
Frühes Mammakarzinom: praxisrelevante Aspekte vom ASCO 2020
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Edgar Petru
Klinische Abteilung für Gynäkologie
Univ.-Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe
Medizinische Universität Graz
E-Mail: edgar.petru@medunigraz.at
Am virtuell abgehaltenen diesjährigen ASCO-Kongress gab es klinisch relevante Aspekte beim operablen Mammakarzinom, die im Folgenden Erwähnung finden,etwadie Erhaltungstherapie nach adjuvanter Chemotherapie beim tripelnegativen Mammakarzinom.
Metronomisches, niedrig dosiertes Capecitabin nach adjuvanter Standardchemotherapie beim tripelnegativen Mammakarzinom
Es handelt sich um eine Chemotherapiestudie bei der Gruppe der tripelnegativen Mammakarzinome, die ein erhöhtes Rezidivrisiko aufweisen.1 Patientinnen mit operablem tripelnegativen Mammakarzinom erhielten in der einen Gruppe nach Randomisierung Capecitabin 650mg/m2 2x täglich und kontinuierlich für insgesamt ein Jahr als Erhaltungstherapie. Im zweiten Studienarm wurde lediglich Nachsorge betrieben. Der primäre Endpunkt war das erkrankungsfreie Intervall. 434 Patientinnen wurden in die Studie aufgenommen (221 in den Capecitabin-Arm, 213 in den Observationsarm). Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 56 Monate.
Die Rate des krankheitfreien Überlebens (DFS) nach 5 Jahren war im Capecitabin-Arm signifikant höher als im Observationsarm (83% versus 73%; HR: 0,63; 95% CI: 0,42–0,92; p=0,027). Die 5-Jahres-Gesamtüberlebens-Rate war jedoch in beiden Gruppen nicht unterschiedlich (85% versus 81%; HR: 0,74; p=0,203). 91% der Patientinnen im Capecitabin-Arm komplettierten die Therapie über ein Jahr. Toxizitäten von Grad1–4wurden im Capecitabin-Arm bei 46% (Hand-Fuß-Syndrom), 24% (Leukopenie), 13% (Hyperbilirubinämie), 7% (gastrointestinale Beschwerden) und 5% (Erhöhung der Transaminasen)beobachtet.
Konsequenzen für den klinischen Alltag
Diese Studie aus China ist die zweite randomisierte Untersuchung, bei der Patientinnen mit tripelnegativem Mammakarzinom und erhöhtem Rezidivrisiko von Capecitabin als Erhaltungstherapie hinsichtlich des DFS signifikant profitiert haben. Die metronomische Form der Therapie 2x täglich für insgesamt ein Jahr scheint auch gut verträglich zu sein.
Neoadjuvante Therapie mit Trastuzumab und Pertuzumab beim HER2+-Mammakarzinom: Vergleich des Zusatzes von Paclitaxel versus endokrine Therapie
Die Arbeitsgruppe um Harbeck schließt hier eine wichtige Lücke in der Studienlandschaft beim HER2-positiven Mammakarzinom.2 Das hormonrezeptorpositive (HR+) HER2+-Mammakarzinom weist eine bessere Prognose als das Mammakarzinom HR–/HER2+ auf. Bislang fehlte der Vergleich der Effektivität einer antihormonellen Therapie allein mit einer „Standardchemotherapie“ als Zusatz zum neoadjuvanten zielgerichteten Therapiestandard der dualen HER2-Blockade mit Trastuzumab + Pertuzumab.
Abb. 1: Primärer Endpunkt der Studie WSG-TP-II: Rate an pathologisch kompletten Remissionen (Gluz O et al.)2
In eine prospektive, randomisierte Phase-II-Studie wurden 207 Patientinnen eingeschlossen. Sowohl der HR-Status als auch der HER2-Status wurde zentral ermittelt.
Patientinnen erhielten entweder 12 Wochen lang eine endokrine Therapie (n=100) oder 12 Zyklen von Paclitaxel 80mg/m2 wöchentlich. Der primäre Endpunkt war die Rate an pathologisch kompletten Remissionen (pCR) (ypT0/is/ypN0). Alle Patientinnen erhielten im Anschluss an die Operation weiter die duale HER2-Blockade für insgesamt 1 Jahr.
Das mediane Alter der Patientinnen betrug 53 Jahre, 58% wiesen cT2–4-Tumoren, 28% cN1- und 43% G3-Tumoren auf. Eine pCR wurde im endokrinen Therapiearm bei 24% und im Therapiearm mit Chemotherapie + Anti-HER2-Therapie bei 57% nachgewiesen (OR: 0,24; p<0,001) (Abb.1). In der multivariaten Analyse waren der HER2+++-Status und der Studienarm mit Chemotherapie mit einer signifikant erhöhten pCR-Rate assoziiert.
Konsequenzen für den klinischen Alltag
Diese Daten deuten auf die Relevanz des Zusatzes einer Chemotherapie in Kombination mit dualer HER2-Blockade in der neoadjuvanten Therapie des HR+/HER2+-Mammakarzinoms hin. Allerdings ist zu bedenken, dass die präoperative Therapiedauer nur 12 Wochen betrug. Außerdem fehlt hier noch die detaillierte Auswertung der partiellen Remissionsraten und vor allem der Überlebensdaten. Diese Daten sind nötig, bevor eine Deeskalation mit endokriner Therapie allein und dualer HER2-Blockade vorgenommen werden kann. Patientinnen mit HR+/HER2+-Mammakarzinom sollten aber informiert werden, dass auch eine endokrine Therapie zusammen mit einer dualen HER2-Blockade eine relevante Option in der neoadjuvanten Therapie darstellt.
