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Highlights Kopf-Hals-Tumoren

Im Rahmen des diesjährigen Jahreskongresses der American Society of Clinical Oncology (ASCO) wurden Ergebnisse wichtiger klinischer Studien zu Kopf-Hals-Tumoren (KHT) präsentiert, die zwar die aktuelle klinische Praxis nicht neu definieren, aber trotzdem Einfluss auf die derzeitigen Therapiealgorithmen bei lokal fortgeschrittenem Stadium vor allem im Bereich der Supportivtherapie haben könnten.

Kopf-Hals-Tumoren im lokal fortgeschrittenen Stadium

ConCERT-Studie: definitive Radiochemotherapie mit Hochdosis-Cisplatin vs. wöchentliches Cisplatin1

In dieser indischen Phase-III-Studie wurde die Frage gestellt, ob sich konventionelles hoch dosiertes Cisplatin 100mg/m2 alle drei Wochen während definitiver Radiatio bei Stadium-3/4-KHT-Patienten durch wöchentliches Cisplatin mit einer Dosis von 40mg/m2 ersetzen lässt und dieses Regime mit der geringeren Dosis nicht unterlegen ist.

Der primäre Endpunkt war die lokoregionäre Kontrollrate (LCR) nach zwei Jahren. Es wurden 278 Patienten randomisiert. Die Zwei-Jahres-LCR betrug in der Hochdosis-Cisplatin-Gruppe 56,39% und 60,9% in der 40-mg/m2-Gruppe. Die Differenz der Effektgröße betrug daher 4,51% (95% CI: –5,41% bis 14,43%), wodurch die Studie die Nichtunterlegenheit (10%-Grenze) von wöchentlichem Cisplatin demonstrieren konnte. Das Gesamtüberleben (OS) und das progressionsfreie Überleben (PFS) waren ebenfalls vergleichbar:

  • OS: 30 Monate, 95% CI: 20,4–39,7, vs. 25,5 Monate, 95% CI: 13,3–37,5; p=0,751

  • PFS: 21,3 Monate vs. 20,8 Monate; p=0,377

Wie erwartet waren die Grad-3/4-Toxizitäten signifikant höher in der Hochdosis-Cisplatin-Gruppe verglichen mit wöchentlichen Cisplatin-Gaben, v.a. im Bereich der Nephrotoxizität (18% vs. 3,7%) und Emesis (12,7% vs. 4,5%).

Radiochemotherapie mit Docetaxel vs. Radiatio bei Patienten ohne Cisplatin-Eignung2

In eine weitere Phase-III-Studie, jene von Patil VM et al., wurden 356 Patienten mit Stadium-III/IV-KHT eingeschlossen, die eine definitive (ca. 60% der Patienten) oder postoperative Radiatio erhalten sollten und nicht für Cisplatin geeignet waren. Die wichtigsten Kriterien für Cisplatin-Untauglichkeit waren ECOG(Eastern Cooperative Oncology Group)-Status 2, Hörverminderung und eine Kreatinin-Clearance unter 50ml/min.

Nach Randomisierung in zwei Gruppen wurde im Standard-Arm eine Radiatio durchgeführt (60 Gray im adjuvanten und 66–70 Gray im definitiven Setting), während der experimentelle Arm konkomitant zur Strahlentherapie Docetaxel in einer Dosis von 15mg/m2 wöchentlich erhielt. Der primäre Endpunkt war das krankheitsfreie Überleben (DFS) nach zwei Jahren. Dieser Endpunkt wurde vorzeitig erreicht und die Studie daher beendet.

Folgende Ergebnisse konnten verzeichnet werden:

  • DFS: Standard-Arm: 30,3% (95% CI: 23,6%–37,4%)

    Experimenteller Arm: 42% (HR: 0,673, 95% CI: 34,6%–49,2%; p=0,002)

  • OS: Standard-Arm: 41,7% (95% CI: 34,1%–49,1%)

    Experimenteller Arm: 50,8% (HR: 0,747, 95% CI: 43,1%–58,1%; p=0,035)

Das Toxizitätsprofil war in der experimentellen Gruppe ungünstiger, da häufiger über Grad-3/4-Mukositis (22,2% vs. 49,7%; p=0,000), Dysphagie (33% vs. 49,7%; p=0,002) und Odynophagie (33,5% vs. 52,5%; p=0,000) berichtet wurde.

Abb. 1:Inzidenz der schweren oralen Mukositis (SOM) unter Avasopasem (AVA, blau) vs. Placebo (PBO, grau). Modifiziert nach 6

Relevanz für die klinische Praxis

Die Frage der adäquaten Cisplatin-Dosierung während der Radiochemotherapie ist von hoher klinischer Relevanz und seit vielen Jahren nicht adäquat beantwortet. Am ASCO-Kongress 2017 konnte eine indische Studie die Überlegenheit von Hochdosis-Cisplatin vs. 30mg/m2 Cisplatin wöchentlich im postoperativen Setting zeigen.3

Während des ASCO-Kongresses 2020 wurde die Nichtunterlegenheit von 40mg/m2 wöchentlich in einer ähnlichen Patientenpopulation demonstriert.4 Die ConCERT-Studie trägt aber leider nur bedingt dazu bei, diese Debatte final zu entscheiden. Limitationen dieser Studie:

