© Krebshilfe/Marina Eiffe

HPV-Impfprogramm

„Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich nicht impfen zu lassen“

1973 haben Forscher erstmals auf einen Zusammenhang zwischen humanen Papillomaviren (HPV) und Gebärmutterhalskrebs aufmerksam gemacht. 2008 hat Harald zur Hausen für diese Entdeckung den Nobelpreis für Medizin erhalten. Am weltweiten wissenschaftlichen Durchbruch der HPV-Impfung waren sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der Anwendung österreichische Ärzt*innen maßgeblich beteiligt. 2023 startet in Österreich das HPV-Impfprogramm – in Europa das erste seiner Art.

Was ist das eigentlich, die HPV-Impfung?

P. Sevelda: Die HPV-Impfung ist die Impfung gegen humane Papillomaviren. Seit 2014 haben wir eine Neunfachimpfung. Wir kennen die Impfung seit dem Beginn dieses Jahrtausends. Zunächst wurde sie in klinischen Studien eingesetzt, an denen Österreich mit Professor Elmar Joura federführend beteiligt war. Die Zulassung hat schließlich 2007/2008 stattgefunden. Das heißt, dass wir schon mehr als 20 Jahre Erfahrung mit dieser Impfung haben. Sie schützt Mädchen und Buben, Jugendliche, Frauen und Männer vor Besiedelung durch humane Papillomaviren und daraus folgenden Erkrankungen, vor allem vor den Hochrisiko-Viren 16/18, aber auch vor fünf weiteren Hochrisiko-Viren und den Viren 6 und 11.

Um welche Erkrankungen handelt es sich?

P. Sevelda: Da gibt es die harmlosen, aber sehr lästigen Feigwarzen, die vor allem im Genitalbereich auftreten können, sowohl bei Burschen als auch bei Mädchen. Sie kommen immer wieder, können sehr schmerzhaft sein und müssen operativ entfernt werden. Bis zu 10 Prozent aller Jugendlichen haben solche Feigwarzen. Das kann durch die Impfung verhindert werden. Der wirkliche Durchbruch war aber eigentlich, dass wir mit der HPV-Impfung erstmals eine Impfung gegen Krebs haben. Praktisch jeder Gebärmutterhalskrebs ist durch humane Papillomaviren verursacht. Von der Besiedelung mit Papillomaviren bis zur Entstehung von Gebärmutterhalskrebs können zehn Jahre und mehr vergehen. In Österreich erkranken ungefähr 450 Frauen pro Jahr an Gebärmutterhalskrebs. Ungefähr 150 Frauen sterben daran. Das heißt: Jeden dritten Tag stirbt in Österreich eine Frau an der Folge der Gebärmutterhalskrebserkrankung (Abb. 1).

Abb. 1: Entwicklung der bösartigen Neubildungen des Gebärmutterhalses. Modifiziert nach Statistik Austria (Stand 19.1.2022)

Mittlerweile wissen wir, dass auch Tumoren im HNO-Bereich und Rachen- und Tonsillenkarzinome zu einem beträchtlichen Teil durch humane Papillomaviren verursacht werden. Michael Douglas war der Erste, der sich als Prominenter geoutet hat. Er hatte Kehlkopfkrebs, der von humanen Papillomaviren ausgelöst worden war.

Des Weiteren gibt es auch noch Peniskarzinome bei den Männern, Analkarzinome bei Männern und Frauen und bei den Frauen noch Vulva- und Vaginakarzinome, die alle durch humane Papillomaviren entstehen können. Die HPV-Impfung ist also derzeit eine Impfung gegen sechs Krebserkrankungen.

Glücklicherweise führt aber nicht jede Infektion mit dem humanen Papillomavirus zu Gebärmutterhalskrebs oder anderen Krebserkrankungen. Die meisten Infektionen bemerkt man gar nicht, da sie keine Symptome verursachen und der Körper sie auch meistens abwehren kann. Etwa 80 Prozent der Menschen bekommen im Laufe ihres Lebens irgendwann einmal eine solche Infektion, ohne es zu merken.

Die HPV-Impfung kann das Entstehen von Krebs verhindern?

P. Sevelda: Nicht nur verhindern: Gebärmutterhalskrebs zum Beispiel ist eine Erkrankung, die man durch eine Impfung praktisch ausrotten könnte. Zahlen aus Australien zeigen, dass Feigwarzen durch die Impfung ausgerottet werden konnten. Die Ausrottung von HPV hat die WHO auch als Ziel für das Jahr 2030 vorgegeben. Österreich hat sich verpflichtet, dieses Ziel zu erreichen (Tab. 1). Die Politik, wir als Krebshilfe und auch alle wissenschaftlichen Gesellschaften, die sich hinter diese Forderung stellen, müssen jetzt versuchen, diese wichtige Information auch an die Bevölkerung heranzutragen. Es wird dazu Informationskampagnen geben, damit alle, die die Impfung wollen, sie auch bekommen können.