Postoperatives Trastuzumab und Radiatio versus Radiatio allein beim HER2+ duktalen Carcinoma in situ
Die Studie NRG Oncology/NSABP B-43 von Cobleigh et al. untersuchte die parallele Applikation von 2 Zyklen von Trastuzumab zur Standard-Radiotherapie bei Patientinnen mit HER2-positivem duktalem Carcinoma in situ (DCIS).3 In den meisten Fällen waren es 25 Fraktionen einer Teletherapie. Alle Patientinnen wiesen ein DCIS auf, welches mittels Segmentresektion entfernt worden war. In jedem Fall war die Resektionin sano erfolgt. Die HER2-Positivität sowie der Hormonrezeptorstatus wurden zentral bestimmt. Die Trastuzumab-Applikation erfolgte mit 8mg/kg bei der Erstdosis (–7 Tage bis +5 Tage nach dem Beginn der Radiotherapie) und danach noch einmal mit 6mg/kg (2. Dosis).
2014 Patientinnen wurden ab September 2008 randomisiert. Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 79 Monate. Je 98% im RT-Arm und im Trastuzumab+RT-Arm schlossen die Strahlentherapie ab. Mehr als 94% erhielten beide Dosen von Trastuzumab und 2,5% eine Dosis dieses Antikörpers. 3% erhielten kein Trastuzumab.
Bei der primären, definitiven Analyse zeigten sich 114 ipsilaterale Rezidive der Brust: 63 im RT-Arm und 51 im Trastuzumab-RT-Arm (HR: 0,81; 95% CI: 0,56–1,17; p=0,26). 38 ipsilaterale Rezidive waren invasiv: 18 im RT-Arm und 20 im Trastuzumab-RT-Arm (HR: 1,1; 95% CI: 0,59–2,10; p=0,74). 76 waren DCIS, davon 45 im RT-Arm und 31 im Trastuzumab-RT-Arm (HR: 0,68; CI: 0,43–1,08; p=0,10). Die jährlichen ipsilateralen Rezidivraten betrugen 0,99/Jahr in der RT-Gruppe und 0,80/Jahr in der Trastuzumab-RT-Gruppe. Das invasive DFS war im Trastuzumab-RT-Arm höher als im RT-Arm (HR: 0,84; p=0,13). 48 Todesfälle traten auf, davon 26 im RT-Arm und 22 im Trastuzumab-RT-Arm (HR: 0,85; p=0,59).
Konsequenzen für den klinischen Alltag
Der Zusatz von 2 Zyklen von Trastuzumab zur Radiotherapie der Brust, bei der vorher wegen eines HER2-positiven DCIS eine Segmentresektion in sano erfolgt ist, hat zu einer nicht signifikanten Verminderung der ipsilateralen präinvasiven Rezidivrate geführt. 2 Zyklen von Trastuzumab parallel zur RT können bei HER2-positivem DCIS nicht empfohlen werden. Weitere Studien v.a. zur Dauer der Trastuzumabtherapie sind indiziert.
Aromatasehemmer-induzierte Gelenks- und Muskelschmerzen: wichtiger Risikofaktor identifiziert
Elder et al. haben unter 194 Patientinnen jene Faktoren untersucht, die das Risiko für Arthralgien/Myalgien durch Aromatasehemmer (AI) verstärken.4 56% der Patientinnen mit AI-Therapie entwickelten Gelenks- und Muskelschmerzen. Bei 24% der Patientinnen zeigte sich eine Veränderung von Gelenken und Muskeln. Die multivariate Analyse wies für Patientinnen mit einem BMI im Bereich des oberen Drittels ein Risiko von 4,01 (p=0,05). auf.
Konsequenzen für den klinischen Alltag
Aromataseinhibitoren-assoziierte Gelenks- und Muskelschmerzen können möglicherweise durch eine Modifikation des Lebensstils, wie z.B. mit Gewichtsreduktion, reduziert werden.
Literatur:
1 Wang X et al.: Phase III trial of metronomic capecitabine maintenance after standard treatment in operable triple-negative breast cancer. ASCO 2020, Abstr. #507 2 Gluz O et al.: De-escalated chemotherapy versus endocrine therapy plus pertuzumab + trastuzumab for HR+/Her2+ early breast cancer: First efficacy results from the neoadjuvant WSG-TP-II study. Proc. ASCO 2020, Abstr. #515 3 Cobleigh M et al.: Primary results of NRG Oncology/NSABP B-43: Aphase III trial comparing concurrent trastuzumab and radiation therapy with radiotherapy alone for women with Her2-positive ductal carcinoma in situ after lumpectomy. Proc. ASCO 2020, Abstr. #508 4 Elder S et al.: Early-stage breast cancer patients: Factors associated with aromatase inhibitor-induced musculoskeletal symptoms. ASCO 2020, Abstr. #525
Das könnte Sie auch interessieren:
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
ASH 2020 – Highlights zu den aggressiven Lymphomen
Highlight-Themen der virtuellen ASH-Jahrestagung im Dezember 2020 waren an erster Stelle die Immunonkologika in all ihren Variationen, aber auch Beispiele für innovative Sequenztherapien ...
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...