  • die unzureichende Cisplatin-Kumulativdosis (200mg/m2 sind minimal notwendig), die im Standardarm nur in 77% der Fälle und im experimentellen Arm in 80% der Fälle erreicht wurde

  • die Anwendung der IMRT(intensitätsmodulierte Radiotherapie)/VMAT(„Volumetric Intensity Modulated Arc Therapy“)-Strahlentherapietechnik in der Minorität der Studienpopulation (ca. 25% der Fälle), wodurch sich insbesondere im Toxizitätsprofil Verzerrungen ergeben könnten

  • Bei nur ca. 41% der Patienten im Standard-Arm wurde die Strahlentherapie ohne Verzögerungen durchgeführt, was die Endpunkte der Studie unmittelbar beeinflusst haben könnte.

Da im klinischen Alltag ein Großteil der KHT-Patienten Komorbiditäten aufweist und nicht für eine Cisplatin-basierte Radiochemotherapie geeignet ist, ist die Evaluierung von alternativen Schemata von großer Relevanz.

Erfreulicherweise zeigt die oben beschriebene Studie von Patil VM et al. eindeutig, dass eine Radiochemotherapie mit Docetaxel einer alleinigen Radiatio überlegen ist. Dennoch scheint es zu früh, dieses Schema in der klinischen Praxis anzuwenden, da diese Studie wichtige Fragen unbeantwortet lässt:

  • Ist Docetaxel sowohl im adjuvanten als auch im definitiven Setting der alleinigen Radiatio überlegen?

  • Wie sehen das Toxizitätsprofil und die Effektivität bei konsequenter Anwendung moderner Strahlentherapietechnik aus (IMRT nur bei ca. 20% eingesetzt)?

  • Waren die Kriterien für Cisplatin-Untauglichkeit zu weit gefasst und wäre nicht bei einer Subgruppe (z.B. Hörverminderung) zumindest wöchentliches Cisplatin möglich gewesen?

Weiters sei angemerkt, dass die ESMO(European Society for Medical Oncology)-Leitlinien 2020 bei Cisplatin-Untauglichkeit im definitiven Setting eine Radiochemotherapie mit Carboplatin/5-Fluorouracil (5-FU) oder Radioimmuntherapie mit Cetuximab empfehlen.5 Es ist daher unklar, ob alleinige Radiatio einen adäquaten Vergleichsarm darstellt.

Diese Punkte müssen in anderen Studien adressiert werden, bevor wir die optimale konkomitante Therapie zur Strahlentherapie für diese heterogene Patientenpopulation festlegen können.

ROMAN-Studie: Avasopasem zur Prävention von oraler Mukositis6

Während der ASCO-Konferenz 2022 wurden die Daten einer randomisierten Phase-III-Studie vorgestellt, die den Stellenwert von Avasopasem zur Prävention von schwerer oraler Mukositis (SOM) bei Stadium-3/4-KHT-Patienten, die mittels Radiochemotherapie behandelt wurden, im Vergleich zu Placebo untersuchte. Avasopasem gehört zu einer neuen Substanzklasse der Superoxid-Dismutase-Mimetika, die die Umwandlung von Superoxiden, die durch die Strahlentherapie entstehen, in Wasserstoffperoxid fördern und dadurch die SOM-Rate senken sollen.

Der primäre Endpunkt war die Inzidenz von SOM während der Radiatio, sekundäre Endpunkte umfassten die Dauer der SOM und Anzahl der Tage von Grad-4-SOM. Es wurden jeweils 241 bzw. 166 Patienten eingeschlossen und behandelt. Hervorzuheben bei der Patientenpopulation ist, dass ca. 80% der Patienten ein Oropharynxkarzinom aufwiesen, das in der Majorität der Fälle HPV-positiv war.

Die Studienziele wurden erreicht: Die SOM-Inzidenz wurde durch Avasopasem-Therapie von 64% auf 54% (relatives Risiko 0,84; p=0,045) signifikant verringert (Abb. 1). Weiters zeigte sich eine Reduktion der medianen Dauer von SOM von 18 auf acht Tage (p=0,002). Das Nebenwirkungsprofil war günstig, wobei primär über Übelkeit/Erbrechen berichtet wurde.

Relevanz für die klinische Praxis

Das Auftreten von SOM während der Durchführung einer Radiochemotherapie stellt in der klinischen Praxis für den Arzt eine Herausforderung und für den Patienten eine relevante Einschränkung der Lebensqualität dar, wobei ca. 70% der Patienten betroffen sind.

SOM bedeutet für die Patienten, dass keine feste Nahrung mehr zugeführt werden kann oder der Patient mittels Nasogastralsonde ernährt werden muss. Da bis dato keine ursächliche Therapie zur Prävention von SOM verfügbar ist, sind die Ergebnisse der ROMAN-Studie relevant für den klinischen Alltag. Obwohl die Zulassung dieser Substanz in den USA beantragt wurde, bleiben wichtige Fragen offen, die aus Sicht des Autors vor dem Einsatz in der klinischen Routine beantwortet werden müssen:

  • Ist Avasopasem sicher und hat keinen negativen Einfluss auf die klinischen Endpunkte OS oder PFS?