Tab. 1: Die Durchimpfungsrate gegen HPV im Jahr 2021 in Österreich. Modifziert nach AGO Austria 2023

Was kann die Impfung besser als die Infektion?

P. Sevelda: Die Infektion ist meistens auf das Epithel limitiert und dringt nicht in das System und Immunsystem ein. Daher entwickeln die Menschen selten Antikörper gegen die Viren. Bei der Impfung jedoch wird ein solcher Antikörperschutz aufgebaut. Dieser Schutz ist nach heutigem Wissen lebenslang vorhanden. Studien konnten zeigen, dass bis zu 95 Prozent dieser durch humane Papillomaviren bedingten Erkrankungen bei denjenigen, die geimpft sind, verhindert werden können. Also ist die HPV-Impfung tatsächlich eine Impfung gegen Krebs und Krebsvorstufen.

Wie wird die Impfung idealerweise durchgeführt?

P. Sevelda: Am besten ist es, wenn man Kinder impft. Wir haben daher in Österreich ein sehr modernes und tolles Impfprogramm entwickelt. Seit Februar 2023 kann man ab dem neunten Geburtstag bis zum 21. Geburtstag oder bis zum vollendeten 21. Lebensjahr kostenlos geimpft werden. Man bekommt zwei Impfungen im Mindestabstand von sechs Monaten. Also sechs bis zwölf Monate nach der ersten Impfung sollte die zweite gegeben werden. Der gewonnene Schutz hält ein Leben lang. Dieses Impfprogramm ist einzigartig in Europa – denn eigentlich ist die Impfung sehr teuer. Auch in Österreich: Wenn man sich nach dem 21. Geburtstag impfen lässt, braucht man bereits drei Impfungen. Jede dieser Impfungen kostet über 200 Euro.

Nach mehreren hundert Millionen verimpfter Dosen nach über 20 Jahren haben wir auch die Bestätigung, dass die Impfung total sicher ist, es gibt also keine schwerwiegenden Nebenwirkungen oder Impfschäden. Aufgrund der Langzeitbeobachtung wissen wir auch, dass man nach vollständiger Impfung viel weniger Sorge haben muss, die genannten Erkrankungen noch zu bekommen. Insbesondere Frauen sollten dennoch regelmäßig Früherkennungsuntersuchungen wahrnehmen.

Was auch neu und damit in Österreich sehr vorbildhaft geregelt ist: Sollte eine Frau eine Zervixdysplasie, also eine „CIN 3“, schon gehabt haben und durch eine Konisation behandelt worden sein, dann wird nun seit zwei bis drei Jahren nach einem solchen Eingriff die HPV-Impfung bis zum 45. Lebensjahr bezahlt. Wird die Diagnose vor dem Eingriff gestellt, ist die Impfung auch schon früher möglich. Das ist etwas, was Frauen wissen und auch in Anspruch nehmen sollten.

Wie kommt man zur HPV-Impfung?

P. Sevelda: Die ursprüngliche Idee war, dass es in der Schule eine Impfinformation und auch eine Schulimpfung für alle Kinder ab neun Jahren gibt, also in der vierten Klasse Volksschule. Das wäre der beste und wirksamste Weg – der ist aber leider gerade nicht umsetzbar. In Wien können die Schulärzt*innen impfen, in anderen Bundesländern impfen niedergelassene Ärzt*innen und Kinderärzt*innen und vor allem auch Allgemeinmediziner*innen. In manchen Bundesländern sind separate Impfstellen eingerichtet, bei denen man die Impfung kostenlos bekommt(für Informationen zu Detailregelungen in einzelnen Bundesländern siehe Kasten auf dieser Seite).

Macht die Impfung auch nach dem 21. Geburtstag noch Sinn?

P. Sevelda: Ja, auch wenn sie dann mit hohen Kosten verbunden ist.

Macht sie Sinn, wenn man schon Geschlechtsverkehr gehabt hat?

P. Sevelda: Selbstverständlich, da nicht jeder Geschlechtsverkehr zu einer HPV-Infektion führt. Das Virus wird jedoch größtenteils durch Geschlechtsverkehr übertragen und es ist daher auch am besten, sich vor dem 14. Lebensjahr impfen zu lassen – das ist die Zeitschwelle, vor der sexueller Kontakt eigentlich sogar strafbar wäre. Die Kinder sind dann noch HPV-naiv und die Impfung kann die optimale Wirkung entfalten.

