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EHA 2016 – multiples Myelom
Jatros
Autor:
OA Priv.-Doz. Dr. Niklas Zojer
1. Medizinische Abteilung<br> Zentrum für Onkologie und Hämatologie mit Ambulanz und Palliativstation<br> Wilhelminenspital Wien<br> E-Mail: niklas.zojer@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
15.09.2016
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<p class="article-intro">Das multiple Myelom war beim diesjährigen EHA-Meeting sicher die meistdiskutierte Krankheitsentität. Die Sessions zum Thema waren extrem gut besucht, was das Bestreben der hämatologisch tätigen Ärzteschaft belegt, in der zunehmend komplexer werdenden Therapielandschaft einen fundierten Überblick zu behalten. Im folgenden Artikel sollen Schlüsselaussagen einiger wichtiger Präsentationen des Meetings kurz zusammengefasst werden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Bereits vier randomisierte Studien zeigen Vorteile der Hochdosistherapie mit autologer Transplantation als Erstlinientherapie, sodass auf diese Therapiemodalität bei geeigneten Patienten nicht verzichtet werden sollte.</li> <li>Eine Metaanalyse zeigt neben einer Verbesserung des PFS auch eine Verbesserung des OS mit Lenalidomid-Erhaltungstherapie nach Hochdosistherapie mit autologer Transplantation. Es ist zu erwarten, dass eine Zulassung in dieser Indikation in Europa angestrebt wird.</li> <li>Daratumumab erweist sich als hocheffektiv in einer Tripelkombination mit entweder Len/Dex oder Bort/Dex. Derzeit ist Daratumumab nur als Monotherapie für das relapsierte Myelom zugelassen, aber auch hier ist mit einer baldigen Zulassungserweiterung zu rechnen.</li> </ul> </div> <p>In den letzten Jahren hat sich das therapeutische Armamentarium für die relapsierte Situation drastisch erweitert, und die Herausforderung besteht nun vor allem darin, zu entscheiden, welche Substanzkombinationen in welcher Sequenz für den individuellen Patienten optimalerweise zum Einsatz zu bringen sind. Während prognostische molekulare Marker in reicher Zahl vorhanden sind, ist nur von wenigen Markern eine prädiktive Information abzuleiten, also eine solche, die Schlüsse auf die Wirksamkeit bestimmter Therapien beim bestehenden molekularen Profil erlaubt. Zu erwarten ist jedenfalls – und die aktuelle Studienlandschaft unterstreicht dies –, dass die Substanzen, die gerade jetzt für die Relapssituation zugelassen worden sind, auch um einen Stellenwert früh in der Myelomtherapie, also in der ersten Therapielinie, ringen werden.</p> <h2>Stellenwert der Erstlinien-Hochdosistherapie gesichert</h2> <p>Der Stellenwert der Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation in der Erstlinientherapie des multiplen Myeloms wurde im Rahmen des EHA-Meetings nochmals bestätigt. In einer gepoolten Analyse zweier Studien, in denen die konventionelle, Lenalidomid-basierte Therapie mit Hochdosistherapie und autologer Transplantation verglichen wurde, konnte die eindrucksvolle Verlängerung des PFS durch Inklusion der intensiven Therapie im Erstlinienprotokoll (median 42 Monate versus 24 Monate, p<0,001) dokumentiert werden.<sup>1</sup> Auch das Gesamtüberleben hat sich durch das intensive Vorgehen gebessert (4-Jahres-Überleben 84 % versus 70 % , p<0,001). Für den Relaps war das Therapieprotokoll in diesen Studien nicht festgelegt, allerdings wurde für Patienten mit initial konventioneller Therapie ein Vorgehen mit Hochdosistherapie und autologer Stammzelltransplantation empfohlen. Bemerkenswert ist, dass dann tatsächlich nur 53 % dieser Patienten im Relaps einer intensiven Therapie zugeführt werden konnten. Dies mag verschiedene Gründe haben, etwa ein höheres Alter, vermehrte Komorbiditäten zu diesem späteren Zeitpunkt oder auch insuffizientes Ansprechen auf die Salvagetherapie. Jedenfalls scheint sich aus den Ergebnissen dieser Studie klar abzuleiten, dass die Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation früh zum Einsatz kommen sollte, wenn der Patient für ein solches Vorgehen prinzipiell geeignet ist. Auch die Daten zweier weiterer Studien (präsentiert beim ASH Meeting 2015 bzw. ASCO Meeting 2016) untermauern diese Ergebnisse.