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Intraoperative Radiotherapie mit Elektronen (IOERT)

Einsatzmöglichkeiten der IOERT bei fortgeschrittenen Tumoren an der vorderen Schädelbasis

<p class="article-intro">Seit 16 Jahren werden an der Universitätsklinik für Radiotherapie und Radio-Onkologie in Salzburg Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen an der vorderen Schädelbasis mittels IORT behandelt. Mit dieser Methode kann bei einem Drittel der Patienten eine Langzeittumorkontrolle bei hoher Lebensqualität erreicht werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Wir sehen die Tafel beim Zugang zum Operationstrakt der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Radiotherapie und Radio-Onkologie. F&uuml;r heute, einen Donnerstag im April 2017, ist die Resektion eines mehrere Zentimeter gro&szlig;en Rezidivtumors im Bereich der linken Sch&auml;delbasis durch ein Chirurgenteam unter der Leitung von Univ.-Prof. DDr. Alexander Gaggl, dem Vorstand der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, vorgemerkt. Die Operation wird 17 Stunden dauern; wie schon bei 47 anderen Patienten seit dem Jahre 2001 ist auch bei der 72-j&auml;hrigen Patientin w&auml;hrend der Operation nach Resektion des Rezidivs eine intraoperative Radiotherapie im Tumorbett vorgesehen. Nach sechsst&uuml;ndiger Operation kann der Tumor knapp R0 entfernt werden, ein 6cm-Rundtubus aus Plexiglas wird im Bereich der Sch&auml;delbasis durch Operateur und Radioonkologen fixiert, die Lafette mit dem Patienten wird zum Linearbeschleuniger geschoben, der Rundtubus wird mit mechanischen und lichtoptischen Verfahren millimetergenau am Bestrahlungskopf angedockt.<br /> Nur der Patient bleibt im Operationssaal, die &Uuml;berwachung der Narkose erfolgt &uuml;ber Monitore, ebenso wie die Steuerung der Bestrahlung. Die Operation verl&auml;ngert sich durch die intraoperative Radiotherapie mit 10Gy um circa eine halbe Stunde, in der das Chirurgenteam kurz etwas rasten kann. Anschlie&szlig;end wird der Gewebsdefekt &uuml;ber mehrere Stunden mit einem mikrovaskul&auml;ren Fibulatransplantat &uuml;berbr&uuml;ckt und das Gesicht plastisch-chirurgisch wiederhergestellt.<br /> Die Vorbereitungen f&uuml;r einen solchen Eingriff sind vielf&auml;ltig. Da die Operationszeit viele Stunden betr&auml;gt, muss &uuml;ber die Narkosetauglichkeit sorgf&auml;ltig entschieden werden; nach Besprechung im Tumorboard mit aktueller Klinik und Bildgebung und nachfolgender Empfehlung f&uuml;r eine IORT erfolgt ein Gespr&auml;ch mit dem Patienten. Die Operationen an der Sch&auml;delbasis erfolgen interdisziplin&auml;r, unter der Leitung eines Chirurgen der Fachrichtung Die Vorbereitungen f&uuml;r einen solchen Eingriff sind vielf&auml;ltig. Da die Operationszeit viele Stunden betr&auml;gt, muss &uuml;ber die Narkosetauglichkeit sorgf&auml;ltig entschieden werden; nach Besprechung im Tumorboard mit aktueller Klinik und Bildgebung und nachfolgender Empfehlung f&uuml;r eine IORT erfolgt ein Gespr&auml;ch mit dem Patienten. Die Operationen an der Sch&auml;delbasis erfolgen interdisziplin&auml;r, unter der Leitung eines Chirurgen der Fachrichtung Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde oder Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, weitere Spezialisten aus den F&auml;chern Neurochirurgie, plastische Chirurgie, Augenheilkunde und Gef&auml;&szlig;chirurgie sind h&auml;ufig an den Operationen beteiligt, mittels Telepathologie k&ouml;nnen w&auml;hrend des Eingriffs die Resektionsr&auml;nder beurteilt werden. F&uuml;r Nachresektionen im Bereich der Sch&auml;delbasis steht ein Operationsmikroskop bereit (Abb. 1).<br /> An der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Radiotherapie wurden f&uuml;r die IORT eine M&ouml;glichkeit zur Abschirmung sensibler Strukturen, wie zum Beispiel des Sehnervs, und eine Methode zur Tiefendosismessung bei unregelm&auml;&szlig;igen Oberfl&auml;chen, wie sie an der Sch&auml;delbasis vorkommen, entwickelt (Abb. 2). W&auml;hrend der Bestrahlung kann das vom Elektronentubus erfasste Areal &uuml;ber eine Kamerabildgebung eingesehen werden, um z.B. das Auftreten einer Blutung sofort zu erkennen oder bei einer Lageverschiebung des Tubus durch Atembewegungen die Bestrahlung unterbrechen zu k&ouml;nnen.