
©
Getty Images
Die Würde des Menschen hat oberste Priorität
Jatros
30
Min. Lesezeit
12.07.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Der Fortschritt in der Medizin, besonders der Onkologie, wirft auch ethische Fragen auf. Dem Wunsch der Ärzte, neue Therapien möglichst allen Patienten zugutekommen zu lassen, stehen begrenzte Ressourcen und Kosten-Nutzen-Abwägungen entgegen. Mit diesem Spannungsfeld befasste sich ein Symposium im Rahmen der OeGHO-Frühjahrstagung, das nach dem „Wert des Menschen“ fragte.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Der medizinische Fortschritt ist rasant: Wo früher das Prinzip „ein Medikament für alle Patienten“ herrschte, bieten heute personalisierte Therapien die Möglichkeit, Tumoren immer gezielter zu bekämpfen, erklärte Dr. Andreas Klein, Wien, in seinem Vortrag. Unterstützt wird diese Entwicklung durch „Big Data“, das Sammeln und Auswerten riesiger Datenmengen.<br /> Das wirft auch ethische Fragen auf, z.B. danach, was ein Menschenleben wert ist. Klein beantwortete sie provokativ mit „nichts“. Der Mensch habe keinen Wert, der sich in Zahlen ausdrücken lässt, sondern Würde, betonte er. Die Frage müsse daher lauten, was die Gesellschaft bereit ist, für die Behandlung von Krankheiten würdevoller Menschen auszugeben. Hier sei der Bedarf an gesellschaftlichem Diskurs hoch.</p> <h2>Innovationen in der Krebsmedizin</h2> <p>Speziell mit Neuerungen in der Onkologie beschäftigte sich Prof. Ulrich Jäger, Wien. Die Sequenzierung des menschlichen Genoms, Tumorsequenzierung, funktionelle Diagnostik und die Fragmentierung der Krebsdiagnosen helfen, Therapieziele neu zu definieren, so Jäger. Neben dem Überleben spielt die Lebensqualität eine immer größere Rolle. Dies verändert auch die Arbeit der Ärzte, die zunehmend fachübergreifend in Teams zusammenarbeiten, etwa in Tumorboards. Zudem verschiebt sich das Patientenmanagement vermehrt in den tagesklinischen oder ambulanten Bereich, da viele der neuen Medikamente auch ambulant verabreicht werden können. Eine große Hilfe dabei ist die Telemedizin, die Ärzten den Kontakt zum Patienten erlaubt, ohne ihn in die Klinik bestellen zu müssen.<br /> Gleichzeitig ändern sich die Therapiealgorithmen. Während die Ersttherapie in der Regel evidenzbasiert erfolgt, werden bei Hochrisikopatienten oder bei Nichtansprechen auf die First Line zunehmend Präzisionsmedizin mit molekularbiologischer Diagnostik sowie personalisierte Therapien eingesetzt. Jäger zeigte am Beispiel des multiplen Myeloms, dass seit der Einführung der immunmodulierenden Medikamente und Proteasominhibitoren die Gesamtüberlebensrate gestiegen ist: Zwischen 1996 und 2014 habe sie sich nahezu verdoppelt, betonte er. In der EXALT-Studie wurde der Effekt des „next-generation functional drug screening“ (ngFDS) bei Patienten mit aggressiven hämatologischen Tumoren untersucht. Patienten, deren Therapie anhand des ngFDS gestaltet wurde, hatten ein signifikant längeres progressionsfreies Überleben (22,6 Wochen vs. 5,7 Wochen; p=0,0075).<sup>1, 2</sup></p> <h2>Onkologische Rehabilitation hilft</h2> <p>Wie der sozioökonomische Status sich auf den Therapieerfolg auswirkt, zeigte Prof. Alexander Gaiger, Wien. In einer dänischen Studie hatten Non-Hodgkin-Lymphom-Patienten mit geringem Einkommen und weniger Bildung im Vergleich zu jenen mit hohem Einkommen und guter Bildung eine bis zu 60 % höhere Sterblichkeit.<sup>3</sup> Eine Ursache dafür könnte sein, dass Patienten mit niedrigem sozioökonomischem Status einen höheren Disstress-Level hätten und häufiger an Depressionen litten, so Gaiger. Der Bedarf an psychologischer Betreuung sei in allen Einkommensgruppen gleich, aber gerade die, die sie am nötigsten brauchten, erhielten sie am seltensten, kritisierte er. In diesem Zusammenhang wies er auf die positiven Wirkungen einer onkologischen Rehabilitation hin, die Symptome wie Ängste, Depressionen und Fatigue mindern und die Lebensqualität verbessern könne.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Onko_1804_Weblinks_s28_tab1.jpg" alt="" width="600" height="193" /></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: OeGHO-Frühjahrstagung, Symposium der Fa. Celgene:
„Der Wert des Menschen – This is Axiom“, 20. April 2018,
Villach
</p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Staber PB et al.: Next-generation functional drug screening for patients with aggressive hematologic malignancies. Blood 2017; 130: 855 <strong>2</strong> Snijder B et al.: Image-based ex-vivo drug screening for patients with aggressive haematological malignancies: interim results from a singlearm, open-label, pilot study. Lancet Haematol 2017; 4: e595-606 <strong>3</strong> Frederiksen BL et al.: Socioeconomic position, treatment, and survival of non-Hodgkin lymphoma in Denmark--a nationwide study. Br J Cancer 2012; 106: 988-95</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
ASH 2020 – Highlights zu den aggressiven Lymphomen
Highlight-Themen der virtuellen ASH-Jahrestagung im Dezember 2020 waren an erster Stelle die Immunonkologika in all ihren Variationen, aber auch Beispiele für innovative Sequenztherapien ...
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...