenen hämatopoetischen Stammzelltransplantation (HSZT) erhalten hatten, mit dem Ziel, den immunmodulierenden Einfluss von Vitamin D auf verschiedene Zellpopulationen sowie das Auftreten einer GvHD zu analysieren. Die GvHD-Prophylaxe bestand aus Calcineurin-Inhibitoren + Methotrexat oder Mycophenolat-Mofetil bzw. Tacrolimus + Sirolimus. Die Inzidenz der akuten GvHD der Grade II–IV war zwischen den Patientenkohorten nicht signifikant unterschiedlich (38,2 % , 36,4 % bzw. 53,8 % ). Es wurden jedoch im Zeitraum von einem Jahr in den mit Vitamin D therapierten Gruppen signifikant weniger chronische GvHD verzeichnet (33,7 % bei niedrig dosiertem Vitamin D, 25,9 % bei hoch dosiertem Vitamin D, 66,7 % ohne Vitamin D; p=0,04). Gemäß den Ergebnissen einer multivariaten Analyse stellte die Therapie mit Vitamin D die einzige Variable dar, die einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung einer chronischen GvHD ausübte. Die Gabe von Vitamin D zeigte jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die Rezidivraten und die transplantationsassoziierte Mortalität. Die immunmodulierende Wirkung von Vitamin D spiegelte sich in einem verminderten Prozentsatz an B-Lymphozyten, einer modifizierten Ratio von naiven/zentralen zu Memory/Effektor-T-Zellen, einer niedrigen Zahl von zirkulierenden naiven CD8+-T-Zellen und einer verminderten Expression von CD40L als Hinweis auf eine T-Zell-Aktivierung nach der Verabreichung von Vitamin D. Diese nach einer allogenen HSZT erstmalig berichteten immunmodulierenden Effekte von Vitamin D sollten unbedingt in weiteren klinischen Studien untersucht werden.</p> <h2>MDSC zur GvHD-Prophylaxe</h2> <p>Dr. Gudrun Straus, Medizinische Universität Ulm, präsentierte die Ergeb­nisse einer Würzburger Forschergruppe zum Einfluss von in vitro generierten MDSC („myeloid-derived suppressor cells“) in der Prävention von GvHD. Diese Zellpopulation stellt frühe mye­loische Zellen dar, die T-Zellaktivierung und -proliferation sowie andere T-Zellfunktionen inhibieren können. MDSC wurden in vitro durch Kultivierung von Knochenmark mit den Zytokinen GM-CSF und G-CSF nach 4 Tagen gewonnen und zeichnen sich durch den Phänotyp CD11b<sup>+</sup>Gr-1<sup>+</sup> aus. Im Mausmodell wurde nach Kotransplantation von MDSC das Auftreten einer klinischen GvHD verhindert und deren histologisches Erscheinungsbild miti­giert. MDSC waren bis zu 30 Tage nach Transplantation in den Zielorganen der GvHD nachweisbar und zirkulierten im lymphatischen System. Die präventive Wirkung der MDSC auf das Auftreten von GvHD war von der Tatsache abhängig, dass diese zum Zeitpunkt der T-Lymphozytenaktivierung in vivo vorhanden waren, da sich die Infusion von MDSC eine Woche nach HSZT als ineffektiv erwies. Interessanterweise war die Anzahl allogener T-Zellen in lymphatischen und GvHD-Zielgeweben nach der Kotransplantation von MDSC nicht vermindert und auch die Homing-Kapazität dieser allogenen T-Zellen war nicht beeinträchtigt. MDSC bewirkten jedoch einen Shift in Richtung Typ-2-T-Lymphozyten mit Hochregulation von Th2-spezifischen Transkriptionsfaktoren und Zytokinen. Dadurch wurde jedoch deren Antitumorwirkung nicht beeinträchtigt, da in diesem Mausmodell Tumorzellen durch alloreaktive T-Lymphozyten erfolgreich eradiziert worden waren. Diese Daten stellen eine ausgezeichnete Rationale für erste Studien zum klinischen Einsatz von MDSC zur GvHD-Prophylaxe dar.</p> <h2>Exosomale MicroRNA bei „late onset“ akuter GvHD</h2> <p>Nach international akzeptierten Kriterien wird das erstmalige Auftreten einer akuten GvHD nach dem Tag +100 nach HSZT als „late onset“ akute GvHD bezeichnet.