<br /> Bei fortgeschrittenen Sch&auml;delbasistumoren liegt das Hauptproblem im Auftreten von nicht beherrschbaren Lokalrezidiven. Durch die IOERT kann im Bereich des h&ouml;chsten Risikos f&uuml;r ein Rezidivgeschehen eine Dosiseskalation bei Schonung der umliegenden anatomischen Strukturen erfolgen. Die verabreichte Dosis entspricht biologisch in etwa der Behandlungsdosis, welche sonst in eineinhalb Wochen postoperativ gegeben wird, der Hauptvorteil liegt jedoch in der genauen Lokalisierung des Tumorbetts durch die operierenden Chirurgen und Radioonkologen und in der Wahl des Bestrahlungszeitpunkts, n&auml;mlich unmittelbar nach Resektion des Tumors und damit zum Zeitpunkt der geringstm&ouml;glichen Zahl an verbliebenen Tumorzellen.<br /> In den 16 Jahren seit der ersten Durchf&uuml;hrung einer IORT an der vorderen Sch&auml;delbasis in Salzburg wurde diese Bestrahlungsmodalit&auml;t bei 47 Patienten durchgef&uuml;hrt, alle Patienten hatten fortgeschrittene Tumorerkrankungen (Abb. 3), 29 Mal lag ein Prim&auml;rtumor vor, 18 Mal ein oft mehrfaches Rezidivgeschehen. Die h&auml;ufigste Tumorlokalisation waren die Nasennebenh&ouml;hlen, 26 Mal mit Prim&auml;r-, 5 Mal mit Rezidivtumor. Die anderen Lokalisationen betrafen Nasenh&ouml;hle (6), Nasopharynx (2), Wangenschleimhautrezidiv (2), Oropharynx (2), Augenh&ouml;hle (2) Parotisrezidiv (1) und Rezidiv eines CUP-Syndroms (1). Das Alter der Patienten lag zwischen 35 und 73 Jahren, 36 m&auml;nnliche und 11 weibliche Patienten wurden behandelt.<br /> Die intraoperative Dosis betrug zumeist 10Gy, 33 Patienten erhielten auch eine postoperative Radiotherapie, davon 15 der 18 tumorfrei &uuml;berlebenden Patienten. Es kam zu keinen mit der intraoperativen Radiotherapie in Zusammenhang stehenden Komplikationen.<br /> Von den Patienten mit Nasennebenh&ouml;hlentumoren sind nach einem medianen Follow-up von 6,28 Jahren (Range 16/0,1) 10 der 26 Patienten mit Prim&auml;rtumor- und 2 der 5 Patienten mit Rezidivtumorbehandlung zwischen 193 und 21 Monaten nach der IOERT lokal tumorfrei am Leben.<br /> Bezogen auf alle 47 intraoperativ bestrahlten Patienten sind 12 von 29 Patienten mit gro&szlig;em Prim&auml;rtumor und 6 von 18 der Patienten mit Rezidivtumoren (zumindest T3, h&auml;ufig T4 mit Sch&auml;delbasis/ Orbitabeteiligung) nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 5,5 Jahren am Leben, davon 14 Patienten mit einer &Uuml;berlebenszeit von 100 Monaten oder 8,5 Jahren (Abb. 4). Alle 14 Patienten mit dieser &Uuml;berlebenszeit sind bisher lokal tumorkontrolliert, die am l&auml;ngsten &uuml;berlebende Patientin 16 Jahre nach IORT anl&auml;sslich der OP eines dritten Rezidivs eines Oberkieferkarzinoms.<br /> Bezogen auf histologische Subtypen sind 8 von 17 Patienten mit Plattenepithelkarzinomen (5 Prim&auml;rtumoren und 3x Rezidiv) sowie 10 von 30 Patienten (8 Prim&auml;rtumoren und 2x Rezidiv) mit Nicht- Pleca-Histologie in lokaler Tumorkontrolle und mit Ausnahme eines Patienten (Verdacht auf eine Lungenmetastase) tumorfrei. Bezogen auf die gesamte Kohorte der 47 Patienten sind 29 gestorben, davon 9 am neuerlichen Lokalrezidiv. Bei 7 dieser Patienten waren zum Zeitpunkt der IORT bereits Mehrfachrezidive aufgetreten (bis zu 5). 10 Patienten starben an Fernmetastasen, jeweils 5 Patienten an Zweittumoren bzw. an nicht onkologischen Erkrankungen.<br /> Die in Salzburg an der Sch&auml;delbasis intraoperativ bestrahlten Patienten stellen die gr&ouml;&szlig;te in der Literatur berichtete Patientengruppe mit dieser anatomischen Lokalisation mit Langzeitergebnissen dar.<br /> Im Jahr 2002 berichteten Pinheiro AD et al. von der Mayo Clinic in Rochester in der bisher umfangreichsten Studie &uuml;ber die IORT bei 34 Patienten mit Prim&auml;r-, Rezidiv-/ Plattenepithel- und Nicht-Pleca- Karzinomen an der Sch&auml;delbasis. Das 2-Jahres-Gesamt&uuml;berleben und das rezidivfreie &Uuml;berleben bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom betrug 32 bzw 21 % , bei Nicht-Pleca-Patienten 50 bzw 40 % .<br /> Die Salzburger Kohorte verf&uuml;gt nun &uuml;ber deutlich solidere Langzeitdaten, mit denen gezeigt werden konnte, dass durch die Dosisaugmentation einer IOERT auch bei lokal fortgeschrittenen Prim&auml;r- und Rezidivtumoren an der Sch&auml;delbasis in einem Drittel der F&auml;lle eine Langzeittumorkontrolle erzielt werden kann, bei subjektiv und objektiv hoher Lebensqualit&auml;t.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_jatros_onko_1705_s88_abb1+2.jpg" alt="" width="1417" height="997" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_jatros_onko_1705_s89_abb3.jpg" alt="" width="1415" height="718" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Onko_1705_Weblinks_jatros_onko_1705_s90_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="771" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Pinheiro AD et al.: Intraoperative radiotherapy for head and neck and skull base cancer. Head Neck 2003; 25(3): 217-26</p> </div> </p>
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