
Die Therapien der Zukunft
Vielen Dank für Ihr Interesse!
Einige Inhalte sind aufgrund rechtlicher Bestimmungen nur für registrierte Nutzer bzw. medizinisches Fachpersonal zugänglich.
Sie sind bereits registriert?
Loggen Sie sich mit Ihrem Universimed-Benutzerkonto ein:
Sie sind noch nicht registriert?
Registrieren Sie sich jetzt kostenlos auf universimed.com und erhalten Sie Zugang zu allen Artikeln, bewerten Sie Inhalte und speichern Sie interessante Beiträge in Ihrem persönlichen Bereich
zum späteren Lesen. Ihre Registrierung ist für alle Unversimed-Portale gültig. (inkl. allgemeineplus.at & med-Diplom.at)
Das maligne Pleuramesotheliom (MPM) ist eine sehr seltene Erkrankung mit einer äusserst niedrigen Inzidenz von 10–20/Million Einwohner. Als häufigste Ursache findet sich eine vorangegangene Asbestexposition. Da die Prognose zum Überleben aktuell nur bei 12–18 Monaten liegt, werden neue Behandlungsmethoden händeringend gesucht. Wir sprachen mit PD Dr. med. Alessandra Curioni vom Universitätsspital Zürich über die Herausforderung der Diagnostik des MPM, vielversprechende immuntherapeutische Ansätze und den selten auftretenden sarkomatoiden Subtyp des Tumors.
Das Mesotheliom der Pleura ist eine seltene Erkrankung. Inwieweit wird die klinische Forschung dadurch erschwert?
A. Curioni: Man kann definitiv sagen, dass die niedrige Inzidenz des MPM für die klinische Erforschung von Therapiemöglichkeiten hinderlich ist, zumal es zur Behandlung von Patienten erfahrene Zentren braucht. Wir am Universitätsspital Zürich sind auch auf Thoraxchirurgie spezialisiert, deshalb haben wir die Möglichkeit, Studien selbst durchzuführen oder an solchen teilzunehmen.
Natürlich verstehe ich, dass aus Sicht von pharmazeutischen Unternehmen das Interesse an der Entwicklung neuer Therapien für sehr seltene Entitäten nicht sehr gross ist. Jedoch lässt sich dieses Interesse sicher wecken: Es gibt einige therapeutische Strategien für das MPM, die hochinteressant wären.
Wie ist es zu erklären, dass in den nächsten Jahren weiterhin mit einer hohen Inzidenz von MPM zu rechnen sein wird, obwohl die Asbestverarbeitung in der EU ja bereits seit 2005 verboten ist?
A. Curioni: Dies lässt sich hauptsächlich mit der langen Latenzzeit zwischen der Asbestexposition und dem Auftreten des Tumors begründen, welche bei bis zu fünfzig Jahren liegt. In vielen europäischen Ländern wird Asbest erst seit 20–30 Jahren nicht mehr benutzt. Dazu kommt das immer höhere durchschnittliche Lebensalter der Bevölkerung. Wenn die Menschen länger leben, hat dies natürlich zur Folge, dass eine grössere Wahrscheinlichkeit für die tatsächliche Entwicklung eines MPM besteht.
Die Diagnostik des MPM ist aufgrund der unspezifischen Symptome recht schwierig. Könnten Sie kurz umreissen, wie Sie mit Patienten mit V.a. MPM umgehen?
A. Curioni: Normalerweise werden die Patienten bei uns mit einem Pleuraerguss vorstellig. Dieser kann verschiedene Ursachen haben. Die Erstdiagnose muss aber nicht immer richtig sein. Wenn der Verdacht auf ein MPM besteht, sollte der Patient an ein spezialisiertes Zentrum überwiesen werden. Das Exsudat, besonders aber auch bioptisch gewonnenes Material können bei der Diagnose Aufschluss geben, ob ein MPM vorliegt. Bei der Entnahme der Gewebeprobe gilt es genaue Richtlinien zu beachten. Bildgebende Verfahren können ebenso hilfreich sein, sind jedoch oft auch ungenau. Das Mesothel ist eine sehr dünne Schicht, die die Lunge umhüllt und den Brustraum auskleidet, und maligne Veränderungen sind z.B. mittels Computertomografie nicht immer einfach zu erkennen.
Wie könnte die Früherkennung erleichtert werden? Gibt es denn schon potenzielle Biomarker, die eine Hilfestellung bieten könnten?
A. Curioni: Es wird intensiv nach einem Biomarker gesucht, der die Früherkennung verbessern könnte. Leider ist man bislang nicht fündig geworden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich am ehesten, Risikogruppen zu identifizieren und regelmässigen Kontrollen zu unterziehen. Es handelt sich dabei natürlich vor allem um Patienten, die mit Asbest in Kontakt waren.
Eine kurative Behandlung des MPM ist im Prinzip nicht möglich, das Langzeitüberleben ist entsprechend gering. Was macht eine adäquate Therapie so schwierig?
A. Curioni: Die Standardtherapie in der Erstlinie ist eine Kombination aus Cisplatin/Pemetrexed und Bevacizumab. Das mediane Überleben, welches damit erreicht werden kann, beträgt in etwa eineinhalb Jahre.
Es gibt einige Hypothesen, die die geringe Wirksamkeit zu erklären versuchen. Eine geht davon aus, dass das Stroma der Pleura so aufgebaut ist, dass chemotherapeutische Agenzien nur schwer zu den malignen Zellen durchdringen können. Eine weitere Hypothese nimmt an, dass die malignen Mesotheliomzellen standardmässig eine hohe Resistenz gegen Chemotherapeutika aufweisen.