<sup>1</sup> Exosomen, die in verschiedenen Körperflüssigkeiten vorhanden sind, enthalten eine Vielzahl an funktionellen Proteinen, mRNA und MicroRNA (MiRNA), die derzeit bei verschiedensten Erkrankungen zur molekularen Diagnostik eingesetzt werden. Dr. Yoshizawa, Medizinische Universität Tokio, berichtete von Exosomanalysen im Plasma von Patienten mit „late onset“ akuter GvHD und verglich die Ergebnisse mit jenen von Patienten ohne akute GvHD. Dabei stellte sich heraus, daß exosomale MiRNA unterschiedlich exprimiert wurden und eine Subgruppe an MiRNA hochreguliert war, deren korrespondierende Zielgene dafür bekannt sind, in Assoziation mit Inflammation, T-Zellaktivierung und der Entwicklung des Immunsystems zu stehen. Interessanterweise änderten sich die Expressionswerte von MiRNA-A und -B bereits, bevor die ersten klinischen Symptome von „late onset“ akuter GvHD bei den untersuchten Patienten auftraten. Daraus kann geschlossen werden, dass die veränderte Expression bestimmter exosomaler MiRNA eine wichtige Rolle bei der Entstehung der GvHD spielen dürfte und als prädiktiver Biomarker für GvHD von Interesse sein könnte. Um diese präliminären Daten zu erhärten, müssen jedoch noch größere homogene Patientenkohorten analysiert werden.</p> <h2>Therapie der Steroid-refraktären GvHD</h2> <p>Dr. Lenneke van Groningen, Niederlande, präsentierte klinische Daten zur Verwendung von Inolimomab in Kombination mit Etanercept in der Zweitlinientherapie der Steroid-refraktären akuten GvHD. Inolimomab, ein monoklonaler Antikörper gegen die Interleukin-2-Rezeptor-α-Untereinheit, wurde in einer Dosierung von 0,3mg/kg/Tag an den Tagen 1 bis 8 und von 0,4mg/kg jeden zweiten Tag an den Tagen 9 bis 28 intravenös (i.v.) verabreicht. Etanercept, ein TNF-α-Fusionsprotein, wurde zweimal wöchentlich für 4 Wochen in einer Dosierung von 25mg subkutan injiziert. Von 21 Patienten mit akuter GvHD der Grade III–IV zeigten 19 eine Beteiligung des Gastrointestinaltrakts. Bei 6 Patienten wurde eine komplette und bei weiteren 4 eine partielle Remission erzielt (Gesamtremissionsrate: 48 % ). Am Tag 56 nach Therapiebeginn belief sich die Gesamtansprechrate auf 33 % . Die 2-Jahres-Überlebensrate liegt bei 10 % . Unter Therapie traten vermehrt Infektionen in Form von Bakteriämien, invasiven Pilzinfektionen, Zytomegalie- und Epstein-Barr-Virus-Reaktivierungen auf. Anhand dieser Daten muss festgehalten werden, dass effizientere Therapien für Patienten mit schwerer akuter GvHD dringlich erforderlich sind, um nicht nur ihr Therapieansprechen zu verbessern, sondern auch ihr Überleben nach einer allogenen HSZT zu gewährleisten.<br /> Dr. Lotte van der Wagen, Universität Utrecht, Niederlande, diskutierte den sequenziellen Einsatz von Rituximab zur B-Zell-Depletion bei einer wöchentlichen i.v. Verabreichung über 4 Wochen und der Gabe des Tyrosinkinaseinhibitors Nilotinib in einer Dosierung von 300mg zweimal täglich peroral für 6 Monate zur Behandlung von Patienten mit sklerodermiformer chronischer GvHD der Haut. Von 19 inkludierten Patienten mussten 3 wegen schwerer Nebenwirkungen die Studie frühzeitig beenden. Von den derzeit 11 auswertbaren Patienten wurde bei 65 % ein Therapieansprechen erzielt und gleichzeitig eine signifikante Reduktion des Prozentsatzes der befallenen Körperoberfläche über einen Nachbeobachtungszeitraum von 13 Monaten verzeichnet. Bei zwei der vier Patienten, die bei Studieneinschluss ausgeprägte Ulzerationen der Haut aufgewiesen hatten, konnte eine komplette Resolution der chronischen GvHD mit Abheilen der Hautläsionen beobachtet werden. Patienten mit Therapieansprechen konnten ihre begleitende systemische immunsuppressive Medikation reduzieren und wiesen damit einen zusätzlichen Benefit auf. Aufgrund der geringen Patientenanzahl sollte diese neue Therapiekombination an einer größeren Patientenkohorte evaluiert werden, mit dem Ziel, für Patienten mit fortgeschrittener, schwerer chronischer GvHD der Haut weitere effiziente Therapieoptionen verfügbar zu machen.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Klinische Abteilung für Hämatologie<br/>
Medizinische Universität Graz<br/>
E-Mail: hildegard.greinix@medunigraz.at<br/>
Quelle: 20. Kongress der EHA (European
Hematology Association), 11.–14. Juni 2015, Wien
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Jagasia MH et al; National Institutes of Health Consensus: Development project on criteria for clinical trials in chronic graft-versus-host disease: I. The 2014 Diagnosis and Staging Working Group report. Bio­logy of Blood and Marrow. Transplantation 2015; 21: 389-401<br /><br /> Weitere Literatur bei der Verfasserin</p>
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