  • Ist die Wirkung auf Patienten mit HPV-positiven Oropharynxkarzinomen beschränkt oder profitieren auch Patienten mit (HPV-negativen) Tumoren an anderen Lokalisationen?

Kopf-Hals-Tumoren im rezidivierten/metastasierten (R/M) Stadium

Pembrolizumab in Kombination mit Cabozantinib7

Kurz sei noch eine einarmige Phase-II-Studie erwähnt, die die Kombination von Cabozantinib und Pembrolizumab bei 36 Immuntherapie-naiven Patienten mit R/M KHT untersucht hat. Die Ansprechrate betrug 54%, wobei keine Blutungsepisoden berichtet wurden. Cabozantinib musste in 47,2% der Fälle dosisreduziert werden. Das PFS betrug 14,6 Monate (95% CI: 8,2–19,6) und das OS 22,3 Monate (95% CI: 11,7–32,9).

Relevanz für die klinische Praxis

Obwohl diese Daten außerhalb von Studien in der klinischen Routine keine Rolle spielen, zeigen sie jedoch einen Weg auf, wie die Effektivität von Immuntherapie in diesem Setting gesteigert werden könnte.

Zur Einordnung dieser Daten sei erwähnt, dass in der KEYNOTE-048-Studie, die den aktuellen Therapiestandard definiert hat, die ORR mit Pembrolizumab-Monotherapie ca. 23% und das OS 14,8 Monate (in der CPS≥20-Subgruppe) betrug.8 Erfreulicherweise scheint die gefürchtete Nebenwirkung der Tumorblutung bei entsprechender Patientenselektion im Gegensatz zu früheren Studien mit Angiogenese-Inhibitoren nicht aufgetreten zu sein.

Mit Spannung dürfen wir daher die Ergebnisse der randomisierten Studien LEAP-009 (NCT04428151) und LEAP-010 (NCT04199104) erwarten, die die Effektivität von Lenvatinib plus Pembrolizumab untersuchen.

Zusammenfassung

Zusammengefasst lassen sich aus den in diesem Jahr präsentierten Studien bei KHT folgende Erkenntnisse ableiten:

  • Wöchentlich konkomitant zur definitiven Radiatio verabreichtes Cisplatin in einer Dosis von 40mg/m2 ist dem bisherigen Goldstandard von Cisplatin 100mg/m2 alle drei Wochen gleichwertig, wodurch der Evidenzgrad für dieses Schema ansteigt, obwohl die ConCERT-Studie Limitationen aufweist.

  • Konkomitant zur definitiven oder postoperativen Radiatio verabreichtes Docetaxel ist bei Patienten, die nicht für eine Cisplatin-basierte Radiochemotherapie geeignet sind, wirksamer als Radiatio alleine.

  • Avasopasem reduziert die Inzidenz einer schweren oralen Mukositis bei definitiver Radiochemotherapieund könnte neuer supportiver Therapiestandard werden, sobald die klinischen Endpunkte OS und PFS vorliegen.

1 Sharma A et al.: An open-label, noninferiority phase III RCT of weekly versus three weekly cisplatin and radical radiotherapy in locally advanced head and neck squamous cell carcinoma (ConCERT trial). J Clin Oncol 2022; 40: 6004 2 Patil VM et al.: Results of phase 3 randomized trial for use of docetaxel as a radiosensitizer in patients with head and neck cancer unsuitable for cisplatin-based chemoradiation. J Clin Oncol 2022; 40: LBA6003-LBA 3 Noronha V et al.: Once-a-week versus once-every-3-weeks cisplatin chemoradiation for locally advanced head and neck cancer: a phase III randomized noninferiority trial. J Clin Oncol 2018; 36: 1064-72 4 Kiyota N et al.: Weekly cisplatin plus radiation for postoperative head and neck cancer (JCOG1008): a multicenter, noninferiority, phase II/III randomized controlled trial. J Clin Oncol 2022; 40: 1980-90 5 Machiels JP et al.: Squamous cell carcinoma of the oral cavity, larynx, oropharynx and hypopharynx: EHNS-ESMO-ESTRO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol/ESMO 2020; 31: 1462-75 6 Anderson CM et al.: ROMAN: Phase 3 trial of avasopasem manganese (GC4419) for severe oral mucositis (SOM) in patients receiving chemoradiotherapy (CRT) for locally advanced, nonmetastatic head and neck cancer (LAHNC). JClin Oncol 2022; 40: 6005 7 Saba NF et al.: A phase II trial of pembrolizumab and cabozantinib in patients (pts) with recurrent metastatic head and neck squamous cell carcinoma (RMHNSCC). J Clin Oncol 2022; 40: 6008 8 Burtness B et al.: Pembrolizumab alone or with chemotherapy versus cetuximab with chemotherapy for recurrent or metastatic squamous cell carcinoma of the head and neck (KEYNOTE-048): a randomised, open-label, phase 3 study. Lancet 2019; 394: 1915-28

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