</p> <h2>Lenalidomid-Erhaltungstherapie verbessert Gesamtüberleben</h2> <p>Für die Lenalidomid-Maintenance-Therapie nach Hochdosistherapie mit autologer Transplantation wurde eine interessante Metaanalyse präsentiert.<sup>2</sup> Diese inkludiert die Studien IFM 2005-02, CALGB 100104 und GIMEMA RV-209 (1.209 Patienten insgesamt). In allen diesen Studien konnte ja ein deutlicher Benefit für die Lenalidomid-Erhaltungstherapie (10mg/Tag, Tag 1–21 oder Tag 1–28 eines 28-tägigen Zyklus) im Sinne einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens nachgewiesen werden. Allerdings war nur in einer der drei Studien auch das Gesamtüberleben mit Lenalidomid gebessert (CALGB 100104). Als problematisch wurde die gehäufte Beobachtung von Sekundärneoplasien unter Lenalidomid gesehen, sodass im europäischen Raum die Zulassung für Lenalidomid in dieser Indikation noch aussteht. Mit der vorliegenden Metaanalyse über die drei randomisierten Studien wurde nun allerdings auch eine überzeugende Verbesserung des Gesamtüberlebens mit der Erhaltungsstrategie belegt. Das 7-Jahres-Gesamtüberleben lag bei 62 % mit Lenalidomid-Maintenance versus 50 % in der Kontrollgruppe ohne Erhaltungstherapie (p=0,001). Dieses Ergebnis wurde trotz ausgeprägter Heterogenität im Studienkondukt erreicht. In der IFM-Studie wurde die Erhaltungstherapie etwa abgebrochen, als vermehrt Sekundärneoplasien detektiert wurden. Umgekehrt konnten Patienten in der CALGB-Studie nach Bekanntwerden des Vorteiles im progressionsfreien Überleben (Erreichen des primären Endpunktes) vom Placeboarm in den Lenalidomid-Arm wechseln. Trotzdem wird anhand der Metaanalyse der Vorteil im Gesamtüberleben mit Lenalidomid-Maintenance auf median 2,5 Jahre geschätzt. Die Hazard-Ratio für das Entstehen einer hämatologischen Zweitneoplasie lag in der gepoolten Analyse bei 2,03 (95 % CI: 1,14–3,61), die Hazard-Ratio für das Entstehen eines soliden Zweittumors bei 1,71 (95 % CI: 1,04–2,79).<br /> Im Hinblick auf mögliche prädiktive Marker für das Ansprechen auf die Therapie mit immunmodulatorischen Substanzen scheint die Beobachtung interessant, dass in einer kleinen Serie von Patienten, die mit Lenalidomid und Dexamethason behandelt wurden, die Expression des „Target“-Proteins Ikaros in Immunzellen (so etwa CD3<sup>+</sup>- und CD8<sup>+</sup>-T-Zellen) des Microenvironments für den Erfolg der Therapie relevant war, nicht jedoch die Ikaros-Expression in den Myelomzellen selbst.<sup>3</sup> Dies scheint darauf hinzudeuten, dass die Aktivierung von Immunzellen durch Lenalidomid für die therapeutische Effektivität beim Myelom eine besondere Rolle spielt.</p> <h2>POLLUX und CASTOR</h2> <p>Beeindruckend waren die Daten der zwei großen Daratumumab-Studien, in denen der Anti-CD38-Antikörper für die Behandlung des relapsierten Myeloms entweder mit Lenalidomid und Dexamethason kombiniert wurde (POLLUX-Studie) oder mit Bortezomib und Dexamethason (CASTOR-Studie). In die POLLUX-Studie wurden 569 Patienten randomisiert, die zumindest eine Vortherapie erhalten hatten (Abb. 1).<sup>4</sup> 19 % der Patienten hatten 3 oder mehr Vortherapien und 18 % der Patienten eine Vortherapie mit Lenalidomid erhalten. Daratumumab <sub>+</sub> Lenalidomid und Dexamethason führten im Vergleich zu Lenalidomid und Dexamethason alleine zu einer deutlich verbesserten Ansprechrate (ORR 93 % versus 76 % , p<0,0001; VGPR 76 % vs. 44 % , p<0,0001; CR 43 % vs. 19 % , p<0,0001). Eine „Minimal residual disease“(MRD)-Negativität (10<sup>–5</sup>) wurde bei 23 % vs. 5 % der Patienten beobachtet. Das progressionsfreie Überleben war hochsignifikant gebessert (medianes PFS nicht erreicht im Dara+Len/Dex-Arm vs. 18,4 Monate im Len/Dex-Arm, PFS bei 18 Monaten 78 % vs. 52 % , Hazard-Ratio 0,34, p<0,0001). Daratumumab-assoziierte Infusionsreaktionen traten bei 48 % der Patienten auf, waren meistens Grad 1–2 in der Ausprägung und traten vorwiegend nur bei der ersten Infusion in Erscheinung. Als obligate Prämedikation bei Daratumumab-Infusion sind 100mg Methylprednisolon, 650–1.000mg Paracetamol und ein Antihistaminikum empfohlen.