Aber selbst wenn man schon Geschlechtsverkehr hat, macht es Sinn, sich impfen zu lassen. Denn erstens bedeutet Geschlechtsverkehr nicht automatisch, dass man HPV-positiv ist, und zweitens verhindert die Impfung auch bei HPV-Träger*innen Reinfektionen. Wir raten außerdem davon ab, sich routinemäßig testen zu lassen.

Sollten sich denn junge Männer und Frauen über 21 Jahre auf HPV testen lassen?

P. Sevelda: Auch hier sind wir klar der Meinung, dass das keinen Sinn macht, weil man die Besiedelung durch humane Papillomaviren nicht wirksam behandeln kann. Mit einem positiven Testergebnis, das im Alter von 20 bis 30 Jahren wahrscheinlich ist, erzielt man bei Mädchen und jungen Frauen nur eine große Verunsicherung. Ein positives Testergebnis hat einen starken Einfluss auf ihre Psyche, ihre Befindlichkeit und natürlich auf jegliche Form von Sexualpartnerschaften, da man sich, außer durch die Impfung, auch nicht wirksam schützen kann. Kondome sind sinnvoll, bieten aber auch keinen vollständigen Schutz. Ab 30 Jahren ist es anders: Frauen sollten sich im Rahmen der Früherkennung testen lassen.

Auch bei Männern gibt es keine Behandlungsmöglichkeit, Testen bringt keine Vorteile. Außerdem haben Männer kein so großes Gefahrenpotenzial wie Frauen. Das Peniskarzinom zum Beispiel ist ein extrem seltener Tumor. Obwohl die Zahlen steigen, haben wir in Österreich nur circa 50 Fälle pro Jahr. Auch die Analkarzinome sind seltene Erkrankungen, mit einer geringen Häufung in der homosexuellen Community. Aber in dieser Community sind inzwischen auch die Durchimpfungsraten deutlich höher.

Wie kam es zur HPV-Impfung beim Bundesheer?

P. Sevelda: Die Idee zur HPV-Impfung beim Bundesheer ist im Rahmen der Entwicklung des HPV-Impfprogramms entstanden. Alle jungen Männer, die in Österreich leben, bekommen um das 18. Lebensjahr eine Einberufung zur Stellungskommission für das Bundesheer. Das bietet die einmalige Gelegenheit, die männliche Jugend zu diesem Zeitpunkt umfassend über Gesundheitsfragen zu informieren. Primär sollte es um Informationen zum Rauchen, Nichtrauchen, zu Alkohol und Drogen gehen, aber eben auch um die HPV-Impfung.

Wir durften diese Idee Bundesministerin Klaudia Tanner vortragen, die davon begeistert war. Sie hat sie gleich aufgegriffen und uns, also der Krebshilfe, zugesagt, dass unsere Informationsbroschüren und Materialien zu all diesen Fragen im Rahmen der Stellungskommission verteilt werden. Zu meiner Freude hat sich diese anfängliche Vereinbarung weiterentwickelt. Klaudia Tanner hat es für sinnvoll erachtet, die Impfung gleich im Rahmen des Grundwehrdienstes anzubieten. Das wurde vom Gesundheitsministerium wohlwollend aufgenommen und ist jetzt Teil des HPV-Impfprogrammes. Wir erwarten uns davon, dass damit auch die Durchimpfungsrate bei Männern deutlich höher werden wird.

Männer erkranken zwar seltener an den Folgen einer Infektion mit humanen Papillomaviren, aber sie sind natürlich wichtige Überträger. Wir erhoffen uns also auch, dass in der Folge die auffälligen Abstriche mit Krebsvorstufen weniger werden und vielen Frauen Ängste und Sorgen erspart bleiben können.

Es spricht also alles für die HPV-Impfung, die „Impfung gegen Krebs“?

P. Sevelda: Ja. Bevorzugt sollten sich alle Kinder unabhängig vom Geschlecht impfen lassen. Und es macht Sinn, sich auch nach dem 21. Geburtstag impfen zu lassen, wenn man noch nicht geimpft ist. Die Impfung ist sicher. Sie ist bis zum 21. Lebensjahr kostenlos. Es gibt keinen vernünftigen Grund, sich nicht impfen zu lassen.

Info-Broschüre

Kostenloser Download von der Website der Österreichischen Krebshilfe .

In dieser Broschüre finden sich sämtliche Bundesländer-spezifischen Informationen zur Impfkampagne.

● Interview mit Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda ● Broschüre der Österreichischen Krebshilfe: „HPV-Impfung gegen Krebs“

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