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Gynäkologische Onkologie: praxisrelevante Aspekte vom ASCO 2017
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
Univ.-Klinik für Frauenheilkunde<br> Klinische Abteilung für Gynäkologie, Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: edgar.petru@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Auf der diesjährigen Jahrestagung der ASCO gab es bei den gynäkologischen Tumoren neue Ergebnisse zu unterschiedlichen Therapien beim Ovarial- und Endometriumkarzinom. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über vier ausgewählte Studien und erläutert die Konsequenzen für den klinischen Alltag.</p>
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<p class="article-content"><h2>Neoadjuvante Chemotherapie mit oder ohne Bevacizumab beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom (GEICO 1205)</h2> <p>Yolanda García präsentierte die Ergebnisse einer Studie an 71 Patientinnen mit „high-grade“-serösem und endometrioidem Ovarialkarzinom in Stadium III–IV.<sup>1</sup> Die Patientinnen mussten einen ECOG 0–2 aufweisen. Es durften keine Ileus/Subileus-Zeichen vorliegen und keine Kontraindikation gegen Bevacizumab (BEV). Die Chemotherapie entsprach dem klinischen Standard Carboplatin und Paclitaxel und alle Patientinnen erhielten adjuvant BEV über insgesamt 15 Zyklen. Primärer Endpunkt der Studie war die Rate des kompletten makroskopischen Ansprechens zum Zeitpunkt des Intervall-Debulkings. Zwei Drittel der Patientinnen wiesen einen ECOG 0–1 auf, 66 % waren im Stadium IIIc und 34 % im Stadium IV. Im Durchschnitt wurden vier präoperative Zyklen verabreicht, wobei BEV in den ersten drei Zyklen zusätzlich gegeben wurde. Die Rate der makroskopischen Remissionen lag im BEV-Arm bei 7 % und im Nicht-BEV-Arm bei 8 % (kein statistisch signifikanter Unterschied, n.s.). In der BEV-Gruppe war ein Intervall-Debulking signifikant häufiger möglich als im Arm ohne BEV (89 % vs. 67 % ; p=0,029). Bei der R0-Resektionsrate fand sich kein Unterschied. Dasselbe galt für das progressionsfreie Überleben (PFS). Nebenwirkungen von Grad ≥3 während der neoadjuvanten Chemotherapie waren im BEV-Arm geringer (29 % vs. 61 % , p=0,008). Während der gesamten systemischen Therapiephase zeigte sich ein ähnliches Bild (54 % vs. 79 % ; p=0,033). Insbesondere war die Rate an Darmobstruktionen und Grad-3-Bauchschmerzen nicht erhöht. Grad-4/5-Nebenwirkungen ≤1 Monat nach der Operation traten bei 2 Patientinnen ohne BEV und bei 5 Patientinnen mit BEV auf. <br />Konsequenzen für den klinischen Alltag: BEV ist neoadjuvant gut administrierbar. Die Rate des kompletten Ansprechens und Nebenwirkungen von Grad 3–5 sind durch BEV nicht erhöht.</p> <h2>Wertigkeit einer sekundären zytoreduktiven Chirurgie bei Rezidiv des Ovarialkarzinoms (DESKTOP III)</h2> <p>Die Studien DESKTOP I und II haben auf der Basis von retrospektiven Analysen den sog. AGO-Score entwickelt. Dieser beinhaltet drei Faktoren, die mit einer kompletten Resektion zum Zeitpunkt der Operation des Rezidivs assoziiert sind: guter Karnofsky-Status, komplette Tumorresektion bei der Erstoperation und geringer Aszites (<500ml) beim Rezidiv. Primäres Studienziel war das Gesamtüberleben (OS). Es waren 408 Patientinnen mit platinsensitivem Erstrezidiv und positivem AGO-Score randomisiert worden.<sup>2</sup> Alle Patientinnen erhielten nach der Randomisierung eine Platin-basierte Chemotherapie. Die Histologie G2/G3-serös war im OP-Arm 84 % versus 77 % im Nicht-OP-Arm (n.s.). 94 % versus 90 % hatten adjuvant Platin plus Taxan erhalten (n.s.). Das mediane Platin-freie Intervall betrug 21 vs. 19 Monate (n.s.). Nach Randomisierung erhielten 89 % versus 91 % neuerlich eine Platin-haltige Therapie. In der OP-Gruppe wurde bei 33 % der Patientinnen der Darm reseziert, 3,5 % erhielten ein Stoma, 1 % hatten Thrombosen, 3 % wurden einer Relaparotomie unterzogen und bei 73 % der Patientinnen wurde eine R0-Resektion erreicht. Die 2-Jahres-Gesamtüberlebensrate betrug 83 % und war viel höher als die angenommene Überlebensrate in der Gesamtpopulation. Das PFS war im OP-Arm signifikant länger als im Nicht-OP-Arm (20 vs. 14 Monate; p<0,001) (Abb. 1). Bei Patientinnen mit kompletter Resektion des Rezidivs war das mediane PFS um 7,2 Monate länger (21 vs. 14 Monate; p<0,0001). In der OP-Gruppe belief sich ebenso wie in der Nicht-OP-Gruppe die 90-Tages-Mortalität auf 0,5 % und die Mortalität nach 6 Monaten betrug in der OP-Gruppe 0,5 % versus 2,5 % in der Nicht-OP-Gruppe. Ein Ileus trat bei 0,5 % vs. 1 % der Patientinnen auf.