<br /> In die CASTOR-Studie wurden 498 Patienten randomisiert, die zumindest eine Vortherapie erhalten hatten.<sup>5</sup> 66 % der Patienten waren mit Bortezomib vorbehandelt. Ähnlich wie in der POLLUX-Studie war mit der Tripelkombination Daratumumab + Bortezomib und Dexamethason im Vergleich zu Bortezomib und Dexamethason alleine eine deutliche Verbesserung der Re­sponseparameter evident, ebenso wie ein verbessertes PFS. Die ORR lag bei 83 % vs. 63 % (p<0,0001), die VGPR-Rate bei 59 % vs. 29 % (p<0,0001), die CR-Rate bei 19 % vs. 9 % (p=0,0012). MRD-Negativität (10<sup>–4</sup>) wurde bei 14 % vs. 3 % der Patienten registriert. Das mediane PFS war mit Dara + Bort/Dex nicht erreicht und lag bei 7,2 Monaten mit Bort/Dex alleine, das 1-Jahres-PFS bei 60,7 % vs. 26,9 % (Hazard-Ratio 0,39; p<0,0001).<br /> Daratumumab wurde in einer Dosierung von 16mg/kg Körpergewicht zunächst in wöchentlichen Abständen über die ersten zwei Monate, dann in 2-wöchigen Abständen in den nächsten 4 Monaten und schließlich ab Monat 7 in 4-wöchigen Abständen appliziert. Erwähnt sollte werden, dass Darzalex am 20. Mai 2016 durch die EMA für die Behandlung des Myeloms nach stattgehabter Vortherapie mit einem Proteasomhemmer und einer immunmodulatorischen Substanz zugelassen wurde, allerdings nur als Monotherapie. Zu erwarten ist wohl, dass die Daten der POLLUX- und CASTOR-Studie eingereicht werden, um eine Zulassung der Substanz in einer Kombinationstherapie zu erwirken, derzeit wäre eine solche Behandlung allerdings „off-label“. Daratumumab wird derzeit bereits auch in großen Phase-III-Studien in Erstlinientherapie getestet, bei älteren, nicht für eine Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation infrage kommenden Patienten im Rahmen der MAIA- (Dara + Len/Dex vs. Len/Dex) und ALCYONE-Studie (Dara + VMP vs. VMP), bei jüngeren Patienten im Rahmen der CASSIOPEIA-Studie (Dara + VTD vs. VTD) in einem Therapieschema, das Hochdosistherapie mit autologer Stammzelltransplantation inkludiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite45.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Kein Vorteil der „High cut-off“- Hämodialyse</h2> <p>Schließlich sei noch auf die Ergebnisse der EULITE-Studie hingewiesen, in der prospektiv und randomisiert die Wirksamkeit einer „High cut-off“-Hämodialyse mit optimiertem Protokoll für die Entfernung der freien Leichtketten aus dem Serum in der Behandlung neu diagnostizierter Myelompatienten mit Cast-Nephropathie untersucht wurde.<sup>6</sup> 90 Patienten mit bioptisch bestätigter Cast-Nephropathie und einem Level der involvierten freien Leichtkette über 500mg/l sowie mit Dialyseindikation wurden in die Studie eingeschlossen. Die Patienten wurden 1:1 in eine Gruppe mit „High cut-off“-Hämodialyse und in eine Gruppe mit Standard-Hämodialyse randomisiert. Alle Patienten wurden mit Bortezomib + Doxorubicin und Dexamethason systemisch behandelt. Die Ergebnisse waren insofern enttäuschend, als die Rate der Erholung der Nierenfunktion mit „High cut-off“-Hämodialyse nicht verbessert war (58,1 % mit HCO-HD, 66 % Standard-HD, p=ns). Das 2-Jahres-Gesamtüberleben hingegen war schlechter in der Gruppe mit HCO-HD (55,8 % vs. 76,6 % , p=0,037) und in der HCO-HD-Gruppe wurden in den ersten Therapiemonaten mehr Lungeninfektionen beobachtet (12 vs. 3, p=0,014).</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Gay F et al: EHA 2016; Oral Presentation; Abstract #S104<br /><strong>2</strong> McCarthy PL et al: EHA 2016; Oral Presentation; #Abstract S103<br /><strong>3</strong> Bolomsky A et al: EHA 2016; Poster Presentation; #Abstract P638<br /><strong>4</strong> Dimopoulos MA et al: EHA 2016; Presidential Symposium; #Abstract LB2238<br /><strong>5</strong> Palumbo A et al: EHA 2016; Oral Presentation; #Abstract LB2236<br /><strong>6</strong> Cook M et al: EHA 2016; Poster Presentation; #Abstract P270<br /><br /></p>
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