Immuntherapeutische Methoden gestalten sich ebenfalls eher schwierig, da das MPM ein sogenannter kalter Tumor ist. Das gesamte Microenvironment des Tumors (Tumormilieu) ist hoch immunsuppressiv. Darum ist es nicht ganz so einfach, das Immunsystem an diesem Lokus zu aktivieren. Aber es ist nicht unmöglich.
Gibt es denn schon Studien, die sich mit immuntherapeutischen Methoden beim MPM beschäftigen?
A. Curioni: Ja, da hat sich tatsächlich einiges getan. Auch bei uns am Universitätsspital Zürich sind wir in der klinischen Forschung ziemlich aktiv. Zum Beispiel haben wir an der Phase-III-Studie CheckMate-743 teilgenommen, welche beim MPM in der ersten Linie die Kombination aus dem Anti-PD-1(«programmed death-1»)-Antikörper Nivolumab und dem Anti-CTLA-4(«cytotoxic T-lymphocyte-associated antigen-4»)-Antikörper Ipilimumab mit der klassischen Chemotherapie aus Pemetrexed und Cisplatin oder Carboplatin vergleicht. In einem Press Release von BMS vom 20. April 2020 konnte bereits eine Verlängerung des Gesamtüberlebens unter den genannten Immuntherapeutika mitgeteilt werden. Das heisst also, dass möglicherweise diese Kombination von zwei Immuntherapien in Zukunft sogar die chemotherapeutische Behandlung ersetzen könnte. Wir freuen uns schon sehr darauf, diese herausragenden Ergebnisse bald genauer kennenzulernen.
Zu den «Chimeric antigen receptor»(CAR)-T-Zellen gibt es von uns am Universitätsspital Zürich ebenfalls Spannendes zu berichten: Es ist uns gelungen, erstmalig CAR-T-Zellen zu entwickeln, die gegen das Antigen «fibroblast activation protein» (FAP) gerichtet sind. Weltweit sind wir die Ersten, die eine klinische Phase-I-Studie (NCT01722149) mit in der Pleura verabreichten autologen CAR-T-Zellen komplettiert haben. Die Ergebnisse sind vielversprechend.
Was halten Sie von der multimodalen Therapie aus Resektion, Chemo- und Radiotherapie?
A. Curioni: Aufgrund der eben erläuterten Ergebnisse gehen wir davon aus, dass diese bald überholt sein wird. Die MPM-Therapie der Zukunft ist für mich auf jeden Fall die Immuntherapie, entweder allein oder in Kombination mit einer chemotherapeutischen Behandlung.
Welche Entwicklungen gibt es bei den zielgerichteten Therapien?
A. Curioni: Leider gibt es in diesem Bereich kaum Fortschritte, obwohl die Suche eines geeigneten Targets Gegenstand intensiver Forschung ist. Es gibt viele verschiedene Ansätze, vor allem zu Multi-Tyrosinkinase-Inhibitoren. Inhibitoren des epidermalen Wachtumsfaktor-Rezeptors (EGFR) sind immer wieder im Gespräch.
Wir haben auch schon viele verschiedene zielgerichtete Therapien ausprobiert, konnten jedoch nur selten ein Ansprechen erzielen. Äusserst selten nur gibt es Patienten, bei welchen wir eine Treibermutation finden können. Unlängst hatten wir eine recht junge Patientin, die eine Mutation im «Anaplastische Lymphomkinase»(ALK)-Gen aufwies. Diese konnten wir gezielt behandeln.
Die häufigste Mutation bei MPM-Patienten findet sich im «BRCA1-assoziiertes Protein-1»(BAP1)-Gen. Diese Änderung führt aber zu einer Inaktivierung des Gens und kann deshalb (noch) nicht gezielt behandelt werden.
Wie schätzen Sie den Nutzen einer Pleurektomie oder einer extrapleuralen Pneumonektomie (EPP) ein?
A. Curioni: Entsprechend der internationalen Richtlinie zur Behandlung des MPM führen wir eine Pleurektomie/Dekortikation durch und sehr selten eine EPP.
Gibt es Unterschiede in Behandlung und Prognose beim seltenen sarkomatoiden Subtyp des MPM?
A. Curioni: Darüber lässt sich noch nicht so viel sagen. Sicher ist nur, dass die Prognose beim sarkomatoiden MPM deutlich schlechter ist als beim epithelioiden und biphasischen Subtyp. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die malignen Zellen des sarkomatoiden Subtyps generell einen geringeren Differenzierungsgrad aufweisen und ein hochaggressives Verhalten zeigen. Ausserdem sind sie meistens resistent gegen Chemotherapeutika. Wir hoffen aber, dass neue Ergebnisse zu Nivolumab und Ipilimumab sich auch auf Patienten mit sarkomatoiden Mesotheliomen übertragen lassen.
Das Interview führte
Jasmin Gerstmayr, MSc
Das könnte Sie auch interessieren:
Highlights zu Lymphomen
Assoc.Prof. Dr. Thomas Melchardt, PhD zu diesjährigen Highlights des ASCO und EHA im Bereich der Lymphome, darunter die Ergebnisse der Studien SHINE und ECHELON-1
ASH 2020 – Highlights zu den aggressiven Lymphomen
Highlight-Themen der virtuellen ASH-Jahrestagung im Dezember 2020 waren an erster Stelle die Immunonkologika in all ihren Variationen, aber auch Beispiele für innovative Sequenztherapien ...
Aktualisierte Ergebnisse für Blinatumomab bei neu diagnostizierten Patienten
Die Ergebnisse der D-ALBA-Studie bestätigen die Chemotherapie-freie Induktions- und Konsolidierungsstrategie bei erwachsenen Patienten mit Ph+ ALL. Mit einer 3-jährigen ...