<br />Konsequenzen für den klinischen Alltag: Der prädiktive Wert des AGO-Scores ist bestätigt worden. Bei 33 % der Patientinnen erfolgte anlässlich der Rezidivoperation eine Darmresektion. Von einer Rezidivresektion profitieren vor allem Patientinnen, bei denen die komplette Resektion an einem Zentrum durchgeführt wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_s72.jpg" alt="" width="1457" height="835" /></p> <h2>Wertigkeit der Lymphadenektomie beim fortgeschrittenen Ovarialkarzinom (LION)</h2> <p>Für die Rekrutierung der Teilnehmerinnen der LION-Studie war eine Präselektion von Zentren auf der Basis von Operationsberichten und Pathologiebefunden erfolgt.<sup>3</sup> Bei der systematischen Lymphadenektomie (LA) mussten mindestens 20 pelvine und 10 paraaortale Lymphknoten entfernt werden. In der Studie wurden 647 Patientinnen mit einem Ovarialkarzinom in Stadium IIb–IV, die einen ECOG-Status 0–1 aufwiesen und bei denen eine R0-Resektion intraoperativ möglich erschien, intraoperativ randomisiert. Alle wiesen klinisch negative pelvine bzw. paraaortale Lymphknoten auf. Der mediane CA-125-Wert vor der Operation betrug in der LA-Gruppe versus die Nicht-LA-Gruppe 416 versus 347E/ml (n.s.). Ein FIGO-Stadium III–IV wurde bei 81 % versus 75 % der Patientinnen diagnostiziert (n.s.). Darmresektionen erfolgten bei 52 % versus 51 % . Bei >99 % erfolgte eine R0-Resektion. Lymphknotenmetastasen wurden in der LA-Gruppe bei 56 % der Patientinnen nachgewiesen. Die OP-Dauer war in der LA-Gruppe signifikant länger als in der Nicht-LA-Gruppe (p<0,001), die Bluttransfusionsrate signifikant höher, die Rate an Aufnahmen auf die Intensivstation ebenso. Weiters zeigten Patientinnen mit LA signifikant höhere Raten an Infektionen und Lymphzysten. Die Rate an Relaparotomien lag in der LA-Gruppe bei 12 % versus 7 % und die 60-Tages-Mortalität bei 3 % versus 1 % (jeweils signifikant). Weder das OS noch das PFS unterschied sich in den beiden Studiengruppen.<br />Konsequenzen für den klinischen Alltag: Das OS und das PFS wurden durch die systematische Lymphadenektomie insuspekter Lymphknoten nicht verlängert, während die Rate an Komplikationen und die Mortalität durch die LA signifikant erhöht waren. Erfolgt eine R0-Resektion in Stadium IIb–IV, so verändert eine Entfernung subklinischer Lymphknotenmetastasen durch eine systematische Lymphadenektomie die Prognose nicht.</p> <h2>Radiotherapie allein versus adjuvante Chemoradiotherapie beim fortgeschrittenen Endometriumkarzinom (PORTEC-3)</h2> <p>Patientinnen mit Hochrisiko-Endometriumkarzinom haben ein erhöhtes Risiko für Fernmetastasen und ein höheres Risiko zu sterben. In der PORTEC-3-Studie<sup>4</sup> waren Patientinnen mit FIGO-Stadium I Grad 3 mit tiefer myometraner Invasion und/oder LVSI oder Patientinnen mit FIGO II–III oder Patientinnen mit seröser bzw. klarzelliger Histologie in zwei Studiengruppen randomisiert worden: in eine mit Radiotherapie (RT; 48,6Gy in Fraktionen zu 1,8Gy) und eine mit Chemoradiotherapie (CTRT). In Letzterer wurden 2 Zyklen Cisplatin 50mg/m<sup>2</sup> wöchentlich x 4 während der Chemotherapie, gefolgt von 4 Zyklen Carboplatin AUC 5 und Paclitaxel 175mg/m<sup>2</sup> in 3-wöchentlichen Intervallen appliziert. 686 Patientinnen waren in die Studie einbezogen worden, die mittlere Nachbeobachtungsdauer betrug 60 Monate. Die 3- und die 5-Jahres-Überlebensraten beliefen sich für die CTRT- versus die RT-Gruppe auf 85 % und 84 % (n.s.) versus 82 % und 77 % (n.s.). Bei Patientinnen im Stadium III nach CTRT war die Rate des rezidivfreien 5-Jahres-Überlebens signifikant höher als bei jenen mit RT allein (75 % vs. 63 % ; p=0,0292). <br />Konsequenzen für den klinischen Alltag: Die Reduktion des absoluten bzw. des relativen Risikos betrug in der Gesamtgruppe der Patientinnen mit CTRT 9 % bzw. 30 % . Bei Patientinnen mit einem Endometriumkarzinom im Stadium III sollte während und nach der pelvinen RT auch eine Chemotherapie erfolgen.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> García Y et al.: Phase II randomized trial of neoadjuvant chemotherapy with or without bevacizumab in advanced ovarian cancer (GEICO 1205/NOVA trial). J Clin Oncol 2017; 35(15 Suppl); Abstr. 5508 <strong>2</strong> Du Bois A et al.: Randomized controlled phase III study evaluating the impact of secondary cytoreductive surgery in recurrent ovarian cancer (AGO Desktop III/ENGOT ov20). J Clin Oncol 2017; 35(15 Suppl); Abstr. 5501 <strong>3</strong> Harter P et al.: LION: Lymphadenectomy in ovarian neoplasms – a prospective randomized AGO study group led gynecologic cancer intergroup trial. J Clin Oncol 2017; 35(15 Suppl); Abstr. 5500 <strong>4</strong> DeBoer S et al.: Final results of the international randomized PORTEC-3 trial of adjuvant chemotherapy and radiation therapy (RT) versus RT alone for women with high-risk endometrial cancer. J Clin Oncol 2017; 35(15 Suppl); Abstr. 5502</p>
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